Haßloch (Rheinland-Pfalz)
Haßloch ist eine Kommune mit derzeit ca. 20.000 Einwohnern im Süden des Landkreises Bad Dürkheim – ca. 25 Kilometer südwestlich von Mannheim gelegen (Kartenskizze 'Landkreis Bad Dürkheim', Lencer 2007, aus: rhein-neckar-wiki.de).
Eine erste urkundliche Erwähnung dreier jüdischer Familien in Haßloch liegt aus den 1720er Jahren vor.
Vermutlich schon im 18.Jahrhundert hielten die Haßlocher Juden ihre Gottesdienste in einem Synagogenraum ab, der um 1850 durch einen neuen ersetzt wurde. Dieser befand sich im Obergeschoss eines Gebäudes in der Gillerstraße; im Parterre war die kleine Schule mit Lehrerwohnung untergebracht.
Um die Jahrhundertwende trug sich die Gemeinde mit dem Gedanken, den Neubau eines Synagogengebäudes zu bewerkstelligen. Dessen Finanzierung sollte u.a. durch Spenden der Gemeindemitglieder erfolgen. Ein Versuch, Gelder zu requirieren, ist der folgenden Geschäftsanzeige zu entnehmen, die sich besonders an Raucher wendete.
Anzeige im "Frankfurter Israelitischen Familienblatt" vom 22. Jan. 1904
Die Pläne für den Neubau einer Synagoge zerschlugen sich aber auf Grund mangelnder Finanzierung – endgültig dann in den Jahren des Ersten Weltkrieges und danach; so blieb die alte Synagoge Mittelpunkt des jüdischen Gemeindelebens am Ort bis 1938.
Zu den gemeindlichen Einrichtungen gehörte auch eine Mikwe; sie war als Ersatz für die privaten „Kellerbäder“ zu Beginn der 1880er Jahre gebaut worden.
Bau-Ausschreibung für das Mikwen-Gebäude von 1881
Bauskizze (um 1880) Gemeindesiegel
Der jüdische Friedhof in Haßloch war ca. 1820 angelegt worden und wurde auch von den benachbarten Gemeinden Geinsheim, Iggelheim und Böhl genutzt.
Die jüdische Gemeinde gehörte zum Bezirksrabbinat Frankenthal.
Juden in Haßloch:
--- 1722 .......................... 3 jüdische Familien,
--- 1744 .......................... 9 “ “ ,
--- 1768 .......................... 33 Juden,
--- 1783 .......................... 44 " ,
--- 1821 .......................... 58 " ,
--- 1840 ...................... ca. 100 “ ,
--- 1861 .......................... 128 “ ,
--- 1875 .......................... 100 “ ,
--- 1893 .......................... 102 “ ,
--- 1900 .......................... 76 “ ,
--- 1925 .......................... 65 “ ,
--- 1933 .......................... 70 “ ,
--- 1934 .......................... 46 “ ,
--- 1936 .......................... 42 “ ,
--- 1938 .......................... 29 “ ,
--- 1939/40 ....................... 3 “ .
Angaben aus: Karl Fücks/Michael Jäger, Synagogen der Pfälzer Juden, S 96
und Johannes Theisohn, Jüdisches Leben in Haßloch, S. 82
Straßenzug in Haßloch (Gillergasse), hist. Postkarte, um 1915
Bis zur Mitte des 19.Jahrhunderts stieg die Mitgliederzahl der jüdischen Gemeinde deutlich an; doch bereits nach 1870 war die Zahl der Gemeindeangehörigen dann wieder rückläufig.
Wie wenig die antisemitische Stimmungsmache der NSDAP in Haßloch bislang Wirkung zeigte, mag der Tatsache zu entnehmen sein, dass 1930 der jüdische Kaufmann Leo Loeb zum zweiten Ehrenbürgermeister gewählt wurde.
aus: "Der Israelit" vom 6.2.1930
Zu Beginn der NS-Zeit lebten noch ca. 70 jüdische Einwohner in Haßloch.
Während des Novemberpogroms von 1938 wurde die Haßlocher Synagoge stark beschädigt; Versuche, das Gebäude vollständig in Brand zu setzen, scheiterten aber. Die Inneneinrichtung wurde vollkommen zerstört, herausgerissen und anschließend auf dem Schulhof verbrannt. Wohnungen jüdischer Bewohner wurden aufgebrochen und demoliert; außerdem wurden Geschäfte geplündert. Die letzten drei in Haßloch noch verbliebenen jüdischen Bewohner wurden im Oktober 1940 ins südfranzösische Gurs deportiert.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden 20 gebürtige bzw. längere Zeit am Ort ansässig gewesene Haßlocher Juden Opfer des Holocaust (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/hassloch_synagoge.htm).
Fünf Jahre nach Kriegsende fand ein Prozess vor dem Schwurgericht Frankenthal gegen Beteiligte der „Novemberaktionen“ in Haßloch statt. Die Täter wurden zu geringen Haftstrafen verurteilt.
Das einstige Synagogengebäude musste Ende der 1970er Jahre abgetragen werden, da es beim Abriss eines Nachbarhauses stark in Mitleidenschaft gezogen worden war. 1988 wurde am ehemaligen jüdischen Schulhaus in der Gillergasse eine Gedenktafel enthüllt, die folgenden Text trägt:
Hier befand sich
bis zur Schändung durch die Nationalsozialisten in der Nacht vom 9./10.November 1938
die Synagoge der Jüdischen Gemeinde Hassloch.
Mit ihrer Zerstörung und der darauffolgenden Deportierung
unserer jüdischen Mitbürger endete jegliches jüdische Leben in unserem Ort.
Diese Gedenktafel soll zur Erinnerung für die Lebenden und zur Mahnung der kommenden Generationen sein.
Jüdische NS-Opfer von Haßloch (Aufn. M. Ohmsen, 2010)
Die Leo-Loeb-Straße erinnert heute an den 1881 geborenen und 1942 ermordeten jüdischen Bürger von Haßloch; er hatte am Ort mit seiner Familie ein Konfektionswarengeschäft betrieben.
Auf dem ca. 1.700 m² großen jüdischen Friedhofsgelände, das sich derzeit in einem gepflegten Zustand befindet, stehen heute noch ca. 380 Grabsteine; das Begräbnisareal war gegen Ende der 1950er Jahre in seiner ursprünglichen Form wieder hergestellt worden.
Jüdischer Friedhof in Haßloch (Aufn. G. Slickers 2012, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0 und J. Hahn, 2004)
Weitere Informationen:
Karl Heinz Debus, Die Reichskristallnacht in der Pfalz, in: "Zeitschrift für die Geschichte des Oberrheins", Band 129, Hrg. Kommission für geschichtliche Landeskunde in Baden-Württemberg 1981, S. 445 ff.
Johannes Theisohn, Die israelitische Volksschule, Hrg. Arbeitskreis Heimatmuseum Haßloch, Haßloch 1986, S. 61 ff.
Karl Fücks/Michael Jäger, Synagogen der Pfälzer Juden. Vom Untergang ihrer Gotteshäuser und Gemeinden, Hrg. Jüdische Kultusgemeinde der Rheinpfalz, Neustadt/Weinstr. 1988, S. 94 f.
Johannes Theisohn, Jüdische Familien in Haßloch, Broschüre zu Anlaß des 1.Heimattreffens ehemaliger jüdischer Mitbürger in Haßloch im Sept./Okt. 1988, Haßloch 1988
Johannes Theisohn, Das rituelle Frauenbad in Haßloch ..., in: Alfred Hans Kuby (Hrg.), Pfälzisches Judentum gestern und heute, in: "Beiträge zur Regionalgeschichte des 19./20.Jahrhunderts", Verlag Pfälzische Post, Neustadt a.d.Weinstraße 1992, S. 259 ff.
Hanns Hubach, Zur „Baugeschichte“ der Haßlocher Synagoge im 19. Jahrhundert, in: 1400 Jahre Hasalaha, 600–2000. Von 1850 bis zum Jahr 2000, in: "Beiträge zur Geschichte von Haßloch", Bd. 4, Hrg. Gemeindeverwaltung Haßloch, Haßloch 2001, S. 37 - 52
Haßloch, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 180/181
Otmar Weber, Die Synagogen in der Pfalz von 1800 bis heute. Unter besonderer Berücksichtigung der Synagogen in der Südwestpfalz, Hrg. Gesellschaft für Christlich-Jüdische Zusammenarbeit Pfalz (Landau), Dahn 2005, S. 84
Johannes Theisohn/u.a., Jüdisches Leben in Haßloch, in: "Beiträge zur Geschichte in Haßloch", Bd. 9, Hrg. „Freundeskreis Heimatmuseum Haßloch“, 2008 (mehrere Aufsätze)
Jüdisches Haßloch, bearb. vom Freundeskreis "Jüdische Mitbürger" (Stand: 2016), online abrufbar unter: juedisches-hassloch.de (mit detaillierten Angaben zu den Angehörigen der ehem. jüdischen Gemeinde
Hannelore Risch (Red.), Zeitzeugenbericht über die Judenverfolgung in meinem Heimatort, in: „Pfälzisches Pfarrblatt“ vom 16.6.2019
N.N. (Red.), Hassloch. Jüdische Familien: Schüler leisten Erinnerungsarbeit, in: „Die Rheinpfalz“ vom 14.7.2023