Fronhausen (Hessen)

 Der Kreis Marburg 1905Datei:Marburg-Biedenkopf Fronhausen.png Fronhausen ist mit derzeit mehr als 4.000 Einwohnern eine sog. Großgemeinde im äußersten Süden des hessischen Landkreises Marburg-Biedenkopf – zwischen Gießen (im S) und Marburg (im N) gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: wikipedia.org, gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Landkreis Marburg-Biedenkopf', Andreas Trepte 2006, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 2.5).

 

Bis in die Mitte des 19.Jahrhunderts bildete Fronhausen zusammen mit Lohra und Roth einen Synagogenverband.

[vgl.  Roth (Hessen) und Lohra (Hessen)]

Ein erster urkundlicher Hinweis auf einen in Fronhausen lebenden Juden stammt aus dem ausgehenden 16.Jahrhundert. Für das Folgejahrhundert sind vereinzelt jüdische Personen im Dorf nachweisbar. Erst im Laufe des 18.Jahrhunderts bildete sich allmählich eine kleine Gemeinde heraus. Für das Jahr 1852 sind fünf kinderreiche jüdische Familien für das Dorf Fronhausen verzeichnet.

Die Synagogengemeinde hatte ihren Sitz zunächst in Roth, obwohl hier nur sehr wenige Juden zuhause waren; Versuche, den Sitz des Synagogenverbandes nach Fronhausen zu verlegen, scheiterten zunächst aber am Einspruch der Behörden. Ende der 1870er Jahre trennten sich dann Fronhausen und Lohra von der Synagogengemeinde Roth und bildeten 1881 eine selbstständige Synagogengemeinde Fronhausen.

Bereits Jahre zuvor wurden hier in einem Betraum an der Marburger Straße Gottesdienste abgehalten. Im Jahre 1896 erwarb die Synagogengemeinde ein Gebäude in der Marburger Straße; im Erdgeschoss richtete man einen Betsaal und einen Schulraum ein (die oberen Etagen wurden als Wohnungen vermietet).

In einem Artikel in der "Allgemeinen Zeitung des Judentums" vom 26. Juni 1896 wurde über die Einweihung des Betsaals wie folgt berichtet: "Fronhausen, 20. Juni. Die hiesige Synagogengemeinde beging heute die Einweihung ihres Gotteshauses, eines vor kurzem erstandenen Gebäudes. Leider mußte es sich die Gemeinde versagen, wegen der für sie unerschwinglichen Opfer, die Einweihung nach der sonst üblichen Weise zu begehen. Es war mehr eine innere Feier, die sich ernst und würdig gestaltete; mußte doch fast jede Familie einer geliebten heimgegangenen Seele gedenken, die diesem Augenblick sehnsüchtig entgegen gesehen hatte. Nachdem vom Herrn Vorsteher Bachenheimer Worte des Dankes der Gemeinde für die Mitarbeit und Mitsorge übermittelt und sie gebeten worden war, ihn ferner in seinem Bestreben für Gemeindewohl zu unterstützen, hielt Herr Lehrer Höxter die Festrede, welcher als Text die Worte in Jesaja 62 K. Jes. V.5 zugrunde lagen. Der Festrede ging ein von Herrn H. verfaßter und vorgetragener, die Gemeindeverhältnisse treu wiedergebender und hübscher Prolog voraus.“

  jüdisches Gemeindehaus (Abb. aus: landsynagoge-roth.de)

Zur Besorgung religiöser/ritueller Aufgaben der Gemeinde war zeitweise ein Lehrer angestellt.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20151/Fronhausen%20Israelit%2016011893.jpg Anzeige in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 16. Jan. 1893

Die bislang in Roth angesiedelte Gemeindeschule hatte ab 1882 ihren Sitz in Fronhausen; allerdings bestand sie nur bis 1899; zu diesem Zeitpunkt wurden nur noch neun Kinder beschult.

Seit Mitte der 1870er Jahre besaß Fronhausen auch einen eigenen jüdischen Friedhof auf dem Stollberg (Flurbezeichnung „Am Kratzeberg"); das im Besitz des Pferdehändlers Simon Löwenstein befindliche Grundstück war durch eine Schenkung - zur Anlegung eines „Totenhofes“ - an die Gemeinde übergegangen. In den Zeiten zuvor waren Verstorbene in Roth beigesetzt worden.

Die Gemeinde war dem Provinzialrabbinat Oberhessen (mit Sitz in Marburg) zugeordnet.

Juden in Fronhausen:

         --- 1835 .........................  26 Juden,

    --- 1852 ..................... ca.  45   "   (in fünf Familien),

    --- 1861 .........................  37   “  ,

    --- 1871 .........................  40   "  ,

    --- 1885 .........................  41   "  ,

    --- 1895 .........................  44   "  ,

    --- 1905 .........................  38   “  ,

    --- um 1925 .................. ca.  25   “  (in 6 Familien),

    --- 1933 .........................  21   "  (in 5 Familien),

    --- 1941 (Dez.) ..................  keine.

Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 217

und                 Fronhausen mit Ortsteil Oberwalgern, aus: alemannia-judaica.de

 

Die Juden Fronhausens waren zumeist Viehhändler und Metzger und lebten in recht gesicherten wirtschaftlichen Verhältnissen.

Zu Beginn der 1930er Jahre lebten am Ort noch sechs jüdische Familien; einige konnte noch rechtzeitig emigrieren.

Die letzten jüdischen Bewohner wurden Ende 1941 deportiert.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ...." wurden nachweislich 20 gebürtige bzw. länger am Ort ansässig gewesene Personen mosaischen Glaubens Opfer der Shoa; zumeist waren es Angehörige der Familie Löwenstein (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/fronhausen_synagoge.htm).

 

Die beiden Schwestern Jenny und Trude Löwenstein überlebten die Deportation und kehrten 1945 nach Fronhausen zurück; ein Jahr später wanderten sie in die USA aus.

Nach Kriegsende wurde auf Befehl der US-Militärregierung der jüdische Friedhof wieder hergestellt und die Grabsteine aufgerichtet. Das etwa 1.400 m² große Gelände mit seinen ca. 40 Grabstätten ist mit einem Zaun bzw. einer Buchenhecke umfriedet. In den 1980e Jahren wurde der Friedhof von 'unbekannten Tätern' geschändet

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20150/Fronhausen%20Friedhof%20111.jpghttps://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20150/Fronhausen%20Friedhof%20117.jpg Aufn. J. Hahn, 2008

Auf dem jüdischen Friedhof befindet sich ein Denkmal für die während der NS-Gewaltherrschaft umgekommenen Juden Fronhausens; dessen Inschrift lautet: „ZUM MAHNENDEN GEDENKEN AN DIE MITGLIEDER DER JÜDISCHEN GEMEINDE VON FRONHAUSEN, DIE EIN OPFER DER NAZI-VERFOLGUNG 1933 -1945 GEWORDEN SIND“.

 

 

 

Weitere Informationen:

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 217/218

Thea Altaras, Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945? Königstein i.Ts. 1988, S.102 (Neubearbeitung 2007, S. 236/237)

B.Händler-Lachmann/U.Schütt, “unbekannt verzogen” oder “weggemacht”. Schicksale der Juden im alten Landkreis Marburg 1933 - 1945, Marburg 1992

B.Händler-Lachmann/H.Händler, U.Schütt, Purim, Purim, ihr liebe Leut, wißt ihr was Purim bedeutet? Jüdisches Leben im Landkreis Marburg im 20.Jahrhundert, Hitzeroth Verlag, Marburg 1995, S. 17/18

Kreisausschuß des Landkreises Marburg-Biedenkopf (Hrg.), Die ehemaligen Synagogen im Landkreis Marburg-Biedenkopf, Marburg 1999

Fronhausen mit Ortsteil Oberwalgern, in: alemannia-judaica.de

Barbara Wagner/Dieter Bertram/Friedrich Damrath/Friedemann Wagner, Die jüdischen Friedhöfe und Familien in Fronhausen, Lohra, Roth, Marburg 2009

Arbeitskreis Landsynagoge Roth e.V. (Bearb.), Geschichte der Juden aus Fronhausen, online abrufbar unter: landsynagoge-roth.de

Annemarie Schlag, Jüdischer Friedhof Fronhausen, online abrufbar unter: landsynagoge-roth.de/index.php/de/geschichte/friedhof-fh (mit Aufnahmen vom Friedhof in Fronhausen)