Floß/Oberpfalz (Bayern)

Regierungsbezirk Oberpfalz – GenWiki Datei:Floß in NEW.svg Floß ist ein Markt mit derzeit ca. 3.500 Einwohnern im Oberpfälzer Landkreis Neustadt a. d. Waldnaab nahe der deutsch-tschechischen Grenze (Kartenskizzen 'Reg.bezirk Oberpfalz', aus: wiki-de.genealogy.net  und  'Landkreis Neustadt/Oberpfalz', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Ihren personellen Zenit erreichte die israelitische Gemeinde Floß in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts; zeitweilig stellten die jüdischen Ortsbewohner etwa ein Fünftel der hiesigen Einwohnerschaft.

Fast alle Dokumente über die jüdische Gemeinde Floß sind im hiesigen Gemeindehaus erhalten geblieben, so dass eine nahezu lückenlose Darstellung der Geschichte der jüdischen Gemeinde möglich ist. Nur die Akten aus den Jahren nach 1871 sind während des Novemberpogroms „verschollen“.

Im oberpfälzischen Ort Floß bestand – ohne Unterbrechungen - vom Ende des 17.Jahrhunderts bis 1938 eine jüdische Kultusgemeinde; doch schon im Mittelalter sollen jüdische Familien hier vorübergehend gelebt haben. 1684 erlaubte der judenfreundliche Pfalzgrafen Christian August den vom Fürsten von Lobkowitz zwei aus Neustadt vertriebenen jüdischen Familien, sich in Floß niederzulassen; eine Art Schutzbrief - dieser wurde zunächst alljährlich verlängert - garantierte ihnen Sicherheit und legte ihnen zumeist wirtschaftliche Gebote und die Zahlung von Abgaben auf. Im Laufe des 18.Jahrhunderts wurde der „Judenschutz“ in weiteren Schutzbriefen modifiziert. Mit der ersten jüdischen Ansiedlung hatte sich auch die Floßer Marktgemeinde einverstanden erklärt, da sie sich davon wirtschaftliche Vorteile versprach. Als im Laufe des 18./19. Jahrhunderts die Zahl der jüdischen Einwohner ständig wuchs, waren es aber auch vor allem wirtschaftliche Gründe, die zu heftigen, langwierigen Konflikten zwischen Juden- und Marktgemeinde führten. Das schlechte Verhältnis zwischen beiden eskalierte 1723 mit einer Ritualmordbeschuldigung. Im Jahre 1744 hob Fürst Karl Theodor die alten Judenordnungen auf und erließ für Floß (und Sulzbach) neue Konzessionen; diese betrafen u.a. das jüdische Gemeindeleben, steuerliche Abgaben, wirtschaftliche Betätigungen und ähnliches. Ihre Behausungen hatten die Juden - etwas abseits des Dorfkerns - auf dem „Judenberg“ errichtet; da die Zahl der eingeschossigen (massiv gebauten) Häuser nicht unbegrenzt erhöht werden durfte, waren diese oft mit mehreren Familien belegt. In den ersten Jahrzehnten des 19.Jahrhunderts besaß die Judensiedlung in Floß mehr als 40 Häuser; jedes Haus besaß einen eigenen Brunnen. Durch die erzwungene Konzentration der Juden auf dem „Judenberg“ war die rein jüdische Siedlung auch eine weitgehend eigenständige Gemeinde; an ihrer Spitze standen ein Vorsteher und mehrere Deputierte, die die jüdische Gemeinde nach außen vertraten und die Entscheidungen der Gemeindeversammlung realisierten.

                        „Der Judenberg“ um 1690 (Staatsarchiv Amberg) 

Bis 1870 behielt die Floßer Judengemeinde ihre kommunalen Selbstverwaltungsrechte; erst danach ging die politische Verwaltung des „Judenberges“ in den Zuständigkeitsbereich der Marktgemeinde über. Ihre erste Synagoge, einen Holzbau, hatte die Judenschaft bereits 1721 am Rande der jüdischen Ansiedlung errichtet. Ein Großbrand machte 1813 die meisten Bewohner des „Judenberges“ obdachlos. Dabei wurde auch die inzwischen vergrößerte Synagoge vollständig vernichtet; bereits zwei Jahre später begann man, eine neue zu bauen. Das achteckige, im Barockstil erstellte Gebäude wurde 1817 eingeweiht. Während des Weiheaktes hielt Rabbiner Moses Wittelshöfer - neben einer längeren Ansprache nach herkömmlicher Art - auch eine deutsche Predigt; dabei entschuldigte er sich ausdrücklich bei der Zuhörerschaft, dass er diese  "Form" gewählt habe!  Aus dem Artikel des Bamberger Rabbiners Dr. M. Katten - veröffentlicht in der „Bayerischen Israelitischen Gemeindezeitung“ vom 1. Juli 1935:

Eine Synagogeneinweihung in Bayern 1817. In diesem Jahr sind 250 Jahre vergangen, seitdem es in Floß in der Oberpfalz eine jüdische Gemeinde gibt. Kein Ereignis wird je dort eine so frohe Gemeinde gesehen haben als die Einweihung der Synagoge im Jahr 1817. Der Zufall hat mir ein paar Blätter in die Hände gespielt, aus denen die Einzelheiten der Festlichkeit zu ersehen sind. ...  Am 26. April 1813 hatte in Floß ein verheerender Brand gewütet, der neben zahlreichen Bauernhöfen auch die alte, fast 100 Jahre lang benutzte Synagoge in Asche gelegt hatte. Die Floßer Juden ließen den Kopf nicht hängen und brachten in verhältnismäßig kurzer Zeit den Fond für einen Synagogenneubau zusammen. Zur Einweihungsfeier des nach Regierungsplänen erbauten Gotteshauses waren Einladungen an die Vorstände der Königlichen Landgerichte, die Pfarrämter und „andere Herrschaften der Umgegend“ ergangen. Am 22. August 1817, dem Einweihungstage, begaben sich einige Vorsteher sowie acht berittene „Judensöhne“ nach Neustadt an der Waldnaab, um den Landrichter von Lichtenstern und seine Begleitung abzuholen und nach Floß zu geleiten. Am Eingang des sog. Judenberges war eine Ehrenpforte errichtet und der damalige Rabbiner Moses Wittelshöfer, an der Spitze einer Deputation, richtete einige Begrüßungsworte an den freiherrlichen Gast und überreichte ihm sodann den Synagogenschlüssel mit dem untertänigen Ersuchen, als erster die geheiligte Stätte zu betreten. ... wo die sämtliche Gemeinde im festlichen Anzuge versammelt war; von da ging der feierliche Zug zwischen dem in Parade aufgestellten hochlöblichen Bürgermilitär zur neuen Synagoge. Den Hauptteil der nun folgenden eigentlichen Feier bildete die Rede des Rabbiners. Sie ist gedruckt worden (Rede am Tage der Einweihung der neuerbauten Synagoge usw., gehalten von Rabbi Moses ben Abraham, Sulzbach 1818) und der ihr vorangeschickten Einleitung verdanken wir die hier gegebenen Notizen über das Festprogramm. Der Ansprache, die mehr eine wissenschaftliche Betrachtung als eine Predigt war, hat Rabbiner Wittelshöfer einen Prolog vorausgehen lassen, in dem er sich zunächst vor den Kollegen entschuldigt, daß er die Einweihung der Synagogen mit dem Vortrag einer deutschen Rede unternehme, welches nicht in der unedlen Absicht geschehe, „einen Ruhm über diejenigen Rabbiner zu erwerben, welche sich mit dergleichen Vorträgen nie beschäftigt haben“. Die innere Berechtigung für die von ihm gewählte Form der Rede leitet er auf der Tatsache ab, „daß viele Herrschaften, Geistliche und andere gelehrte Männer diese Einweihung beehrten, und es also sehr undankbar gewesen wäre, denselben mit einer Ihnen unkundigen jüdischen Predigt Langeweile zu verursachen?“ ... Der Vortrag selbst, der sich hauptsächlich mit dem historischen Begriff der Synagoge beschäftigt, stellte in formaler Hinsicht eine ausnehmend gute Leistung dar ... . Mit einem von Rufen der Gemeinde lebhaft begleiteten Treuegelöbnis für das Herrscherhaus und die Regierung beschließt der Rabbiner, der eine Thorarolle in den Arm genommen hatte, seine Rede. ... Nach der Huldigung an die bayerischen Majestäten wurde Psalm 21 in der Übersetzung von Mendelssohn gesungen, desgleichen Psalm 72 nach dem Gebet für den Kronprinzen Ludwig. Der Segen für die Behörden und Verwaltungen schloß mit dem Gesang von Psalm 101. ... Wittelshöfer hat offenbar mit seiner Rede großen Eindruck gemacht und viel Anerkennung davongetragen.

       

  Synagoge von Floß (links: Bauplan, rechts: Linolschnitt von D. L. Bloch, 1934)

Floß war mehr als 150 Jahre (von ca. 1740 bis 1894) Sitz eines Ortsrabbinates. Als erster Rabbiner amtierte hier Salomon ben David, der sich wegen seiner herausragenden Thora-Kenntnisse auszeichnete (gest. 1767). Derjenige, der mehr als ein halbes Jahrhundert das Floßer Rabbinat bis zu dessen Auflösung führte, war Israel Wittelshöfer, dessen Vater (Moses W.) bereits von 1813 bis 1840 als Floßer Rabbiner amtierte.
Nach Auflösung des Rabbinates in Floß gehörte die Gemeinde zunächst zum Rabbinatsbezirk Bayreuth. 

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2090/Floss%20Synagoge%20235.jpg Synagogenraum (hist. Aufn., um 1930?)

Neben der Synagoge standen der jüdischen Gemeinde weitere Einrichtungen zur Verfügung, wie ein bescheidenes Gemeindehaus, eine Elementarschule, eine Mikwe, ein eigener Backofen und ein Friedhof.

                      gemeindliches Stellenangebot von 1877 http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20251/Floss%20AZJ%2002101877.jpg

In dem folgenden Artikel der Zeitschrift "Der Israelit" vom 28. April 1869 wird über "Unregelmäßigkeiten" bei Beschneidungen berichtet und Abhilfe des "Missstandes" gefordert:

                      http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20327/Floss%20Israelit%2028041869.jpg

Auf einer Anhöhe nordöstlich der Ortschaft war ein Friedhof bereits um 1690 angelegt worden; in den folgenden Jahrhunderten wurde er mehrfach erweitert. Juden aus Schönsee und Waidhaus, aber auch die aus Weiden fanden bis ca. 1900 hier ihre letzte Ruhe.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2085/Floss%20Friedhof%20020.jpghttp://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2085/Floss%20Friedhof%20021.jpgAufn. Th. Harburger, 1929

Um 1810 wurde in Floß - auf Veranlassung des Freiherrn von Lichtenstein - eine jüdische Volksschule eingerichtet, an der zeitweise ein katholischer Lehrer den Elementarunterricht erteilte. Etwa ein Jahrzehnt später wurde eine Religions- und hebräische Sprachschule am Ort gegründet; beide Schulen fusionierten in den 1870er Jahren miteinander. Anfang der 1920er Jahre wurde wegen Schülermangels der Unterrichtsbetrieb eingestellt.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2088/Floss%20Israelit%2017011907a.jpg Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17. Januar 1907

Juden in Floß:

         --- 1684 ..........................   4 jüdische Familien,

    --- 1716 ..........................   8     “       “    ,

    --- 1736 ..........................  14     “       “    ,

    --- 1759 ..........................  25     “       “    ,

    --- um 1770 .......................  37     “       “    ,

    --- 1814 ..........................  64     “       “    (Matrikel!),

    --- 1840/42 .......................  72     “       “    (ca. 20% d. Bevölk.),

    --- 1848 .......................... 385 Juden (in 64 Familien),

    --- 1851 ..........................  51 jüdische Familien,

    --- 1867 .......................... 288 Juden (ca. 12% d. Bevölk.),

    --- 1871 .......................... 191   “   (ca. 10% d. Bevölk.),

    --- 1875 .......................... 156   “  ,

    --- 1880 .......................... 119   “  ,*         * angeschlossen Erbendorf

    --- 1890 ..........................  73   “   (ca. 4% d. Bevölk.),

    --- 1900/1910 .....................  43   “  ,

    --- 1925 ..........................  23   “   (in 8 Familien),

    --- 1933 ..........................  19   “  ,

    --- 1938 (Nov.) ...................  11   “  ,

    --- 1942 ..........................   4   “  .  

Angaben aus: Renate Höpfinger, Die Judengemeinde von Floß 1684 - 1942 (Dissertation), S. 100/101

 

1813/1814 wurden in Bayern die Matrikel eingeführt; sie legte die Zahl der in einem Ort ansässigen jüdischen Familien fest. In Floß wurden 64 Familien in die Matrikel aufgenommen; anschließend leisteten alle Juden den vorgeschriebenen Untertaneneid. In den Folgejahren wurde zwar offiziell die Normzahl auf 40 Familien herabgesetzt, doch lebten weiterhin die 1814 zugelassenen 64 Familien hier. Die Judengemeinde Floß erreichte zu Beginn der 1840er Jahre ihren zahlenmäßigen Zenit: insgesamt wohnten damals 72 jüdische Familien am Ort, das waren zeitweise ca. 20% der Gesamtbevölkerung. Doch innerhalb von nur zehn Jahren sank die Familienzahl um fast ein Drittel; viele wanderten nach Nordamerika aus. Mit der Abwanderung der Floßer Juden war auch eine Veränderung der Besitzverhältnisse auf dem „Judenberg“ verbunden; christliche Familien kauften jüdische Anwesen und siedelten sich hier an. 1938 waren nur noch neun Häuser in jüdischem Privatbesitz.

Das jahrzehntelang konfliktbeladene Verhältnis zwischen den Bewohnern des „Judenberges“ und denen der Marktgemeinde entspannte sich nach Mitte des 19.Jahrhunderts deutlich; mit dem Integrationsstreben der Juden in die politische Gemeinde verband sich auch das Bemühen der christlichen Bevölkerung zu mehr religiöser Toleranz. Ein Beispiel für die gegenseitige Respektierung und Anerkennung war 1893 die Ernennung des Rabbiners Israel Wittelshöfer* zum Ehrenbürger des Ortes - als Dank für dessen 50jährige Tätigkeit. 

*Israel Witteldörfer starb 1896; seitdem gehörte Floß vorübergehend zum Rabbinat in Bayreuth.

undefinedJudenberg mit Synagoge, um 1900 (aus: wikipedia.org, PD-alt-100)

Zu Beginn der 1930er Jahre war dann der jüdische Bevölkerungsanteil in Floß verschwindend gering; er machte nun nicht einmal mehr ein Prozent der Gesamtbevölkerung aus; bereits 1928 war schon bereits kein Minjan mehr vorhanden.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2088/Floss%20Israelit%2002011879.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20118/Floss%20Israelit%2023081900.jpg

 zwei Lehrstellenangebote jüdischer Gewerbetreibender (1879/1900)

Nach der NS-Machtübernahme wurden die drei noch am Ort bestehenden jüdischen Geschäfte bald ins wirtschaftliche Abseits gestellt; doch konnten sie sich noch bis 1938 über Wasser halten. Die antijüdische Stimmung im Dorf zeigte sich u.a. daran, dass 1935 ein Umzug von NSDAP-Angehörigen, dem sich auch HJ und Jungvolk angeschlossen hatte, den „Judenberg“ durchquerte und hier antisemitische Parolen grölten. Zwei Jahre später wurde der jüdische Friedhof erneut geschändet, Grabsteine umgeworfen und zertrümmert. Im Sommer 1938 wurde die Floßer Gemeinde offiziell aufgelöst.

Während des Novemberpogroms wurde das Inventar der Synagoge einschließlich der Kultgegenstände demoliert und geplündert; von einer Brandlegung sah man ab - wohl auf Rücksicht auf die Nachbarhäuser. Auch das Gemeindehaus und die Rabbinerwohnung wurden zerstört. Die wenigen Floßer Juden wurden bedroht, kurzzeitig in Haft genommen und z.T. auch misshandelt; der Großteil der Ortsbevölkerung soll den „Aktionen“ ablehnend gegenübergestanden haben. Die letzten beiden jüdischen Ehepaare wurden Anfang April 1942 deportiert.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden nachweislich 29 Juden gebürtige bzw. längere Zeit in Floß ansässig gewesene jüdische Bewohner Opfer der NS-Gewaltherrschaft (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/floss_synagoge.htm).

 

Unmittelbar nach Kriegsende bildete sich in Floß wieder eine jüdische Gemeinde, die allerdings nur wenige Jahre bestand und in keinerlei Kontinuität zur früheren stand. Die kaum 50 Juden, die sich bis 1948/1949 hier aufhielten, gründeten auf einem beschlagnahmten Bauernhof einen Kibbuz, um sich hier Kenntnisse in der Landwirtschaft anzueignen und ihre Auswanderung nach Palästina/Israel vorzubereiten. Nur ein einziger ließ sich in Floß nieder.

Das ehemalige Synagogengebäude, das die NS-Zeit äußerlich relativ unbeschädigt überstanden hatte, ging in Privathand über und diente in denj 1950er Jahren als Schuhmacher-Werkstatt. Im Jahre 1964 wurde es vom Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern zurückerworben und in den 1970er Jahren vollständig restauriert. Am 42.Jahrestag der Pogromnacht wurde das ehemalige Synagogengebäude „Am Berg” der Öffentlichkeit übergeben. Die Synagoge in Floß diente jahrelang als Gotteshaus für die Israelitische Gemeinde Weiden. 2005 konnte eine weitere umfassende Sanierung des Gebäudes abgeschlossen werden.

FlossSynagoge 05.JPGInnenraum der Floßer Synagoge im August 2014.jpg

restauriertes Synagogengebäude (Aufn. A. Koch, 2015, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0 bzw. CCO)

Auf dem ca. 750 m² großen Areal des jüdischen Friedhofs (Flossenbürger Straße) befinden sich heute etwa 420 Grabstätten; der älteste vorhandene Stein datiert von 1692.

 FlossJuedischerFriedhof 04.JPGFlossJuedischerFriedhof 09.JPG

jüdischer Friedhof von Floß (beide Aufn. A. Koch, 2015, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

alte Gräber (Aufn. Walter J. Pilsak, 2004, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

In einem Sammelgrab sind 33 jüdische KZ-Häftlinge aus dem nahegelegenen KZ Flossenbürg bestattet. Gegen Ende der 1940er Jahre wurde ein Gedenkstein mit folgender Inschrift hier aufgestellt: „Zum Andenken an die jüdischen Märtyrer, die in den Verfolgungsjahren durch die Nazis ermordet wurden und hier eine Grabstätte fanden, wurde diese Tafel durch die Verbliebenen errichtet.“

Das Friedhofsgelände blieb in jüngerer Vergangenheit nicht vor Schändungen verschont.

 

 David Ludwig Bloch wurde im Jahre 1910 in Floß als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren. Bereits im Kleinkindalter wurde er Vollwaise und wuchs bei seiner Großmutter in München auf. Infolge einer Gehirnhautentzündung verlor er als Kind das Gehör. Im Jahre 1925 begann Bloch eine Porzellanmalerlehre, später dann ein Studium an der Staatsschule für angewandte Malerei in München; wegen Geldmangels arbeitete er danach als Dekorateur. Im November 1938 wurde er ins KZ Dachau verschleppt. Im Frühjahr 1940 emigrierte Bloch nach Shanghai. Vier Jahre nach Kriegsende übersiedelte er nach New York und arbeitete hier als Kunstlithograph. 1976 kam er erstmals wieder nach Deutschland; nach seiner Rückkehr setzte er sich künstlerisch mit dem Holocaust auseinander. Zum 90.Geburtstag des Künstlers - im Jahre 2000 - zeigte das Jüdische Museum München eine Retrospektivausstellung mit einem Querschnitt aus seinem Leben und Schaffen unter dem Titel „David Ludwig Bloch - München - Schanghai - New York”. Im Jahre 2002 verstarb David Ludwig Bloch in New York.

 

(Aufn. M., 2008, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)        Wenige Kilometer östlich von Floß existierte von 1938 bis 1945 das Konzentrationslager Flossenbürg mit zahlreichen Außenlagern, in dem etwa 100.000 Menschen inhaftiert waren; mindestens 30.000 sollen dem NS-Terror zum Opfer gefallen sein. Ab März 1944 erreichten auch Transporte mit zahlreichen polnischen und ungarischen Juden Flossenbürg, die hier zu Schwerstarbeit herangezogen wurden. Von August bis Ende 1944 wurden mehr als 11.000 Juden in den Lagerkomplex von Flossenbürg eingeliefert, darunter über 7.000 Frauen. Anfang 1945 bis Ende April d.J. erreichten noch weitere 10.000 jüdische Häftlinge das Lager. Am 20.4.1945 wurde das KZ Flossenbürg endgültig geräumt; etwa 1.600 kranke Häftlinge blieben zurück, die Mehrzahl musste sich in Richtung Dachau in Marsch setzen. Etwa 5.000 Leichen wurden entlang der Strecke der Todesmärsche festgestellt.

Lager Flossenbürg 1945 (Aufn. aus: wikipedia.org, CCO)

Ab Herbst 1945 diente das Lager Flossenbürg als DP-Camp, eingerichtet und verwaltet von der UNRRA (= United Nations Relief und Rehabilitation Administration); es blieb bis Ende 1947 bestehen. Hier wurden die DPs betreut: heimatlose Zwangsarbeiter, ehemalige KZ-Häftlinge, Kriegsgefangene, Flüchtlinge oder Evakuierte. Die UNRRA war auch für die Juden verantwortlich, die in den ‚free communities’ lebten.

Eine jüdische Gedenk- und Gebetsstätte besteht seit 1995 in dem ehemaligen Lagerkomplex. Im Jahre 2006 ist das Lagergelände, einschl. der NS-Bauten und des Steinbruchs, zum Denkmal erklärt worden.

 

 

 

In Waldsassen – im heutigen Landkreis Tirschenreuth – lebten seit der zweiten.Hälfte des 19.Jahrhunderts einige jüdische Familien, die offiziell der Kultusgemeinde von Floß angehörten. Für die Entwicklung der hiesigen Glas- u. Porzellanindustrie hatten jüdische Unternehmer große Bedeutung. Die Wirtschaftskrise (1929) führte zur Schließung der beiden Glasfabriken. Die Porzellanfabrik Gareis, Kühnl & Co und das Ziegelwerk überstanden zwar die Krise, doch wurden die jüdischen Gesellschafter dann während der NS-Zeit zur Aufgabe gezwungen. Anfang der 1930er Jahre besaß Waldsassen ca. 20 jüdische Bewohner, die in den Folgejahren zumeist verzogen bzw. sich in die Emigration flüchteten. Die wenigen noch verbliebenen wurden 1942 deportiert.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden acht gebürtige bzw. länger am Ort wohnhaft gewesene jüdische Personen Opfer des Holocaust (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/waldsassen_juedgeschichte.htm).

 

 

 

Weitere Informationen:

Johann Fichtl, Die Einwanderung der Juden in Floß, in: "Die Oberpfalz", No. 11/1917

Leonard Bär, Der Markt Floß in Vergangenheit und Gegenwart, Floß 1926

Magnus Weinberg, Geschichte der Juden in der Oberpfalz, Band V: Herzogtum Sulzbach (Sulzbach und Floß), München 1927

Mordechai Bernstein, Floss - Bayerns letztes Ghetto, in: "AWJD", Nov. 1951

Stefan Schwarz, Die Juden in Bayern - Im Wandel der Zeiten, Günter Olzog Verlag, München/Wien 1963, S. 87

Stefan Schwarz, Die Synagoge in Floß (Oberpfalz), in: "Zeitschrift für die Geschichte der Juden", No. 10/1973, S. 113 f.

Joseph Goldmann/Fred Lehner, Israelitische Kirchengeschichte, in: A.W.Schuster (Hrg.), 1000 Jahre Floß - Zum Heimatfest 1976 ... , Floß 1976, S. 335 – 342

Fred Lehner, Die Flosser Juden in der neueren Zeit, in: A.W.Schuster (Hrg.), 1000 Jahre Floß - Zum Heimatfest 1976 ... , Floß 1976, S. 343 - 345

Baruch Z. Ophir/F. Wiesemann (Hrg.), Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, München/Wien 1979, S. 80/81

Hubert Bauch, Die Synagoge in Floß (Opf.), in: "Jahrbuch der Bayrischen Denkmalspflege", No. 34/1980, S. 354 - 356

Harold Hammer-Schenk, Synagogen in Deutschland. Geschichte einer Baugattung im 19. u. 20.Jahrhundert, Hans Christians Verlag, Hamburg 1981, Teil 1, S. 244

Gerhard Wilhelm Daniel Mühlinghaus, Der Synagogenbau des 17. u. 18.Jahrhunderts im aschkenasischen Raum, Dissertation, Philosophische Fakultät Marburg/Lahn, 1986, Band 2, S. 125 - 130

Toni Siegert, 30.000 Tote mahnen, Die Geschichte des KZ Flossenbürg und seiner 100 Außenlager von 1938 - 1945, Weiden 1987 (2.Aufl.)

Johannes Hartmann, Die jüdische Gemeinde in Sulzbach und Floß, in: Festschrift zum 300.Todestag von Christian Knorr von Rosenroth, Sulzbach-Rosenberg 1989

Peter Heigl, Konzentrationslager Flossenbürg, Regensburg 1989

Siegfried Wittmer, Juden in der Oberpfalz von den Anfängen bis 1918, in: "VHVO", No. 132/1992, S. 27 - 92

Israel Schwierz, Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern - Eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1992, S. 285/286

Siegfried Wittmer, Juden in der Oberpfalz 1919 bis 1993, in: "VHVO", No.133/1993, S. 125 - 156

Renate Höpfinger, Die Judengemeinde von Floß 1684 - 1942 (Dissertation), in: "Regensburger Historische Forschungen", Band 14 (1993), Verlag Michael Lassleben, Kallmünz Opf. 1993

Hubert Bauch, Die Synagoge in Floß, in: Michael Petzet (Hrg.), Denkmäler jüdischer Kultur in Bayern, Bayrisches Landesamt für Denkmalpflege, Arbeitsheft 43, München 1993/1994

Michael Trüger, Der jüdische Friedhof in Floß, in: "Der Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern", 11.Jg., No. 75/1997, S. 16

Theodor Harburger, Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern, Band 2: Adelsdorf - Leutershausen, Hrg. Jüdisches Museum Franken - Fürth & Schnaiitach, Fürth 1998, S. 202/203

Ingild Janda-Busl, Is gewejn a Folk - Jüdisches Leben in Böhmen und der nördlichen Oberpfalz von Hof bis Weiden und von Eger bis Pilsen - Katalog zur gleichnamigen Ausstellung, Weiden/Oberpfalz 2001, S. 64 - 67

Floß, in: alemannia-judaica.de (mit zahlreichen Text- u. Bilddokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Waldsassen (Kreis Tirschenreuth), in: alemannia-judaica.de

Michael Schneeberger, Die Juden von Floß, in: Jüdisches Leben in Bayern, 19.Jg., No. 35/2004, S. 34 – 39

Angela Hager/Cornelia Berger-Dittscheid, Floß, in: Mehr als Steine … Synagogengedenkband Bayern Band 1, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2007, S. 244 - 252

Wolfgang Benz/Barbara Distel (Hrg.), Flossenbürg. Das Konzentrationslager Flossenbürg und seine Außenlager, München 2007, S. 11 - 60

Renate Höpfinger, Die jüdische Gemeinde von Floß, in: M.Brenner/R.Höpfinger (Hrg.), Die Juden in der Oberpfalz. Studien zur Jüdischen Geschichte und Kultur in Bayern 2, Oldenbourg-Verlag, München 2009, S. 87 - 104

Camilla Weber, Jüdisches Leben in Sulzbach und Floß im 17. und 18.Jahrhundert, in: "Morgen-Glantz", Bd. 22 (2012), S. 115 - 141

Floß – jüdische DP-Gemeinde, online unter: after-the-shoah.org

Ingild Janda-Busl, Juden im Landkreis Tirschenreuth, Band 3: Waldsassen, Erich Weiß Verlag, Bamberg 2013

Marktgemeinde Floß (Hrg.), Jüdische Geschichte – Synagoge in Floß, online abrufbar unter: floss.de/geschichte_jaedischegeschichte.htm

Redaktion Onetz.de, Denkmal der Versöhnung. Flosser Synagoge bekommt durch gemeinsame Kraftanstrengung Zukunft, online abrufbar unter: onetz.de ("Der Neue Tag – Sulzbach-Rosenberger-Amberger Zeitung") vom 23.8.2017

Sebastian Schott (Bearb.), Jüdische Gemeindehäuser und Synagogen in der östlichen Oberpfalz und im angrenzenden Westböhmen (ehem. politischer Bezirk Tachau/Tachov) - Die Synagoge von Floß, in: Wilfried Heller (Hrg.), Jüdische Spuren im ehemaligen Sudetenland - Beiträge einer internationalen Tagung in Cheb (Eger), 2017, S. 110 - 114

Fred Lehner (Red.), Jüdische Vergangenheit gehört zu Floß, in: onetz.de ("Der Neue Tag – Sulzbach-Rosenberger Amberger Zeitung") vom 7.11.2019

Dieter Dörner (Red.), Jüdisches Leben in der Oberpfalz, in: onetz.de vom 3.3.2020

Dieter Dörner (Red.), Floss/Oberpfalz. Massenhafte Auswanderung nach Amerika, in: onetz.de vom 10.3.2020

Haus der Bayrischen Geschichte (Hrg.), Gemeinde Waldsassen, in: Jüdisches Leben in Bayern, online abrufbar unter: hdbg.eu/juedisches_leben/gemeinde/waldsassen

Tim Wehinger (Red.), Jüdisches Leben in der Oberpfalz: Marktgemeinde Floß – Filmbeitrag, 2022

Beate Luber (Red.), Wie Schüler das Schicksal einer jüdischen Familie erspüren – Bildungsprogramm „Die Ansbachers“ der KZ-Gedenkstätte Flossenbürg, in: „Oberpfalz-Echo“ vom 16.4.2022

Bernd Kellermann (Red.), Staatsarchive publizieren Dokumente zu jüdischem Leben in Bayern, in: BR24 vom 21.8.2023 (betr. Synagoge Floß)

Fred Lehner (Red.), Floß ehrt 340 Jahre jüdische Geschichte, in: „Oberpfalz-Echo“ vom 13.10.2024