Habitzheim (Hessen)
Habitzheim - nur wenige Kilometer südwestlich von Groß-Umstadt gelegen – ist seit 1972 einer von sechs Ortsteilen der Kommune Otzberg im südhessischen Landkreis Darmstadt-Dieburg (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905 ohne Eintrag von Habitzheim, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizzen 'Landkreis Darmstadt-Dieburg', Hagar 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0 und 'Ortsteile der Gemeinde Otzberg', Dennis 2007, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).
Im Dorf Habitzheim sind jüdische Bewohner seit Beginn des 17.Jahrhunderts urkundlich nachgewiesen; die hier entstandene Kultusgemeinde, der kaum mehr als zehn Familien angehörten, erreichte um 1860 mit etwa 80 Personen ihren zahlenmäßigen Höchststand.
Der seit 1827 genutzte Betraum - in einem Fachwerkhaus in der Krötengasse - wurde bis Ende der 1920er Jahre regelmäßig genutzt; danach fanden nur noch vereinzelt Gottesdienste statt, zeitweilig unter Beteiligung von Glaubensgenossen aus Lengfeld und Unterklingen.
Gemeinsam mit Lengfeld beschäftigte die kleine Gemeinde einen Lehrer, der auch als Vorbeter sein Amt versah.
Anzeigen aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 3.10.1877 und vom 20.8.1900
In der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts gehörten auch die in Semd lebenden jüdischen Personen zur Gemeinde in Habitzheim.
Verstorbene Gemeindeangehörige wurden auf dem jüdischen Friedhof in Dieburg beerdigt.
Die Gemeinde Habitzheim war dem orthodoxen Bezirksrabbinat Darmstadt II unterstellt.
Juden in Habitzheim:
--- um 1605 ........................ 2 jüdische Familien,
--- 1770 ........................... 5 „ „ ,
--- 1828 ........................... 57 Juden,
--- 1861 ........................... 78 „ (7,5% d. Bevölk.),
--- 1880 ........................... 59 „ (ca. 6% d. Bevölk.),
--- 1905 ........................... 36 „ ,
--- 1910 ........................... 28 " ,
--- 1930 ........................ ca. 25 „ ,
--- 1937 ........................... 3 Familien,
--- 1942 (Dez.) .................... keine.
Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 306
Die wenigen in Habitzheim ansässigen jüdischen Familien lebten vom Viehhandel und Ladengeschäften.
Im Jahre der NS-Machtübernahme lebten noch 27 jüdische Personen in Habitzheim, von denen dann in den folgenden Jahren ein Teil auf Grund der zunehmenden Entrechtung von hier weggezogen bzw. auswanderten.
Während der Novembertage 1938 wurde die Inneneinrichtung des Betraumes demoliert, die Ritualien zerstört.
J-Kennkarten gebürtiger Habitzheimer Juden (ausgestellt in Dieburg 1939)
Die beiden letzten in Habitzheim lebenden jüdischen Familien wurden im Jahre 1942 nach Theresienstadt deportiert.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem sind 16 gebürtige bzw. längere Zeit in Habitzheim ansässig gewesene jüdische Bewohner Opfer des Holocaust geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/habitzheim_synagoge.htm).
In den 1970er Jahren wurde das ehemalige Synagogengebäude in der Krötengasse abgerissen; seit 2008 erinnert dort eine Gedenktafel an das einstige jüdische Gotteshaus und namentlich an ermordete jüdische Familien.
Gedenktafel in der Krötengasse (Aufn. J. Hahn, 2009)
Seit November 1988 befindet sich an der Otzbergschule in Lengfeld ein Mahnmal, das der Ermordung der früheren jüdischen Einwohner der Ortsteile von Otzberg gedenkt. Die Inschrift trägt den Text der "Todesfuge" von Paul Celan.
stählernes Denkmal (Aufn. J. Hahn, 2009)
In Ober-Klingen (Ortsteil von Otzberg) existierte eine kleine jüdische Gemeinde (vermutlich) seit Mitte des 18.Jahrhunderts; ihren personellen Zenit erreichte die Gemeinde um 1860 mit ca. 60 Angehörigen; um 1900 waren es nur noch ca. 45 Personen. Zu den Gemeindeeinrichtungen gehörten ein Betraum, eine Religionsschule und eine Mikwe. Verstorbene wurden auf dem israelitischen Friedhof in Dieburg beerdigt. Mit der Deportation der letzten zwölf Juden aus Ober-Klingen endete 1942 jüdisches Leben im Dorf. Namentlich sind 18 gebürtige bzw. länger im Dorf ansässig gewesene Bewohner bekannt, die Opfer der NS-Gewaltherrschaft geworden sind.
Das ehemalige Synagogengebäude wurde Ende der 1970er Jahre abgerissen.
[vgl. Lengfeld (Hessen)]
Weitere Informationen:
Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 306 f. und Bd. 2, S. 151
Thea Altaras, Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945? Königstein i. Ts. 1988, S. 127
Thea Altaras, Das jüdische Rituelle Tauchbad und: Synagogen in Hessen. Was geschah seit 1945? Teil II, Königstein i. Ts. 1994, S. 111
Studienkreis Deutscher Widerstand (Hrg.), Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 – 1945, Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt, 1995, S. 42/43
Habitzheim, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Habitzheimer Geschichte(n) Band 2. Verwehte Spuren?, in: "Veröffentlichung des Häzemer Dorf und Kulturvereins e.V.", 2010