Fußgönheim (Rheinland-Pfalz)
Fußgönheim mit derzeit ca. 2.500 Einwohnern ist heute Teil der Verbandsgemeinde Maxdorf im Rhein-Pfalz-Kreis – wenige Kilometer nordwestlich von Mutterstadt bzw. ca. 15 Kilometer westlich von Mannheim gelegen (Kartenskizze 'Rhein-Pfalz-Kreis', Lencer 2008, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).
Erste jüdische Ansässigkeit in Fußgönheim lässt sich in den 1680er Jahren nachweisen. Innerhalb weniger Jahrzehnte stieg die Zahl der jüdischen Familien rasch an; um 1730 - unter der Ortsherrschaft der Freiherren von Hallberg - bekannte sich bereits jeder 10. Bewohner Fußgönheims zum jüdischen Glauben. 1842 erbaute die Judenschaft eine neue Synagoge in der Mannheimer Straße, der heutigen Hauptstraße, weil die alte Synagoge gegenüber dem Schloss baufällig geworden war. Das Gebäude wurde 1901 durch Brand teilweise zerstört; alsbald ließ die kleine jüdische Gemeinde die Brandschäden beseitigen und weihte den Bau, dessen Finanzierung auch von den beiden christlichen Gemeinden unterstützt wurde, erneut ein. Über dem Haupteingang war der Psalm 1.Buch Mose, Kap. 28 zu lesen: „Wie heilig ist diese Stätte! Hier ist nichts anderes denn Gottes Haus und hier ist die Pforte des Himmels.” Aus der inzwischen aufgelösten Kultusgemeinde Abenheim konnten etliche Einrichtungsgegenstände übernommen werden.
aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 19.Sept. 1901
Auch die wenigen jüdischen Familien aus Dannstadt und Schauernheim zählten zur jüdischen Gemeinde Fußgönheim.
Ein eigener Friedhofs wurde um 1820 in Fußgönheim an der Straße nach Ellerstadt auf Anordnung der Kgl. Bayrischen Regierung angelegt; danach sollten nicht nur die verstorbenen Angehörigen der Fußgönheimer Gemeinde, sondern auch die benachbarter Ortschaften wie Alsheim, Dannstadt, Ellerstadt, Mutterstadt, Ruchheim, Schauernheim hier beerdigt werden.
Die jüdische Gemeinde Fußgönheim gehörte zum Rabbinatsbezirk Bad Dürkheim bzw. Frankenthal.
Juden in Fußgönheim:
--- 1726 .......................... 9 jüdische Familien,
--- um 1810 ....................... 13 “ Hauhaltungen,
--- um 1820 ....................... 95 Juden,
--- 1835/36 ....................... 170 “ ,
--- 1848 .......................... 123 “ (in 33 Familien),
--- 1875 .......................... 52 “ ,
--- 1900/02 ....................... 33 “ ,
--- 1925 .......................... 3 jüdische Familien,
--- 1936 .......................... 15 Juden,
--- 1938 .......................... 12 “ ,
--- 1940 (Nov.) ................... keine.
Angaben aus: B. Kukatzki, Erst mit der Revolution endete die Ungleichheit: Fußgönheims Juden ...
In der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts ging der jüdische Bevölkerungsanteil in Fußgönheim stark zurück; Juden zogen in größere Städte bzw. wanderten nach Nordamerika aus. Auch die Tatsache, dass mit der Gründung der Raiffeisengenossenschaften den Bauern neue Absatzmöglichkeiten für ihre Produkte geboten wurden und so die jüdischen Zwischenhändler weitestgehend ihre Existenz verloren, war ein Grund für die starke Abwanderung. Der Bestand der Fußgönheimer Gemeinde konnte nur noch dadurch gesichert werden, dass nach Auflösung der benachbarten Kultusgemeinde Ellerstadt sich deren restliche Mitglieder den Fußgönheimer Juden anschlossen.
Zeitungsnotiz vom 9.4.1908
Die Kultusgemeinde Fußgönheim wurde schließlich 1936/1937 aufgelöst.
Kurznotiz in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 23. Dez. 1936
Der letzte Gottesdienst in der Fußgönheimer Synagoge hatte bereits Ende der 1920er Jahre stattgefunden.
Das Synagogengebäude wurde von der Kultusgemeinde 1937 an den Spar- und Darlehensverein veräußert und diente fast fünf Jahrzehnte lang als Getreidelagerraum. Während der Pogromnacht blieb das Synagogengebäude von Zerstörung verschont; dagegen plünderte ein SA-Kommando Anwesen jüdischer Bewohner. Der jüdische Friedhof wurde in der NS-Zeit weitgehend zerstört. Sieben jüdische Bewohner Fußgönheims gehörten zu denjenigen, die im Oktober 1940 ihre Deportation nach Gurs antreten mussten; fast alle gelten als „verschollen“.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem wurden 17 gebürtige Juden aus Fußgönheim Opfer der „Endlösung“ (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/fussgoenheim_synagoge.htm).
Auf dem ca. 1.600 m² großen jüdischen Begräbnisgelände in Fußgönheim sind heute noch 150 Grabsteine vorhanden. Aus dem 18.Jahrhundert stammenden Grabsteine des jüdischen Friedhofs von Heuchelheim waren 1939 nach Fußgönheim gebracht worden, da die NS-Behörden die Abräumung des dortigen Friedhofes angeordnet hatten.
jüdischer Friedhof Fußgönheim (Aufn. W. 2013, aus: wikipedia.org, CCO)
Aus dem Heimat- und Kulturverein ging im Jahre 1987 der Verein „Deutsches Kartoffelmuseum Fußgönheim” hervor, der seit 1996/1997 das mit hohem finanziellen Aufwand restaurierte ehemalige Synagogengebäude als Museum („Deutsches Kartoffelmuseum“) nutzt. Das ehemalige Synagogengebäude war 1984 von der Kreisverwaltung Ludwigshafen unter Denkmalschutz gestellt worden.
Ehem. Synagogengebäude (Aufn. I. Giel, 2009, aus: wikipedia.org, CC BY 3.0)
Weitere Informationen:
Ernst Merk, Ortsgeschichte von Fußgönheim, o.O. 1925 (Die jüdische Gemeinde, S. 146 - 148)
‘Der Lazarus Dellheim war ein wackerer Mann.’ Fußgönheimer Ortsgeschichte auf jüdischen Grabsteinen, in: "Die Rheinpfalz - Ausgabe Ludwigshafen" vom 17.9.1980
Alfred Hans Kuby (Hrg.), Juden in der Provinz. Beiträge zur Geschichte der Juden in der Pfalz zwischen Emanzipation und Vernichtung, Verlag Pfälzische Post, 2.Aufl. Neustadt a.d.W. 1989, S. 204
Kinderflucht führt in den Tod. Schicksal eines Fußgönheimer Juden im Dritten Reich, in: "Rheinpfalz - Ludwigshafener Rundschau", No.183 vom 8.8.1992
Ortsgeschichte der Gemeinde Fußgönheim, Band 2: Vom Ende des Mittelalters bis zum 1100.Jahrestag der ersten urkundlichen Erwähnung, Fußgönheim 1993, S. 383 ff.
Bernhard Kukatzki, Erst mit der Revolution endete die Ungleichheit: Fußgönheims Juden bauten 1842 eine Synagoge, in: "Rheinpfalz - Ludwigshafener Rundschau" vom 25.11.1995
Brigitte Degitz, Knollen und altes Gebälk: Synagoge in Fußgönheim wird Kartoffelmuseum, in: "Evangelischer Kirchenbote", 46/1995, S. 7
Michael Schepua, Nationalsozialismus in der pfälzischen Provinz, Palatinum-Verlag Mannheim 2000, S. 533 f., S. 598 und S. 602 f.
Fußgönheim mit Schauernheim und Dannstadt, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Aufnaahmen des Synagogengebäudes)
Wimpel, Fotos und ein Tässchen zum Gedenken, Fussgönheim: Führungen durch ehemalige Synagoge erinnern an ehemals starke jüdische Gemeinde, in: "‘Die Rheinpfalz - Ausgabe Ludwigshafen" vom 30.8.2004
Ausstellung zum Tag der jüdischen Kultur: Fussgönheim: Einst große Gemeinde, in: "Die Rheinpfalz - Ausgabe Ludwigshafen" vom 7.9.2004
Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 159/160
Otmar Weber, Die Synagogen in der Pfalz von 1800 bis heute. Unter besonderer Berücksichtigung der Synagogen in der Südwestpfalz, Hrg. Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Pfalz (Landau), Dahn 2005, S. 73
K.Freidel/W.Kern/H.Metzger (Bearb.), Jüdisches Leben. Einladung zu einem Rundgang, Teil 1: Ruchheim – Fußgönheim – Mutterstadt, Ludwigshafen 2009
Michael Ohmsen, Video-Dokumentation des jüdischen Friedhofs von Fußgönheim, in: youtube.com