Göllheim (Rheinland-Pfalz)

Rheinhessen Göllheim in KIB.svg Göllheim ist eine Kommune mit derzeit ca. 3.700 Einwohnern im Donnersbergkreis und Sitz der gleichnamigen Verbandsgemeinde – zwischen Kaiserslautern und Worms gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Donnersbergkreis' mit Göllheim rot markiert, Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Vermutlich bestand in Göllheim bereits im späten Mittelalter eine kleine jüdische Gemeinde; als Beweis dafür könnte die „Judengasse“ gelten. Die Wurzeln der neuzeitlichen Gemeinde reichen bis ins 18.Jahrhundert zurück. Entweder 1837 (oder 1849) wurde offiziell eine selbstständige Kultusgemeinde in Göllheim gegründet; im gleichen Jahre erwarb diese ein Anwesen, in dem ein Betsaal und ein Schulzimmer eingerichtet wurden. Vorher hatte ein Gemeindemitglied einen Raum zur Verfügung gestellt. Nach mehreren vergeblichen Anläufen konnte die Gemeinde im April 1850 in der Berggasse eine neue Synagoge einweihen; das Gebäude war im neo-orientalischen Stile errichtet worden. An den mehrtägigen Feierlichkeiten nahm viel Ortsprominenz, so auch der protestantische Pfarrer, teil.

                                    Synagoge in Göllheim

Bauskizze der Synagoge in Göllheim (von 1911) und hist. Aufn., aus: wikipedia.org, gemeinfrei

Nach der Einweihung aufgetretene Baumängel führten alsbald zu umfangreichen Reparaturmaßnahmen; die Kosten dafür wurden auch von Spenden getragen, die in anderen Pfälzer Kultusgemeinden gesammelt worden waren; denn zu diesem Zeitpunkt setzte sich die Göllheimer jüdische Gemeinde aus meist mittellosen Familien zusammen. Neben der Synagoge befand sich das Schulgebäude.

Zur Verrichtung der religiös-rituellen Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt; zeitweise wurde die Schule als Elementarschule geführt.

 

Stellenangebote aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 19.Juni 1872 und vom 21.Dez. 1891

Der alte jüdische Friedhof - weit außerhalb Göllheims - bestand vermutlich seit ca. 1700; hier fanden auch Verstorbene der Nachbarorte Biedesheim, Kerzenheim und Lautersheim ihre letzte Ruhe. Im „Beschluß über die Handhabung der Polizei in der Synagoge zu Göllheim” hieß es im § 18:

„ ... Bei Leichenbegängnissen soll jeder anständig gekleidet und je zwei und zwei hinter der Todtenbahre sich anschließen. Der Lehrer hat mit seinen Schülern ordnungsgemäß vor der Leiche herzugehen. Die Träger des Sarges sollen in der Gemeinde nicht wechseln. Angelangt auf dem Friedhofe, soll der Vorbeter das Gebet laut vorlesen, die Gemeinde aber betet leise nach.”

Nachdem das Friedhofsgelände belegt war, wurde ab den 1890er Jahren ein neues Areal benutzt, das ebenfalls weit außerhalb des Ortes, an der Straße nach Ramsen, lag.

Die Kultusgemeinde Göllheim gehörte zum Rabbinatsbezirk Kaiserslautern.

Juden in Göllheim:

         --- 1798 .........................  21 Juden,

    --- 1806 .........................  41   “  ,

    --- 1825 .........................  56   “   (in 10 Familien),

    --- 1835 .........................  89   “  ,

    --- 1848/49 ...................... 112   “   (in 21 Familien),

    --- 1875 .........................  81   “  ,

    --- 1900 .........................  56   “  ,

    --- 1911 .........................  87   “  ,*

    --- 1925 .........................  22   "  ,

    --- 1933 .........................  19   “  ,

    --- 1936 .........................  26   “  ,*

    --- 1938 .........................  16   “   (in 5 Familien).   * Gemeinde incl. Biedesheim, Kerzenheim, Dreisen u. Lautersheim               

Angaben aus: Bernhard Kukatzki, Jüdische Kultuseinrichtungen in der Verbandsgemeinde Göllheim

und                 Nordpfälzer Geschichtsverein (Hrg.), Jüdisches Leben in der Nordpfalz - Dokumentation, S. 141

 

Nach dem Ersten Weltkrieg wohnten nur noch wenige jüdische Familien in Göllheim.

In der Pogromnacht wurde das Synagogengebäude demoliert und die Inneneinrichtung vernichtet. Wenig später ging das Gebäude in kommunalen Besitz über.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind 19 gebürtige bzw. länger am Ort ansässig gewesene jüdische Bewohner Opfer des Holocaust geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/goellheim_synagoge.htm).

  Anfang der 1970er Jahre wurde das inzwischen baufällige ehemalige Synagogengebäude im Rahmen der Ortssanierung abgerissen. Seit 1979 erinnert auf dem Gelände ein Gedenkstein mit einer Bronzetafel an die einstige Göllheimer Synagoge; unter der stilisierten Abbildung der Synagogenfront ist der folgende Inschriftentext zu lesen:

Hier stand die 1850 erbaute Synagoge der Jüdischen Gemeinde Göllheim,

deren Inneneinrichtung in der “Reichskristallnacht” vom 9./10.November 1938 verwüstet wurde.

Wir gedenken unserer jüdischen Mitbürger und aller Opfer des Nationalsozialismus in Ehrfurcht.

               reliefartige Darstellung des Synagogengebäudes (Aufn. Michael Ohmsen, 2011)

1988 wurde eine Gedenkmauer aus Relikten der Synagoge hinzugefügt.

Vom alten jüdischen Friedhof sind heute keine sichtbaren Relikte mehr vorhanden; angeblich sollen In den 1970er-Jahren die damals noch vorhandenen Grabsteine "sorgfältig umgelegt und mit Erde abgedeckt" worden sein. Der neue Friedhof hingegen weist heute noch knapp 40 Grabsteine auf.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2049/Goellheim%20Friedhof%20101.jpg Blick auf den (neuen) jüdischen Friedhof von Göllheim (Aufn. J. Hahn, 2004)

 

 

Im Ortsteil Biedesheim existierte während des 19.Jahrhunderts auch eine jüdische Gemeinde. 

[vgl. Biedesheim (Rheinland-Pfalz)]

 

 

Im Ortsteil Albisheim existierte bis in die NS-Zeit eine kleine israelitische Gemeinde. 

[vgl. Albisheim (Rheinland-Pfalz)]

 

 

 

In Weitersweiler – heute der Verbandsgemeinde Göllheim zugehörig – existierte im 18./19. Jahrhundert eine kleine israelitische Gemeinde. Zu ihren gemeindlichen Einrichtungen zählten eine Synagoge mit einer Religionsschule, eine Mikwe und ein Friedhof, dessen Anlage im 18.Jahrhundert erfolgt sein muss. Dieses ca. 700 m² große Begräbnisgelände liegt etwa einen Kilometer östlich der Ortschaft in Richtung Marnheim.

Juden in Weitersweiler:

--- 1808 ...................... 51 Juden,

--- 1825 ...................... 40   “  (ca. 10% d. Bev.),

--- 1857 ...................... 42   “  ,

--- 1870 ...................... 20   “  ,

--- 1890 ......................  4   “  ,

--- 1905 ......................  5   “  .

Angaben aus: Weitersweiler, in: alemannia-judaica.de

Im ersten Jahrzehnt des 20.Jahrhunderts hatten alle jüdischen Einwohner den Ort verlassen bzw. waren verstorben.

Der bis in die Zeit des Ersten Weltkrieges genutzte Friedhof weist heute noch ca. 20 Grabsteine auf.

 http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2049/Weitersweiler%20Friedhof%20102.jpgJüdischer Friedhof von Weitersweiler (Aufn. J. Hahn, 2004)

 

 

 

Die im Laufe des 18.Jahrhunderts sich gebildete israelitische Gemeinde im ehemals kurpfälzischen Dorfe Bubenheim, nordöstlich von Göllheim gelegen, blieb stets auf eine überschaubare Zahl von Familien begrenzt; um 1835 waren es ca. 35 Personen. Seit 1822 nutzten die Gemeindemitglieder eine eigene Betstube; zuvor wurden Gottesdienste in der Synagoge zu Kindenheim besucht. Als sich Anfang der 1850er Jahre die Gemeinde auflöste, schlossen sich die im Dorfe verbliebenen Juden der Gemeinde Kindenheim an. Infolge Abwanderung lebten um 1900 keine Juden mehr in Bubenheim.

 

 

In der südlich Göllheims gelegen Ortschaft Kerzenheim gab es eine kleine Kultusgemeinde, die um 1850 aus acht Familien bestand. Ihre Anfänge sollen bis ins 17.Jahrhundert zurückreichen. Zur Gemeinde - sie gehörte zum Bezirksrabbinat Kaiserslautern - zählten auch die in Ramsen lebenden Glaubensgenossen. Bis 1870 traf sich die kleine jüdische Gemeinschaft in einer Betstube. Als dann kein Minjan mehr bestand, schlossen sich die Kerzenheimer Juden der Kultusgemeinde Göllheim, später dann der in Eisenberg an. Nach dem Ersten Weltkrieg löste sich die "Restgemeinde" fast völlig auf, alle jüdischen Bewohner waren verstorben bzw. verzogen. 1932 lebten noch fünf Personen mosaischen Glaubvens in Kerzenheim.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem sind zwei aus Kerzenheim stammende Juden der Shoa zum Opfer gefallen (namentliche Nennung der beiden Personen siehe: alemannia-judaica.de/kerzenheim_synagoge.htm).

Während der Kriegsjahre gelang es drei Juden aus dem Rheinland in Kerzenheim unterzutauchen, wo sie bei einem Ehepaar Unterschlupf fanden, im Ort unerkannt blieben und hier überlebten.

 

 

Weitere Informationen:

Mathias Korz, Juden in Göllheim, in: "Donnersberg-Jahrbuch", Band 6 (1983), S. 173 - 177

Alfred Hans Kuby (Hrg.), Juden in der Provinz. Beiträge zur Geschichte der Juden in der Pfalz zwischen Emanzipation und Vernichtung, Verlag Pfälzische Post, 2.Aufl. Neustadt a.d.W. 1989, S. 206

Rainer Joha Bender, Die Handelsjuden - Zur Sozial- und Erwerbsstruktur der Göllheimer Juden, in: "Donnersberg-Jahrbuch 1990", S. 162 f.

Rudolf Mandl, Die israelitische Schule in Göllheim, in: "Nordpfälzische Geschichtsblätter", No.1/1990, S. 11 f.

Nordpfälzer Geschichtsverein (Hrg.), Jüdisches Leben in der Nordpfalz - Dokumentation, Verlag F.Arbogast, Otterbach 1992, S. 31 - 35 und S. 62 f.

Bernhard Kukatzki, Jüdische Kultuseinrichtungen in der Verbandsgemeinde Göllheim, in: "SACHOR - Beiträge zur jüdischen Geschichte und zur Gedenkstättenarbeit in Rheinland-Pfalz", Heft 15 (1/1998), S. 31 - 37

Rüdiger Unger, Die jüdischen Friedhöfe von Göllheim und Kirchheimbolanden, in: "Donnersberg-Jahrbuch 1999", S. 118 - 125

Göllheim, in: alemannia-judaica.de (mit einigen Text- u. Bilddokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Bubenheim, in: alemannia-judaica.de

Kerzenheim mit Ramsen, in: alemannia-judaica.de

Weilersweiler, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Aufnahmen vom jüdischen Friedhof)

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 129/130, S. 167 - 169 (Göllheim) und S. 205 (Kerzenheim)

Otmar Weber, Die Synagogen in der Pfalz von 1800 bis heute. Unter besonderer Berücksichtigung der Synagogen in der Südwestpfalz, Hrg. Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Pfalz (Landau), Dahn 2005, S. 60 und S. 77/78

Michael Wiesheu (Red.), Jüdisches Leben in Kerzenheim. 1943 bis 1946: Die erstaunliche Geschichte von drei Rheinländern, die in Kerzenheim Deportation und Ermordung entgingen, in: „Nordpfälzer Geschichtsblätter“, Heft 2/2021

Rainer Dick (Red.), 1943: Flucht nach Kerzenheim, in: „Die Rheinpfalz“ vom 13.11.2021

Anja Hartmetz (Red.), „Jüdisches Leben in Göllheim“ - Von der Ausstellung zum Buch, in: „Die Rheinpfalz“ vom 26.8.2022

D.Chormann/ M.Nachbauer/J.Schaffer, Jüdisches Leben in Göllheim, 2022

Rainer Dick (Red.), Kerzenheim. Erinnerung an die jüdische Tradition, in: „Die Rheinpfalz“ vom 23.2.2023