Langerwehe (Nordrhein-Westfalen)

Datei:Langerwehe in DN.svg Langerwehe ist eine kleine Kommune mit derzeit ca. 14.000 Einwohnern im Kreis Düren (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Kreis Düren', TUBS 2008, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Bereits gegen Ende des Dreißigjährigen Krieges lassen sich vereinzelt jüdische Familien in Langerwehe urkundlich nachweisen.

Die Mitgliederzahl der kleinen israelitischen Gemeinschaft blieb im Laufe des 19. Jahrhundert nahezu konstant; sie gehörte als Spezialgemeinde zum Synagogenverband Düren. Ihre Wohn- und Geschäftshäuser lagen zumeist an der Hauptstraße.

Zunächst fanden gottesdienstliche Zusammenkünfte in einem Raume eines Privathauses statt. 1874 wurde ein kleines Synagogengebäude - als Anbau auf einem rückwärtigen Teil eines Grundstücks in der Hauptstraße - eingeweiht; der Zugang erfolgte durch das schmale Vorderhaus. Zeitweilig besuchten auch die wenigen Juden aus den Nachbarorten Frenz und Pier die hiesige Synagoge.

Über die Feierlichkeiten anlässlich des 25-jährigen Synagogenjubiläums berichtete die „Rur-Zeitung“ in ihrer Ausgabe vom 28.Juli 1899: "Am 21. und 22. cr. feierten die Israeliten Langerwehes das 25-jährige Bestehen ihrer s. Zt. unter großen Opfern errichteten Synagoge durch je einen Festgottesdienst am Freitag Abend und Samstag Morgen, woran sich Sonntag, den 23. cr. ein zum Besten der Synagoge durch ein Privatcomitee veranstaltete Festball im de Haas’schen Saale anschloß. Der Dürener Synagogenchor hatte schon früh durch das freundliche Anerbieten eines völlig unentgeltlichen Mitwirkens zu der Feier sein Interesse für dieselbe bekundet, welchem die Langerweher Gemeinde durch Gewinnung des Herrn Musikdirektors Recke für die Harmoniumbegleitung und des Chordirigenten Herrn Lehrers Friedländer für die Festpredigten, sowie durch eine spontan und darum freudig geübte Gastfreundlichkeit entgegen kam. So konnte der schon in einer früheren Generation zur vollen Höhe seiner Aufgabe emporgestiegene Dürener Synagogenchor im fremden Gotteshause einer andächtigen und empfänglichen Festgemeinde, welche sich aus der ganzen Gegend zusammengefunden hatte, die Erhabenheit der uralten Synagogengesänge in ihrer meisterhaften modernen Bearbeitung offenbaren. Daneben wurden auch deutsche Choräle - zumal die beiden unmittelbar vor und nach der wohldurchdachten und eindrucksvollen Morgenpredigt des Herr Friedländer - sehr wirkungsvoll zu Gehör gebracht, so dass nicht nur die Hörer, sondern auch die Sänger selbst mit Fug und Recht befriedigt auf die durch sie erst zu harmonischer Rundung gediehene Feier zurückblicken durften, denn „Der Ton, der in der Kehle klingt, ist Lohn, der reichlich lohnet“ Bemerkenswert war auch die vom Herrn Bürgermeister Beckers, dem energischen Förderer und pflichtliebenden Theilnehmer jedweder zu löblichem Zwecke getroffenen Festveranstaltung, an die Versammlung gerichtete Ansprache, in welcher er seiner Befriedigung darüber Ausdruck gab, in den Langerweher Israeliten nicht nur treue Staatsbürger, sondern zum Theil auch tüchtige Mitglieder des Kriegervereins, der Samariterabteilung usw. begreifen zu können, welche mit ihren christlichen Mitbürgern in bestem Einvernehmen lebten. Daß letzteres der Fall, bewies übrigens zu Genüge die sympathische und anteilnehmende Haltung, welche unsere christliche Einwohnerschaft dem Feste gegenüber beobachtete und wofür derselben der herzliche Dank ihrer Jüdischen Mitbürger gebührt.“

Außerhalb der Ortschaft am Sandberge - an der Landstraße in Richtung Weisweiler - verfügte die Judenschaft Langerwehes über zwei getrennt liegende Parzellen, die als Friedhöfe dienten; das ältere Areal wurde bereits Ende des 17.Jahrhunderts als Beerdigungsplatz genutzt.

Juden in Langerwehe:

         --- 1857 .......................... 43 Juden,

    --- 1872 .......................... 54   “  ,

    --- 1895 .......................... 57   “  ,

    --- 1905 .......................... 37   “  ,

    --- 1911 .......................... 50   “  ,

    --- 1933 .......................... 46   “  .

Angaben aus: Elfi Pracht, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil I: Reg.bez. Köln, S. 107

 

Zu Beginn der 1930er Jahre lebten in Langerwehe etwa 50 Personen mosaischen Glaubens.

Während der „Kristallnacht“ von 1938 blieb auch die kleine Synagoge Langerwehes nicht von nationalsozialistischer Zerstörungswut verschont; die Inneneinrichtung wurde geplündert bzw. demoliert und anschließend verbrannt. Wegen der dichten Bebauung hatten die NS-Täter von einer Brandlegung des Gebäudes Abstand genommen. Wenige Monate danach musste das Grundstück zwangsweise verkauft werden. Während der Kriegsjahre wurde das Synagogengebäude vollständig zerstört.

 

Eine Gedenktafel erinnert seit 1999 an die einstige Synagoge. Auf Initiative der Katholischen Frauengemeinschaft wurden Ende 2011 an der Hauptstraße von Langerwehe 18 sog. „Stolpersteine“ verlegt, die an die ehemaligen Wohnorte jüdischer Familien erinnern.

Stolperstein Josef Levy Stolperstein Albert Levy Stolperstein Levy Höxter Stolperstein Franziska Jakobs Stolperstein Emilie Nathan

verlegt für Familie Wallach, Hauptstraße Stolperstein Meier WallachStolperstein Irma WallachStolperstein Manfred WallachStolperstein Ernst Max Wallach 

                                            "Stolpersteine" (Aufn. R. Spekking, 2014, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

Der kleine jüdische Friedhof – am Ortsausgang in Richtung Weisweiler gelegen – weist ca. 30 Grabstellen auf. Nicht weit davon entfernt liegt der Vorgängerfriedhof, der bis ca. 1870 in Nutzung gewesen war.

 Friedhof Langerwehe (Aufn. B. Limburg, 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

In Pier – einem ehemaligen Ortsteil der Gemeinde Inden, vom Braunkohlentagebau inzwischen völlig eingenommen – gab es eine winzige jüdische Gemeinde, die im 18./19.Jahrhundert aus nur wenigen Familien bestand. Ein Betraum war vorhanden, wurde aber im ausgehenden 19.Jahrhundert nicht mehr benutzt, da die Juden aus Pier das jüdische Gotteshaus in Langerwehe (später dann in Düren) aufsuchten. Vom einstigen jüdischen Friedhof, der 1869 angelegt und bis ca. 1925 benutzt wurde, sind nur noch einzelne Gräber vorhanden.

Aufn. B. Limburg, 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

 

Weitere Informationen:

Klaus H.S. Schulte, Dokumentation zur Geschichte der Juden am linken Niederrhein seit dem 17.Jahrhundert, in: "Veröffentlichungen des Historischen Vereins für den Niederrhein ...", Bd. 12, Verlag L.Schwann, Düsseldorf 1972, S. 134/135

Yehuda T. Radday, Hebräische Grabinschriften auf den jüdischen Friedhöfen in Weisweiler und Langerwehe, in: "Dürener Geschichtsblätter", No. 69/1980, S. 5 - 61

Ludger Dowe, Die jüdischen Friedhöfe im Kreis Düren, in: "Jahrbuch des Kreises Düren 1989", S. 87 - 96

Willi Dovern, Juden im Kreis Düren, Teil I : Die ältesten Nachrichten über jüdisches Leben im Kreis Düren, in: "Jahrbuch des Kreises Düren 1993", S. 124 - 134

Heinrich Freitag, Die jüdischen Familien in Langerwehe während des III. Reiches, Düren 1995

Elfi Pracht, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil I: Regierungsbezirk Köln, J.P.Bachem Verlag, Köln 1997, S. 107 - 110

Michael Brocke (Hrg.), Feuer an dein Heiligtum gelegt - Zerstörte Synagogen 1938 in Nordrhein-Westfalen, Ludwig Steinheim-Institut, Kamp Verlag, Bochum 1999, S. 328

Mechthilde u. Josef Lothmann, Historische Sehenswürdigkeiten in Langerwehe: Der jüdische Friedhof, in: iv-pro-langerwehe.de

Mechthilde Lothmann, Deutsche jüdischen Glaubens in der Herrschaft Merode und in Langerwehe”, hrg. vom Geschichts- u. Heimatverein Herrschaft Merode, 2012

Willi Dovern/Hermann-Josef Paulissen, Synagogen und Bethäuser im Kreis Düren, hrg. von der AG der Geschichstvereine im Kreis Düren, 2013 (online abrufbar unter: duereninfo.de/AGV)

Auflistung der Stolpersteine in Langerwehe (mit Abb.), online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Langerwehe