Heppenheim a.d. Wiese (Rheinland-Pfalz)
Heppenheim an der Wiese - ca. zehn Kilometer westlich des Stadtzentrums von Worms gelegen - gehört seit 1969 zur Stadt Worms (Karte 'Rheinhessen', Lencer 2008, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0 und Stadtteilkarte von Worms, G. 2009 aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).
Die ersten Juden siedelten sich in den kurpfälzischen Orten Heppenheim und Offstein nachweislich zu Beginn des 18.Jahrhunderts an. Die sich allmählich bildende Judengemeinde hat zu keiner Zeit mehr als 60 Angehörige umfasst. Anfänglich suchten die Heppenheimer Juden die Synagoge in Grünstadt bzw. in Horchheim auf. Bis kurz vor dem Ersten Weltkrieg fanden - gemeinsam mit den jüdischen Familien aus Offstein - gottesdienstliche Zusammenkünfte in einem Betraum eines Privathauses in der Wormser Straße statt, danach errichtete die Gemeinde aus Steinen der im Jahre 1908 angekauften und abgebrochenen Horchheimer Synagoge ein eigenes Gebäude; eingeweiht wurde der kleine Bau in der Grabenstraße/Zeppelinstraße im November 1911.
Die "Wormser Zeitung" berichtete in ihrer Ausgabe vom 20.Nov. 1911 über die Einweihung:
Heppenheim a.d.W., 18. Nov. Endlich ging der Wunsch der hiesigen isr. Gemeindemitglieder, ein eigenes Gotteshaus zu besitzen, in Erfüllung. Heute wurde die neuerbaute Synagoge ihrer Bestimmung übergeben. Es ist ein schmuckes, niedliches Gotteshaus, das als Gebäude bereits eine nicht uninteressante Vergangenheit hat. Es wurde als Synagoge im Jahre 1847 in Horchheim gebaut. Als aber die isr. Gemeinde teils durch Wegzug, teils durch Aussterben der älteren Mitglieder sich auflöste, ging die Synagoge in den Besitz der evg. Kirchengemeinde Horchheim über, die diese als Kirche benutzte, worin noch bis vor kurzem Gottesdienst abgehalten wurde. Da nun die evangel. Gemeinde eine neue Kirche besitzt, kaufte die israel. Gemeinde Heppenheim a.d.W. die ursprüngliche Synagoge, um sie niederzureißen und das brauchbare Material zum Bau einer neuen Synagoge in ihrem Ort zu verwenden. Diese steht nun in früherer Größe und in gleicher Bauart in Heppenheim. ... Das eigentliche Fest fand Samstag morgen statt, zu dem der Herr Bürgermeister des Ortes mit sämtlichen Herren Gemeinderäten, die Herren Geistlichen von Heppenheim, Horchheim und Offstein, die Herren Lehrer des Ortes und viele andere Gäste erschienen waren. Herr Rabbiner Dr. Holzer weihte in formvollendeter Predigt das neue Gotteshaus ein. ... In liebenswürdiger Weise wirkte eine erlesene Schar des Synagogenchorvereins Worms unter ihrem Organisten Hrn. Hohmeier mit. Durch ihren vorzüglichen Gesang und durch den des Hrn. Agulnik wurden der Frühgottesdienst und die Feier sehr gehoben. ... Die ganze Feier übte auf die Anwesenden ersichtlich einen tiefen Eindruck aus.
Synagoge (Postkartenausschnitt, um 1915) aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 13.6.1887
Anmerkung: Die jüdische Gemeinde in Horchheim war wegen Wegzug ihrer Mitglieder 1873 aufgelöst worden. Noch zu Beginn des 19.Jahrhunderts hatte die Horchheimer Judengemeinde eine zentrale Funktion inne; so gehörten damals auch die Juden aus Heppenheim und Pfiffligheim zur Gemeinde Horchheim. 1847 hatte die Gemeinde ihr neues Synagogengebäude eingeweiht. Im Jahre 1855 gab es noch 35 Juden in Horchheim, 1867 waren es dann nur drei Personen.
Verstorbene Heppenheimer Juden wurden seit Ende der 1890er Jahre auf einem kleinen Beerdigungsareal neben dem kommunalen Friedhof am Ort begraben; in den Zeiten zuvor hatte man die Toten auf den jüdischen Friedhof nach Dalsheim bzw. nach Pfeddersheim gebracht.
Der dem Rabbinat Worms unterstellten Kultusgemeinde Heppenheim a.d.Wiese gehörten auch die jüdischen Familien Offsteins an.
Juden in Heppenheim a.d.Wiese:
--- 1722 ............................ 2 jüdische Familien,
--- 1743 ............................ eine “ “ (),
--- 1800 ............................ 15 Juden,
--- 1830 ............................ 28 “ ,
--- 1855 ............................ 59 “ ,
--- 1890 ............................ 57 “ ,
--- 1900/05 ......................... 44 “ ,
--- 1924 ............................ 28 " ,
--- um 1933 ..................... ca. 30 “ ,
--- 1942 (Sept.) .................... keine.
Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 351
Viehhandel, Metzgerei und Einzelhandel bildeten zwischen 1880 und 1920 die wirtschaftliche Basis der Heppenheimer Juden.
Gegen Ende des 19.Jahrhunderts wanderten vermehrt jüdische Familien aus Heppenheim ab; einige gingen in größere Städte, z.B. nach Worms und Mannheim; andere emigrierten nach Südamerika. Zu Beginn der NS-Herrschaft lebten noch etwa 30 jüdische Bewohner am Ort; die allermeisten verließen in den Folgejahren Heppenheim und emigrierten nach Übersee (Paraguay). Einige mussten den Weg in die Deportation antreten und kamen gewaltsam ums Leben.
Während die Synagoge in der Pogromnacht des 9.November 1938 in Brand gesteckt und zerstört wurde, blieb der kleine jüdische Friedhof verschont. Die verbliebenen Mauerreste des Synagogengebäudes wurden abgebrochen, um jegliche Erinnerung an ein jüdisches Leben im Ort zu tilgen; das Grundstück ging dann in das Eigentum eines Nachbarn über.
Seit 1990 steht der kleinflächige jüdische Friedhof unter Denkmalschutz; die recht ungepflegte Begräbnisstätte ist der letzte Hinweis auf die jüdische Ortsgeschichte.
Jüdischer Friedhof Heppenheim (Aufn. Tonialsa, 2016, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0 und Aufn. J. Hahn, 2005, aus: alemannia-judaica.de)
Weitere Informationen:
Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 351/352
Raimund Schmitt, Heppenheim a.d. Wiese, Grünstadt 1971, S. 196 ff.
Edmund Heuser, Horchheim und Weinsheim, Worms-Horchheim 1978
Werner Kropp (Bearb.), Der Judenfriedhof in Worms-Heppenheim, in: "Der Wormsgau. Wissenschaftliche Zeitschrift der Stadt Worms und des Altertumsverein e.V.", Band 17/1998, S. 178 ff.
Werner Kropp (Bearb.), Die Synagoge in Heppenheim a.d.W., als PDF-Datei abrufbar unter: alemannia-judaica.de/images/Images 155/Synagoge Heppenheim WKropp.pdf
Irene Spille, Juden in Pfeddersheim im 19. und 20.Jahrhundert. Darstellung der Geschichte der Gemeinde, der Synagoge und des Friedhofs, in: "Der Wormsgau. Wissenschaftliche Zeitschrift der Stadt Worms und des Altertumsverein e.V.", Band 18/1999, S. 179 - 220
Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff, Synagogen. Rheinland-Pfalz und Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Verlag Ph. von Zabern, Mainz 2005, S. 405/406
Heppenheim an der Wiese mit Offstein, in: alemannia-judaica.de