Franzensbad (Böhmen)

 Bildergebnis für Franzensbad Karte wikipedia File:Mariánské lázně (CZE) - location.svg  Der seit dem ausgehenden 18.Jahrhundert bestehende böhmische Kur- und Badeort Franzensbad (Bezirk Eger) ist das heutige tsch. Františkovy Lázne - nur wenige Kilometer nördlich von Eger (Cheb) gelegen. Die Kleinstadt mit ihren derzeit ca. 5.700 Einwohnern ist - neben Karlsbad und Marienbad - einer der weltbekannten Kurorte im Westböhmischen Bäderdreieck (Kartenskizzen aus: egerlandmuseum.de und Lage von F. innerhalb Tschechiens, aus: wikipedia.org, gemeinfrei).

 

Kurz nach der Gründung des Kurortes Franzensbad (1793) haben sich bereits jüdische Kleinkaufleute (meist Hausierer) aus der Region (z.B. aus Steingrub) hier aufgehalten, um ihren Geschäften nachzugehen. Da die Juden damals hier keine Grundstücke erwerben und sich auch nicht dauerhaft ansässig machen durften, verließen sie jeweils nach Ende der Kursaison im Herbst Franzensbad wieder, kehrten dann im Frühjahr wieder zurück.

Colonnaden, um 1850 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Eines der ersten Gewerbe, das von einem Juden in Franzensbad seit ca. 1830 betrieben wurde, war eine koschere Garküche, in der sich die jüdischen Kurgäste trafen. Später wurden hier auch Gottesdienste abgehalten.

Mit den nach 1848 bzw. 1867 erlassenen Gesetzen zur Gleichberechtigung wurden nun auch die ersten jüdischen Familien in Franzensbad dauerhaft ansässig. Zu den ersten zählten die Familie Adler (seit 1865 besaß sie ein Hotel in der Kirchstraße) und der Arzt Dr. Leopold Fellner. Der Hotelier Philipp Adler, der nach Gründung des Religionsvereins (1863) dessen offizieller Vertreter war, richtete 1872 vorübergehend ein Bethaus in der Herzog-Karl-Straße ein. Doch schon drei Jahre später konnte die kleine neu gegründete Kultusgemeinde einen Synagogenneubau im neubyzantischen Stil (Ecke Karlstr./Hönnlstr.) - mit zwei Türmen und Kuppeln - nutzen, der erst mit finanzieller Unterstützung jüdischer Kurgäste, der Kommune Franzensbad und einer Geldzuwendung des Kaisers (er spendete 200 Gulden) errichtet werden konnte. Die feierliche Eröffnung des Gotteshauses, die aber erst am 12. August 1877 erfolgte, nahm der Rabbiner Dr. Plaut aus Karlsbad vor.

Celkový pohled na synagogu, okolo r. 1900

 Hauptstraße mit Synagoge - Ansichtskarten um 1900 bzw. 1920 (aus: commons.wikimedia.org, CCO bzw. Museum Františkovy Lázně)

In etwa zeitgleich konstituierte sich offiziell die „Israelitische Gemeinde Franzensbad“. Anfang der 1890er Jahre vergrößerte sich die Franzensbader Synagogengemeinde: weitere Ortschaften aus dem Bezirk Eger, dem Bezirk Wildstein und Asch hatten sich nun ihr angeschlossen. Franzensbad wurde nun auch Sitz eines Rabbinats.

Anm.: In diesem Zusammenhang löste sich die im Bezirk Wildstein liegende jüdische Kultusgemeinde Steingrub auf; Gemeindehaus und Friedhof gingen ins Eigentum der Franzensbader Synagogengemeinde über.

Isaak Löwus, der schon seit 1889 das Amt des Kantors/Schächters bekleidete, übernahm 1896 als erster Rabbiner die Führung der Gemeinde, die er bis zu seinem Tode (1904) inne hatte. Mit der 1908 erfolgten Ernennung von Dr. David Spitzer (geb. 1874 in Wien) zum Gemeinderabbiner blieb die Leitung nun für drei Jahrzehnte – bis zur Vernichtung der Kultusgemeinde (1938) – in dessen Händen.

Ein neben der Synagoge erbautes Gemeindehaus wurde vornehmlich als Hospital für kranke, kurbedürftige Juden genutzt, das 1898 - zum Regierungsjubiläum des Kaisers - als „Kaiser Franz Josef-Jubiläums-Hospital“ eröffnet wurde.

Die größte Berufsgruppe unter den Juden von Franzenbad waren die Badeärzte (“Brunnenärzte“); einige besaßen in der Kurstadt eigene Kurhäuser, Sanatorien oder Pensionen. Zu den größeren ihrer Art zählten das Kurhaus „British-Hotel“ und das Kurhaus „Kramkowski‘s Windsor“. Da die Kursaison nur ein halbes Jahr dauerte, praktizierten die meisten Ärzte im Winterhalbjahr in ihren Herkunftsstädten.

In den 1870er Jahren hatte man auch ein Beerdigungsgelände erworben, das von einer Mauer umgeben neben dem katholischen Friedhof in Oberlohma sich befand; zuvor waren Verstorbene auf dem Friedhof in Königsberg/Eger und in Eger beigesetzt worden.

Juden in Franzensbad:

         --- um 1870 ..................... ca.  50 Juden,

    --- 1890 ............................  64   "  ,

    --- 1911 ............................  94   "  ,*  gesamte Kultusgemeinde

    --- 1921 ........................ ca. 100   “  ,

    --- 1930 ............................  64   “  ,  (weitere 15 Pers. im Vorort Schlada)

    --- 1940 ............................   ?   “  .

Angaben aus: Geschichte der Juden in Franzensbad

und                 International Jewish Cemetery Project: Czech Republik (2005)

Franzensbad (CZ), Tschechien - Stadtansicht (Zeno Ansichtskarten).jpg

Stadtansicht Franzensbad - Postkarte um 1900 (Abb. aus: commons-wikimedia.org gemeinfrei)

 

Unmittelbar vor der Annexion des Sudetenlandes verließen die meisten in Franzensbad lebenden jüdischen Familien den Ort.

Aus der „Egerer Zeitung” vom 22.9.1938:

" ... so wurde auch in Franzensbad in den letzten Tagen sehr viel gepackt. Franzensbad hatte einen hohen Prozentsatz nichtarischer Ärzte, die bis auf wenige Ausnahmen bereits abgereist sind und zum größten Teil auch ihre Wohnungen liquidiert haben. Der Hausbesitz konnte nicht mitgenommen werden, weshalb augenblicklich schöne und moderne Kurhäuser zu billigen Preisen zu haben sind ... Die jüdischen Geschäfte sind durchweg geschlossen und die Inhaber abgereist. ..."

Während des Novemberpogroms wurden die Synagoge und das unmittelbar angrenzende jüdische Hospital verwüstet und in Brand gesetzt (durch einen Angehörigen der Feuerwehr!); die hiesige Freiwillige Feuerwehr war zwar rechtzeitig (!) zur Stelle, bemühte sich aber nur, die anliegenden Gebäude vor einem Übergreifen des Feuers zu schützen. Wenig später wurde auch der jüdische Friedhof zerstört.

Auch in Franzensbad kam es 1938/1939 zu "Arisierungen", bei denen die jüdischen Alteigentümer ihre Immobilien weit unter Wert veräußern mussten. Bei Kriegsbeginn lebten in Franzensbad nur noch einzelne jüdische Einwohner; sie wurden alsbald via Theresienstadt „in den Osten“ deportiert.

 

1944 war die Ruine der Synagoge beseitigt worden. Erst im Jahre 2003 wurde an einem gegenüber der ehemaligen Synagoge gelegenen Gebäude eine Gedenktafel angebracht, die an das einstige jüdische Gotteshaus erinnert.

Gedenktafel (Abb. aus: zanikleobce.cz)

Vom ehemaligen jüdischen Friedhof sind keine sichtbaren steinernen Relikte mehr vorhanden.

 

Als Sohn eines jüdischen Kaufmanns wurde Josef Löbel in Konstadt geboren. Nach seinem Medizinstudium in Wien praktizierte er zunächst in Preßburg, danach war er in den Sommermonaten als Badearzt in Franzensbad (Böhmen) tätig. Im Winter lebte er in Berlin, wo er journalistisch und schriftstellerisch tätig war. Mit Beginn der NS-Herrschaft wurden seine Bücher verboten. Mit seiner Ehefrau flüchtete er nach Wien, danach nach Prag. 1942 wurde seine Frau nach Theresienstadt deportiert, er selbst beging Selbstmord.

In Berlin-Tiergarten erinnert heute ein „Stolperstein“ an Dr. Josef Löbel.

 

 

 

Weitere Informationen:

Hugo Gold (Bearb.), Geschichte der Juden in Franzensbad, in: Hugo Gold (Hrg.), Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart, Brünn/Prag 1934, S. 141/142

Jörg Osterloh, Nationalsozialistische Judenverfolgung im Reichsgau Sudetenland 1938 - 1945, in: "Veröffentlichungen des Collegium Carolinum", Band 105, Verlag R. Oldenbourg, München 2006, S. 181

Mirjiam Triendl-Zadoff, Nächstes Jahr in Marienbad - Gegenwelten jüdischer Kulturen der Moderne, Vandenhoek & Ruprecht, Göttingen 2007

Die Jüdische Gemeinde in Franzensbad, in: „Franzensbader Zeitung“ - Anlage zu den Franzensbader Blättern vom August 2013, Hrg. Bad Franzensbad AG/Alois-John-Gesellschaft, 2014

Werner Pöllmann (Red.), Spuren jüdischer Binnenmigration in Böhmen am Beispiel von Steingrub (tsch. Lomnička) und Franzensbad (Františkovy Lázně) im Egerland, in: Wilfried Heller (Hrg.), Jüdische Spuren im ehemaligen Sudetenland - Beiträge einer internationalen Tagung in Cheb (Eger) 2017, S. 38 - 80

Markéta Kachliková (Red.), „Der Weise von Franzensbad“: Arzt und Medizinwissenschaftler Josef Löbel, in: radio.cz vom 27.3.2021

Philipp Zschommler (Red.), Dr. David Spitzer – der letzte Rabbiner in Franzensbad/Františkovy Lázně, online abrufbar unter: retour.hypotheses.org