Küps (Oberfranken/Bayern)
Küps ist ein Markt mit derzeit ca. 8.000 Einwohnern im Landkreis Kronach - etwa 20 Kilometer nordwestlich von Kulmbach gelegen (Kartenskizze 'Landkreis Kronach', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).
Küps zählte vom 16. bis ins 19. Jahrhundert zu den größeren jüdischen Landgemeinden im Kreis Kronach; zeitweise bekannte sich hier jeder fünfte Bewohner zum mosaischen Glauben.
Möglicherweise haben sich bereits um 1200 Juden in Küps aufgehalten. Eine jüdische Gemeinde existierte in Küps vermutlich seit Ende des 16.Jahrhunderts; darauf deutet der bereits um 1580/1590 angelegte Friedhof hin; der älteste bekannte Grabstein datiert aus dem Jahre 1611.
Aus der Zeit um 1700 ist eine Urkunde überliefert, die der Küpser Judenschaft ihre Rechte am Friedhof bestätigte:
„ Wir Georg Christoph, Sylvester Johann Gotfrid, Alexander Heinrich, Johann Adam, Franz Karl und Sigmund Phylip, allerseits Vettern und Gebrüder von und zu Redwitz, Herrn auf Schmölz, Teisenroth, Küps und Wildenroth etc. uhrkunten und bekennen vermög dieses offenen Brifs, demnach uns die gesambte Judenschaft in Gebirg untertenig und demütig zu vernemen gegeben, was gestalten von unsers Geschlecht sel. Vorfarn die sembtlich Judenschaft von mehr als hundert Jahr die Gnade gehabt, in unserm Dorf Küps auf unserm freien eigentümblichen Boden mit einer Begrebnus also und dergestalten belihen zu sein, dass sie ihre Tote dahin gegen Erlegung eines gewissen Preises zu Erden bestetigen derfen, gleich sie die ganze zeit hero damit kontinuirt, ferners untertenig biten, dero selben erlangtes Privilegium widerum aus Gnaden zu verneuern. Wan wir dan dero untertenige in Gnaden angesehen und denen selben ihr alt Possess ferner zu gönnen nicht abschlagen wollen, gleichwol das zu entrichten gewesene Quantum vor eine Leiche uns gar zu wenig gewesen, dahero wir sembtliche Judenschaft ihr altes Privilegium und Freiheit der gehabten Begrebnus auf ihre angelangte untertenig demütige Bitte widerumb von neuem wohlbedächtig koncediren, erlauben und zulassen, dahin dergestalt und also das fürohin und zu ewigen Zeiten uns und unsern Nachkommen, ohne den jehrlichen konufen von Begrebtnus und den Heusslein (sc. Leichenhäuschen) nebst dero Besteuerung davon, welches ganz appartes weren, von ein jeder Leiche so über achtzehen Jahr, oder sunst im ehestand gewesen, uns ein Gulden sechsunddreissig Kreuzer, und von einen Kind, es sei tot oder lebendig geboren, wan es nur in unsern Boden gelegt wird, bis auf 18 Jahr, ein Gulden, alles schwer Gelt, wie es in den Stift Bamberg jetzo gemeinläufig entrichtet wird, vergünstigen also und leihen auf gesetzter Judenschaft hirauf nach obgreschribener Art die Freiheit, ihre Toten in unserm eigentümblichen Boden zu beerdigen, jedoch mit dieser Restruktion, dass sie mit unse als Christenfeiertag auf möglichste mit Arbeit verschonen, vornehmblich aber unsere hohe Fest nicht damit betreten, uns so ja ein Casus sich zutrüge, da sie ihres Gesetzes halber an unsern Feiertagen die Beerdigung thun müssten, sollen sie solche also anzustellen unumbgänglich gehalten sein, dass entweder in aller Früh vor unsern Gottesdienst oder nach völliger Endigung dessen Nachmittag sie die Beerdigung vornemen, wie dan wir anderst nicht dan auf solcher Massen und aus lauter Genade, da wir uns ferne Verordnung weiter vorbehalten, ihnen diese Freiheit concediren mit den accordirten Preis vollständig richtig sein. Urkundiglich haben wir uns sembtlich eigenhändig unterschriben und unser adlich angeborene Petschaften an die angehengten Kapsel gedruckt. Geben in unsern frei eigentümblichen Schlos Küps den ... (nun folgen Unterschriften)“. (aus: A. Eckstein: Geschichte der Juden im ehemaligen Fürstbistum Bamberg. Bamberg 1898 S. 131)
Als Schutzjuden waren sie den Freiherrn von Redwitz-Küps abgabenpflichtig.
Ihre Blütezeit besaß die israelitische Gemeinde Küps im 18. und beginnenden 19.Jahrhundert. Bei der Auflistung der Matrikelstellen sind für Küps 21 Familienvorstände aufgeführt; Haupterwerbszweig der Küpser Juden war bis ins 19.Jahrhundert der Kleinhandel, der aber nur ein ärmliches Leben ermöglichte. Das Zusammenleben mit der christlichen Dorfbevölkerung soll nicht immer problemlos verlaufen sein; so wurde den hiesigen Juden mehrfach „Wucher und Betrügereien“ vorgeworfen. Zu antijüdischer Stimmung im Dorf führte 1797 das Gerücht eines angeblich versuchten Ritualmordes, den der jüdische Lehrer Abraham an einem zehnjährigen Jungen begangen haben sollte; trotz der Haltlosigkeit der Vorwürfe blieb das christlich-jüdische Verhältnis im Dorf angespannt.
Die um 1700 aus etwa 20 Familien bestehende Gemeinde besaß damals bereits eine Synagoge, die im Jahre 1769 durch einen zweistöckigen Sandsteinbau ersetzt wurde; im Untergeschoss befand sich die Lehrerwohnung, im Obergeschoss der Synagogenraum.
Synagoge in Küps (Abb. aus L. Godlewsky)
Die jüdischen Kinder besuchten die christliche Ortsschule; Religionsunterricht erhielten sie in der jüdischen Schule, die seitens der Behörden als „Winkelschule“ galt und deshalb geschlossen werden sollte. In den 1820er Jahren wurde wegen interner Streitigkeiten über die Befähigung des Gemeinderabbiners die Synagoge in Küps vorübergehend geschlossen; erst 1842 wurde sie wieder in Nutzung genommen und diente bis 1870 gottesdienstlichen Zwecken. Ab ca. 1875 diente das Synagogengebäude als landwirtschaftlicher Lagerraum. Rituelle Bäder soll es in Kellern einiger Privathäuser gegeben haben.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben der Gemeinde war ein Lehrer angestellt. Die Gemeinde gehörte bis 1862 zum Rabbinat Rediwtz, danach zum Bezirksrabbinat Burgkunstadt.
Bereits Mitte der 1830er Jahre wurde der am Ortsrande von Küps gelegene jüdische Friedhof für immer geschlossen; „ ... Der Gottesacker zu Küps ... kann schon Polizey wegen nicht mehr geduldet werden, weil sich solcher mitten im Ort befindet, und da er mit Leichnamen zu angefüllt ist, daß wenige mehr hin beerdigt werden können, so daß er ohnedieß nicht weiter fortbestehen” kann.
Auf diesem alten Friedhofsgelände waren auch Juden aus Friesen, Merzbach, Mittwitz und anderen Ortschaften begraben worden. 1835 wurde die Schließung des jüdischen Friedhofs angeordnet; danach diente der Sammelfriedhof in Burgkunstadt als zentrale Begräbnisstätte für verstorbene Juden aus Küps und Umgebung.
alte Grabmale in Küps (Aufn. 1920er Jahre)
Aufn. um 1930/1935* * Aufn. aus: Jacob Jacobson Collection des Leo-Baeck-Instituts New York
Juden in Küps:
--- um 1690 .................. ca. 20 jüdische Familien,
--- um 1810 ...................... 161 Juden (ca. 20% d. Dorfbev.),
--- 1824/25 ...................... 81 “ ,
--- 1840 ......................... 84 “ ,
--- 1852 ......................... 49 “ ,
--- 1867 ......................... 30 " ,
--- 1871 ......................... 25 “ ,
--- 1880 ......................... 25 " ,
--- 1890 ......................... 6 “ ,
--- 1900 ......................... keine.
Angaben aus: Klaus Guth (Hrg.), Jüdische Landgemeinden in Oberfranken (1800 - 1942), S. 224
Die Abwanderung der jüdischen Bevölkerung setzte bereits nach 1810 ein, sodass sich die Zahl der Gemeindeangehörigen innerhalb von 15 Jahren auf die Hälfte reduzierte. Eine der letzten in Küps lebenden jüdischen Familien war die Familie Rosenbaum, die unter dem Namen „Sigmund Rosenbaums‘s Söhne“ eine Kolonialwarenhandlung betrieben, danach aber vor allem im Getreidehandel tätig waren.
Nach Auflösung der Gemeinde schlossen sich die wenigen verbliebenen jüdischen Familien der Kultusgemeinde Oberlangenstadt an. Um 1900 lebten dann keine Juden mehr in Küps.
Während der NS-Zeit wurde das bis ca. 1830 genutzte und ab 1903 im Besitz des israelitischen Begräbnisvereins Burgkunstadt befindlche Begräbisgelände beschlagnahmt, die noch vorhandenen Grabsteine entfernt und auf einem Geländeteil Behelfswohnheime errichtet, die zwischen 1966 und 1979 wieder abgerissen wurden.
Gedenkstein und Menora am ehemaligen jüdischen Friedhof in Küps (Aufn. Jürgen Hanke)
Seit 1990 erinnert auf dem Areal ein großer Gedenkblock - gestaltet vom Kronacher Künstler Heinrich Schreiber - mit den folgenden Worten:
Friedhof der Juden von Küps und Umgebung.
An diesem Guten Ort ruhen unsere ehemaligen jüdischen Mitbürger.
Achtet ihrer Ruhe und ihrem Angedenken.
Sie mögen eingebunden sein in das ewige Leben.
1990
Der Markt Küps hat jüngst den ehemaligen jüdischen Friedhof wieder im Ortsbild als "Ort der Ewigkeit" erkennbar werden lassen (Abb. aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0); initiiert wurde die Sichtbarmachung der israelitischen Begräbnisstätte im Rahmen eines Projektes der Hochschule Weihenstephan-Triesdorf.
Im Keller des Hauses Am Hirtengraben 10 (in der Nähe der ehem. Synagoge) ist bis in die Gegenwart eine (Grundwasser) Mikwe erhalten geblieben; dabei handelte es sich um das private rituelle Bad einer jüdischen Familie, die das Haus bereits im 18.Jahrhundert bewohnte. Beim Abriss des Gebäudes (1990) blieb die Mikwe erhalten, wurde restauriert und in den Neubau integriert.
Mikwe im Keller eines Privathauses (Aufn. Jürgen Hanke, 2022)
Am einstigen Standort – heute befindet sich hier eine Sporthalle – erinnert eine Tafel an die einstige Synagoge.
"Hier wo die Synagoge stand, erhebt sich jetzt ein Turnerhaus. Was edler Sinn zuvor geplant, hat Opfermut geführt hinaus. Auch fürder unsere Losung sei: Frisch, fromm, fröhlich, frei." (Aufn. J. Hahn, 2007)
Von der ehemaligen Synagoge sind nur noch wenige Bauteile vorhanden, die in den Martin-Luther-Saal der evangelischen Kirchengemeinde integriert sind.
[vgl. Oberlangenstadt (Bayern)]
Weitere Informationen:
A. Eckstein, Geschichte der Juden im ehemaligen Fürstbistum Bamberg, Bamberg 1898, S. 131 - 133
E. Goitein, Eine Blutbeschuldigung am Ende des 18.Jahrhunderts, in: „Der Israelit“ vom 12.4.1900
Heinrich Pöhlmann, Eine Frankenchronik. Geschichte des Marktfleckens Küps vorm Frankenwalde mit Umgebung, Lichtenfels 1909, S. 248 f.
Leopold Godlewsky, Die Juden von Küps, in: "Bayrische Israelitische Gemeindezeitung" vom 15. 5.1929 (online abrufbar unter: alemannia-judaica.de/kueps_synagoge.htm)
Klaus Guth (Hrg.), Jüdische Landgemeinden in Oberfranken (1800 - 1942). Ein historisch-topographisches Handbuch, Bayrische Verlagsanstalt Bamberg, Bamberg 1988, S. 222 - 228
Israel Schwierz, Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern - Eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1992, S. 226
Eva Groiss-Lau, Jüdisches Kulturgut auf dem Land. Synagogen, Realien und Tauchbäder in Oberfranken, Hrg. Klaus Guth, Deutscher Kunstverlag, München/Berlin 1995
Hans Schleicher, Die Geschichte des Marktes Küps (Chronik), Verlag Frank de la Porte, o.O. 1996
Theodor Harburger, Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern, Band 2: Adelsdorf - Leutershausen, Hrg. Jüdisches Museum Franken - Fürth & Schnaiitach, Fürth 1998, S. 371 - 373
Günter Dippold, Die jüdischen Friedhöfe in der Umgebung von Burgkunstadt, in: J. Motschmann/S. Rudolph, "Guter Ort" über dem Maintal - Der jüdische Friedhof bei Burgkunstadt, Reihe "Colloquium Historicum Wirsbergense", Lichtenfels 1999, S. 129 - 134
Küps, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Hans-Peter Süss, Jüdische Archäologie im nördlichen Bayern. Franken und Oberfranken, in: "Arbeiten zur Archäologie Süddeutschlands", Band 25, Büchenbach 2010, S. 80 - 82
Christian Ebertsch/Dieter Lau (Bearb.), Jüdische Landgemeinde Küps, 2015
Rainer Glissnik (Red.), Jüdischen Gemeinden auf der Spur, in: „Neue Presse Coburg“ vom 21.8.2015
Dieter Lau/Christian Ebertsch (Hrg.), Das Projekt Jüdische Landgemeinde Küps, Flyer 2015/2016 (abrufbar unter: alemannia-judaica.de/images/Images 399/kueps Friedhof jlk_flyer.pdf)
Christian Porzelt, Die Familie Rosenbaum in Küps, 2017