Hallenberg/Sauerland (Nordrhein-Westfalen)

Datei:Hallenberg in HSK.svg Hallenberg ist eine Kleinstadt mit derzeit ca. 4.500 Einwohnern im Hochsauerlandkreis am Fuße des Rothaargebirges - ca. 40 Kilometer nördlich von Marburg bzw. ca. 60 Kilometer westlich von Kassel gelegen (Hallenberg u. nördliche Umgebung, Karte um 1650, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Hochsauerlandkreis', TUBS 2008, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Erstmals urkundlich nachweisbar sind jüdische Bewohner in Hallenberg in der zweiten Hälfte des 16.Jahrhunderts. In den folgenden Jahrzehnten sollen aber nie mehr als zwei bis drei jüdische Familien hier ansässig gewesen sein. Etwa 100 Jahre nach der Ersterwähnung sind namentlich weitere Schutzjuden in Hallenberg bekannt; so gilt der um 1630 geborene Jakob Herz als „Stammvater“ der Hallenberger Judenfamilien. Gegenüber der christlichen Mehrheit hatten sich die jüdischen Familien Hallenbergs oft zur Wehr zu setzen, wie zahlreiche Prozesse - besonders in der ersten Hälfte des 18.Jahrhunderts - beweisen.

Wirtschaftlich betätigten sich die Hallenberger Juden während der Zeit des 18.Jahrhunderts in verschiedenen Bereichen, so als Pfandleiher, Viehhändler u. Metzger, als Händler mit importierten Waren und im Wein- und Branntweinausschank.

Im Jahre 1824 kam es in Hallenberg zu Protesten, als sich weitere jüdische Familien hier niederlassen wollten. Diese restriktive Haltung änderte sich erst mit der gegen Mitte des Jahrhunderts beginnenden gesetzlichen Gleichstellung der Juden.

Bis 1830 versammelten sich die Hallenberger Juden zu gottesdienstlichen Zusammenkünften in einem Privathause am Obertor; seit wann diese Räumlichkeit als Betraum in Nutzung war, lässt sich nicht eindeutig festmachen. Nach Abriss des Hauses am Obertor 1830 suchten die Juden Hallenbergs kurzzeitig die Orte Bromskirchen und Frankenberg auf; knapp 50 Jahre später fanden Gottesdienste wieder in Hallenberg statt. Allerdings konnte der geplante Synagogenbau nicht realisiert werden, sodass die Gemeindeangehörigen in einem Betraum im Hause des ersten Vorstehers Steßmann zusammenkamen; Jahre später nutzte man andere private Räumlichkeiten.

1773 wurde erstmals ein jüdischer „Schulmeister“ erwähnt; doch eine eigene Schule konnte sich die kleine Gemeinde nicht leisten. Für den jüdischen Religionsunterricht kamen deshalb Lehrer aus dem hessischen Battenfeld, Bromskirchen und Frankenberg in den Ort. Ansonsten besuchten die jüdischen Kinder die örtliche Elementarschule.

Ein jüdischer Begräbnisplatz soll bereits gegen Mitte des 17.Jahrhunderts am Fuße des Kreuzberges (im Weifetal) bestanden haben. In der Stadtchronik hieß es dazu: „Seit Menschengedenken geschieht die Beerdigung der Israeliten auf einer der Stadt zugehörigen Wiese auf der Weife, den Judenkirchoff genannt. An die Stadtkasse wird dafür eine Entschädigung, pro Grab 23 Sgr 1 Pf, gezahlt.“ Auf dem Gelände sind heute keine Grabsteine mehr vorhanden. Seit 1902 wurden Mitglieder der jüdischen Gemeinde dann auf einem gesonderten Bereich innerhalb des Kommunalfriedhofs begraben.

Seit 1854 zählten die Hallenberger Juden zur Synagogengemeinde Brilon; nach 1900 gab es nur noch lose Verbindungen zu Brilon, da Hallenberg nun Sitz einer Filialgemeinde geworden war.

Juden in Hallenberg:

         --- um 1700 ....................... 2 - 3 jüdische Familien,

    --- 1818 ..........................  20 Juden,

    --- 1849 ..........................   9   "  ,

    --- 1864 ..........................  12   "  ,

    --- 1871 ..........................  19   “  ,

    --- 1895 ..........................  47   “  ,

    --- 1913 ..........................  49   “  ,

    --- 1927 ..........................  43   “  ,

    --- 1933 ..........................  48   “  ,*   *andere Angabe: 39 Pers.

    --- 1941 (Okt.) ...................  26   “  ,

    --- 1942 (Jan.) ...................   8   “  ,

             (Dez.) ...................   keine.

Angaben aus: Georg Glade, Die Hallenberger Juden

und                  Elfi Pracht-Jörns, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen - Reg.bez. Arnsberg, S. 308

 

Im 19.Jahrhundert verdienten die meisten Juden Hallenbergs ihren Lebensunterhalt im Handel und in der Metzgerei; Landwirtschaft wurde nur im Nebenerwerb betrieben. Einige Familienväter waren als ambulante Händler unterwegs und boten im dörflichen Umland ihre Waren an. Zu Beginn des 20.Jahrhunderts sollen die jüdischen Familien weitgehend in die kleinstädtische Gesellschaft integriert gewesen sein.

Mit Beginn der NS-Zeit setzte ihre ökonomische und soziale Ausgrenzung ein; bereits 1936 stellte der Briloner Landrat für die Juden des Kreises fest: „Im geschäftlichen Leben sind sie nahezu lahmgelegt.” Zu diesem Zeitpunkt gab es in Hallenberg zwar noch fünf jüdische Kaufleute, drei Viehhändler und einen Metzger; aber auch ihre Geschäften wurden bald „arisiert“.

Mit eintägiger Verzögerung kam es auch in Hallenberg im November 1938 zu antisemitischen Ausschreitungen, die sich vor allem gegen die Wohnungen jüdischer Familien richteten. Mehrere Juden wurden inhaftiert und danach dem KZ Sachsenhausen überstellt. Im Laufe der Nacht wurde auch der Betraum der Hallenberger Juden demoliert und anschließend in Brand gesetzt, Inneneinrichtung und die meisten Kultgegenstände vernichtet.

Die fünf jüdischen Kaufleute, drei Viehhändler und ein Metzger erhielten nun Berufsverbot.

In den Jahren 1938/1939 konnten noch einige Hallenberger Juden emigrieren, zumeist nach Übersee. Ende April 1942 mussten die letzten acht jüdischen Bewohner Hallenbergs - via Dortmund - den Weg in die Vernichtungslager antreten. Von den 26 deportierten Personen überlebten nur vier die Kriegsjahre.

 

Auf Beschluss des Stadtrates wurde im Jahre 2007 in unmittelbarer Nähe des ehemaligen Standortes der Synagoge - hinter dem Gebäude der Volksbank - ein Gedenkstein aufgestellt, der auf einer Bronzetafel die folgende Inschrift trägt:

Hier stand seit 1879 die Synagoge der jüdischen Gemeinde Hallenberg.

Sie wurde in der Pogromnacht im November 1938 von Nationalsozialisten verwüstet.

1957 wurde der Bau abgetragen.

Der damals 90jährige Bruno Frankenthal, letzter noch lebender ehemaliger jüdischer Einwohner Hallenbergs, enthüllte in der Merklinghauser Straße den Gedenkstein mit -tafel in Erinnerung an die Synagoge und die ehemaligen jüdischen Bürger der Stadt.

                   Bruno Frankenthal, gest. 2010 in Israel (Aufn. von 2007, aus: derwesten.de)

Auf dem zuletzt genutzten Begräbnisgelände – am Rande des kommunalen Friedhofs – sind 14 Grabsteine aus der Zeit von 1902 bis 1939 erhalten. Vom alten Friedhof am Flüsschen Weife, der bis um 1900 in Nutzung war, sind keinerlei steinerne Relikte mehr vorhanden.

 

 

 

Weitere Informationen:

Georg Glade, Die ‘Reichskristallnacht’ in Hallenberg, in: W. Arnolds/u.a., Die ‘Kristallnacht’ im Sauerland, Brilon 1988, S. 44 - 47

Georg Glade, Die Sauerländer Juden unterm Hakenkreuz - Das Beispiel Hallenberg, in: A.Bruns/M.Senger (Red.), Das Hakenkreuz im Sauerland, hrg. vom Heimatmuseum Schmallenberg-Holthausen 1988, S. 141 - 154

Georg Glade, Die Hallenberger Juden. Kurköln - KZ - Kibbuz. 400 Jahre einer wechselvollen Geschichte, hrg. von der Stadt Hallenberg, Hallenberg 1991 (überarb. u. ergänzte Auflage, 2009)

Michael Brocke (Hrg.), Feuer an Dein Heiligtum gelegt. Zerstörte Synagogen 1938 Nordrhein-Westfalen, Ludwig Steinheim-Institut, Kamp Verlag Bochum 1999, S. 222/223

Georg Glade, Die Hallenberger Juden, in: Stadt Hallenberg (Hrg.), Hallenberg mit Braunshausen, Hesborn, Liesen. Aus Geschichte und Gegenwart der Nuhnestadt, Münster 2000

Elfi Pracht-Jörns, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen - Regierungsbezirk Arnsberg, J.P.Bachem Verlag, Köln 2005, S. 307 - 309

rah (Red.), Gedenkstein erinnert an jüdische Mitbürger, in: "WAZ - Westdeutsche Allgemeine Zeitung" vom 20.6.2007

Georg Glade, Die Hallenberger Juden. Kurköln- KZ – Kibbuz. 400 Jahre einer wechselvollen Geschichte. Mit einem Beitrag von Bat-Sheva Greenberg, Israel, 2. Aufl. 2009

Warmherziger und humorvoller Mensch“, aus: derwesten.de vom 6.8.2010 (betr. Bruno Frankenthal)

Georg Glade (Bearb.), „Damit Hallenberg judenfrei wäre“. Die Hallenberger Dokumente, in: Ralf Piorr (Hrg.), Ohne Rückkehr. Die Deportation der Juden aus dem Regierungsbezirk Arnsberg nach Zamosc im April 1942, Schriftenreihe der Mahn- und Gedenkstätte Steinwache Dortmund, Essen 2012

Georg Glade (Bearb.), Hallenberg, in: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe – Die Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Arnsberg, Veröffentlichungen der Historischen Kommission für Westfalen, Ardey-Verlag Münster 2016, S. 383 - 391

Rita Maurer (Red.), Als die Nazis auch in Hallenberg Jagd auf Juden machten, in: “WP – Westfalenpost” vom 10.11.2021