Lübben/Spreewald (Brandenburg)
Lübben (Spreewald) – derzeit ca. 14.000 Einwohner zählend - ist die Kreisstadt des Landkreises Dahme-Spreewald in der Niederlausitz im Land Brandenburg (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905 mit Lübben am unteren Kartenrand, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Landkreis Dahme-Spreewald', aus: ortsdienst.de/brandenburg/dahme-spreewald).
Unter dem Markgrafen Ludwig dem Römer (1351-1365) waren die Juden aus fast allen Städten der Lausitz vertrieben worden. Anfang des 15.Jahrhunderts siedelten sich einige wenige jüdische Familien wieder in Lübben an; erstmalig urkundlich erwähnt wurde die „Judengasse“ Lübbens im Stadtbuch des Jahres 1525. Ein Großbrand in der Stadt, für den hier lebende Juden verantwortlich gemacht wurden, führte 1541/1542 zur Ausweisung der jüdischen Familien; nach baldiger erneuter Ansiedlung wurden sie 1573 von dem Landvogt abermals vertrieben. In der Folgezeit hielten sich - mit Unterbrechungen - abermals jüdische Familien in Lübben auf.
Lübben um 1860, Stahlstich (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)
Erst gegen Mitte des 19.Jahrhunderts siedelten sich einige Familien, vorwiegend aus Friedland, dauerhaft in Lübben an. Der sich bildenden Synagogengemeinde Lübben - konstituiert im Jahre 1853 (oder 1857) - schlossen sich auch jüdische Familien aus den umliegenden Ortschaften Friedland, Lieberose, Luckau und Schönwalde an.
Etwa zeitgleich errichtete diese einen kleinen, schlichten Synagogenbau in der Isaack’schen Gasse, der späteren Schulgasse. Der Bau umfasste auch ein Schulzimmer und die Lehrerwohnung; in den Jahren zuvor war ein Betraum in einem Privathause vorhanden. Um die Jahrhundertwende ließ die Gemeinde in der heutigen Kirchstraße eine neue Synagoge errichten.
Bereits um 1835/1840 war der Synagogengemeinde Lübben ein Friedhofsgelände vor der Stadt, in der Majoransheide, zugewiesen worden; hier wurden auch Glaubensgenossen aus Calau und Luckau beerdigt. Zu den gemeindlichen Kultuseinrichtungen zählte auch eine Mikwe.
Mitte der 1920er Jahre setzte sich die Gemeinde aus etwa 80 Personen zusammen; ihren Lebensunterhalt verdienten sie überwiegend als Kaufleute, vor allem in der Textilbranche. Noch vor der NS-Machtübernahme 1933 hatten einige ihre Geschäfte in der Kleinstadt bereits aufgegeben. Wie überall in Deutschland wurde die NSDAP auch in Lübben am 1.April 1933 zum Boykott jüdischer Geschäfte aufgerufen. Wenige Tage später beschlossen die Stadtverordneten die Umbenennung der „Judengasse“, einer der ältesten Lübbener Straßen, in „Zur Bleiche“.
Während des Novemberpogroms von 1938 wurde die Lübbener Synagoge in Brand gesetzt und stark beschädigt; das teilzerstörte Gebäude brannte 1945 völlig nieder.
In einer Kurzmitteilung in der „Lübbener Zeitung” vom 10.11.1938 hieß es:
Jüdische Synagoge demoliert. Wie in allen Teilen des Reiches, so haben sich auch in Lübben nach dem Bekanntwerden des Hinscheidens des Gesandtschaftsrates vom Rath judenfeindliche Kundgebungen ereignet. Die Inneneinrichtung der Synagoge in der Schulgasse wurde heute nacht demoliert und durch Feuer beschädigt.
1941/1942 wurde der jüdische Friedhof zerstört, die Grabsteine zum Wegebau zweckentfremdet und auf dem eingeebneten Gelände eine Konservenfabrik gebaut.
Die letzte in Lübben wohnende jüdische Familie, die Familie Julius Burchardi, wurde im Laufe des Jahres 1942 deportiert. Über die Schicksale der jüdischen Lübbener Bürger liegen keine sicheren Angaben vor.
Ende 1942/Anfang 1943 wurden aus dem Zuchthaus Luckau jüdische Häftlinge, die dort wegen Vergehens gegen das sog. „Blutschutzgesetz“ inhaftiert waren, nach Auschwitz abtransportiert.
Am Standort der ehemaligen Synagoge wurde 1988 ein kleiner Gedenkstein aufgestellt, der die folgenden Worte trägt:
Hier befand sich die Lübbener Synagoge.
In der Pogromnacht vom 9. zum 10.November 1938 wurde sie von den Faschisten zerstört.
Zudem erinnert ein in die Pflasterung eingelassener Davidstern (nahe der Kirchstraße) an das ehemalige jüdische Gotteshaus.
Der in der NS-Zeit geschändete und zerstörte jüdische Friedhof wurde nach Kriegsende eingeebnet und in eine Grünanlage umgewandelt. Seit Anfang der 1950er Jahre steht auf diesem Gelände ein Denkmal in Form eines steinernen Kubus; es trägt die folgende Inschrift:
Hier war der Begräbnisplatz, auf dem die Angehörigen der jüdischen Gemeinde zur letzten Ruhe gebettet wurden.
Diese ehrwürdige Stätte wurde im Jahre 1941 von den faschistischen Gewalthabern zerstört.
Gedenkt der Millionen ermordeter Menschen aller Nationen,
die Opfer des faschistischen Terrors wurden und helft,
allen Menschen eine glückliche und friedliche Zukunft zu schaffen.
Gelände des ehem. jüdischen Friedhofs und Denkmal (Aufn. J.H.Janßen, 2014, aus: wikipedia.org, CCO)
1990 wurde der Straßenzug „Zur Bleiche“ in „Judengasse“ rückbenannt; damit soll daran erinnert werden, dass bereits im späten Mittelalter Juden in Lübben gelebt haben.
Seit 2008 wurden in Lübben insgesamt acht sog. „Stolpersteine“ zum Gedenken an deportierte und ermordete ehemalige jüdische Bewohner sowie für Opfer der "Euthanasie" verlegt.
verlegt für das jüdische Ehepaar Burchardi und weitere Personen (Aufn. Chr. Michelides, 2018, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
In Luckau - hat es zu keiner Zeit eine jüdische Gemeinde gegeben; in der Kleinstadt und den umliegenden Dörfern lebten nur vereinzelt jüdische Familien. Um Gottesdienste zu besuchen, suchten die gläubigen jüdischen Bewohner Lübben auf.
Drei sog. "Stolpersteine" erinnern seit 2008 an Luckauer jüdische Opfer des NS-Regimes.
Aufn. Chr. Michelides, 2021, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0
Weitere Informationen:
Rudolf Lehmann, Zur Geschichte der Juden in der Niederlausitz bis zur Mitte des 19.Jahrhunderts, in: "Niederlausitzer Mitteilungen", Band 24/1936, S. 1 - 46
‘Lübbener Straßennamen und ihre Geschichte’ - Zeitungsberichte in der Lokalzeitung (Jan. - Febr. 1984)
Friedrich Herrbruck, Zur neueren Geschichte der Juden in Lübben, in: "Lübbener Heimatkalender 1992", S. 67 f. (kurzes Manuskript mit Aufzeichnungen von Gesprächen mit Zeitzeugen, 1978/1982)
M.Brocke/E.Ruthenberg/K.U.Schulenburg, Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland (Neue Bundesländer/DDR und Berlin), in: "Veröffentlichungen aus dem Institut Kirche und Judentum", Hrg. Peter v.d.Osten-Sacken, Band 22, Berlin 1994, S. 483
Irene Diekmann/Julius H.Schoeps (Hrg.), Wegweiser durch das jüdische Brandenburg, Edition Hentrich, Berlin 1995
Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus - Eine Dokumentation II, Hrg. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1999, S. 310
Sylvia Kolley, Juden in Luckau – Versuch einer Spurensuche (Projekt 2004/2005), online abrufbar unter: luckauer-juden.de (mit Personendaten)
Angaben des Brandenburgischen Landeshauptarchivs (Außenstelle Lübben), Jan. 2005
Die Erínnerung ist in Lübben noch lebendig, in: „Lausitzer Rundschau“ vom 13.9.2008 (betr. Verlegung von Stolpersteinen)
Auflistung der in Lübben verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Lübben_(Spreewald)
Auflistung der im Landkreis Dahme-Spreewald verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_im_Landkreis_Dahme-Spreewald
Carola Gerlach, Schicksale Lübbener Juden in der NS-Zeit. Akten, Aussagen, Dokumente, in: Lübbener Forum gegen Gewalt, Rechtsextremismus und Fremdenfeindlichkeit (Hrg.), Das jüdische Lübben. Einblicke in eine vergangene Epoche, Luckau 2009, S. 35 – 79
Dirk Schneider (Red.), Aus Lübben deportiert. Schicksal der jüdischen Ehepaars Burchardi, in: rbb-online de vom 20.1.2017
Julia Siebrecht (Red.), Jüdische Friedhöfe in der Lausitz: Ruhestätten verwittern immer mehr – wer ist zuständig? in: „Lausitzer Rundschau“ vom 30.4.2023