Netra (Hessen)

Datei:Kurhessen Kr Eschwege.pngDatei:Ringgau ESW.svg Netra mit seinen derzeit ca. 600 Einwohnern gehört seit 1971 als ein Ortsteil zur Kommune Ringgau im nordhessischen Werra-Meißner-Kreis - knapp 20 Kilometer südlich von Eschwege bzw. ca. 30 Kilometer nordwestlich vom thüringischen Eisenach gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905 ohne Eintrag von Netra, aus: wikipedia.org, gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Werra-Meißner-Kreis', Hagar 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Die erste Ansiedlung eines Juden in Netra ist zu Beginn des 16.Jahrhunderts belegt; erst ab Mitte des 18.Jahrhunderts lebten mehrere jüdische Familien im Dorfe. Bald bildete sich eine kleine jüdische Gemeinde heraus, die als erste gemeindliche Einrichtung einen Friedhof anlegte; von diesem alten Friedhof an der Flur „Krückholz“ existieren heute allerdings keine Spuren mehr. Eine neue Begräbnisstätte wurde um 1850 mitten im Wald, an der Straße nach Grandenborn angelegt; auf dieser fanden auch Verstorbene aus Datterode ihre letzte Ruhe.

In der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts richtete die Gemeinde eine Synagoge in der Brauhausstraße ein; das Gebäude war ein schlichter Fachwerkbau, der sich von den umliegenden Häusern kaum unterschied. Zeitweilig bestand in Netra auch eine jüdische Elementarschule, die auf Grund häufiger Lehrerwechsel keinen dauerhaften Status besaß; sie wurde Mitte der 1920er Jahre endgültig geschlossen.

Zur jüdischen Gemeinde Netra gehörten auch die Juden aus Datterode und bis 1905 die von Wichmannshausen; die Kultusgemeinde unterstand dem Provinz-Rabbinat Niederhessen mit Sitz in Kassel.

Juden in Netra:

    --- 1744 ..........................   4 jüdische Familien,

    --- 1812 ..........................  37 Juden,

    --- 1835 ..........................  88   “  ,

    --- 1861 .......................... 110   “  (ca. 13% d. Bevölk.),

    --- 1871 ..........................  97   "  ,

    --- 1885 ..........................  90   “  ,

    --- 1895 ..........................  68   “  (ca. 9% d. Bevölk.),

    --- 1905 ..........................  68   “  ,

    --- 1933 ..........................  27   “  ,

    --- 1938 ..........................   2 jüdische Familien.

Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 2, S. 120

und                 K.Kollmann/Th.Wiegand, Spuren einer Minderheit - Judenfriedhöfe und Synagogen ..., S. 24/25                                                             

 

Die Juden Netras verdienten ihren Lebensunterhalt als Viehhändler und „Handelsmänner“, aber auch als Handwerker und in der Landwirtschaft. Die meisten Netraer Juden waren in der Dorfgemeinschaft integriert; so gehörten sie als Mitglieder der Freiwilligen Feuerwehr sowie des Gemeinderats an.

Mit Beginn der NS-Zeit wanderten die wenigen jüdischen Familien Netras ab, meist ins nahe Eschwege. 1938 lebten nur noch zwei Familien im Dorf. Nach Auflösung der jüdischen Gemeinde wurde das Synagogengebäude als Stall bzw. Scheune genutzt.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind 36 gebürtige bzw. längere Zeit in Netra lebende jüdische Bewohner Opfer des Holocaust geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/netra_synagoge.htm).

Anfang der 1970er Jahre wurde das ehemalige Synagogengebäude abgerissen. Einziges Zeugnis jüdischen Lebens in Netra ist heute noch das südlich der Ortschaft im Walde gelegene Friedhofsgelände (an der Straße nach Grandenborn) mit seinen noch etwa 90 Grabsteinen, die in zwei parallel verlaufenden Reihen angeordnet sind; der älteste Stein datiert von 1855, die jüngste Belegung erfolgte 1938. Im Jahre 2012 konnte die Sanierung der Grabstätten abgeschlossen werden.

Jüdischer Friedhof Netra (Aufn. Heinz K.S., 2016, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

 

Die Geschichte der Juden von Datterode beginnt mit dem Jahr 1683, als der mit einem Schutzbrief ausgestattete Jude Meyer Calmann sich im Dorf niederließ. Im 19.Jahrhundert lebten in Dorf durchschnittlich sechs jüdische Familien; deren Zahl hielt sich bis in die Zeit des Ersten Weltkrieges.

Verstorbene fanden auf den jüdischen Friedhöfen in Reichensachsen und Netra ihre letzte Ruhe.

Die Judenschaft Datterodes gehörte als Filialgemeinde offiziell der Kultusgemeinde von Reichensachsen an.

Juden in Datterode:

--- 1744 .........................  4 jüdische Familien,

--- 1835 ......................... 28 Juden,

--- 1861 ......................... 59   “  ,

--- 1905 ......................... 29   “  ,

--- 1924 ......................... 16   “  ,

--- 1932 ......................... 10   “  ,

--- 1937/38 ......................  2 jüdische Familien.

Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 2, S. 120

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20182/Datterode%20Israelit%2025021901.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20302/Datterode%20Israelit%2025051903.jpg Anzeigen jüdischer Gewerbetreibender (1901/1903)

Zu Beginn der NS-Herrschaft wohnten noch zwei jüdische Familien in Datterode.

Die meisten der bereits in den Jahren zuvor an andere Orte verzogenen Datteroder Juden wurden 1941/1942 von ihren neuen Wohnorten deportiert (vgl. dazu: Gegen das Vergessen, in: heimatverein-datterode.de). Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind insgesamt 17 aus Datterode stammende jüdische Bewohner Opfer des Holocaust geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/netra_synagoge.htm).

Die Tür zu einer "Laubhütte" (Sukka) aus dem Dorfe Datterode war einige Zeit im Besitz des Israel-Museum in Jerusalem, ging dann aber in den 1990er Jahren auf dem Wege einer Versteigerung in private Hände über.

Tür zu einer Laubhütte aus Datterode (Aufn. Th. Beck, Heimatverein Datterode)

 

 

 

Weitere Informationen:

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 2, S. 119 - 121

Thea Altaras, Synagogen in Hessen - was geschah seit 1945 ?, Verlag K.R. Langewiesche Nachfolger Hans Köster Verlagsbuchhandlung, Königstein (Taunus) 1988

K.Kollmann/Th.Wiegand, Spuren einer Minderheit - Judenfriedhöfe und Synagogen im Werra-Meißner-Kreis, Verlag Jenior & Pressler, Kassel 1996, S. 24/25 und S. 98/99

Erich Schwerdtfeger (Hrg.), Jüdisches Leben in einem hessischen Dorf. Aus den Lebenserinnerungen Ludwig Rothschilds (1816 - 1992), Verlag Books on Demand GmbH, Norderstedt 2006  

Karl Beck, Aus der Geschichte meines Heimatdorfes – Erinnerungen, Bilder und Gedichte“, Verlag Books on Demand GmbH, Norderstedt 2006 (Publikation zu Datterode)

Christina Prauss, Vom Untergang bürgerlicher Lebenswelten – Der Kaufhausgründer Lehmann Löbenstein aus Datterode und seine Kinder, in: "Eschweger Geschichtsblätter", Jg. 23/2012 

Netra mit Datterode, in: alemannia-judaica.de (diverse Angaben zur jüdischen Ortsgeschichte, besonders detaillierte Personenangaben zu Datterode mit diversen Bildmaterial)

Zur jüdischen Geschichte in Datterode, in: heimataverein-datterode.de (mit sehr informativen Texten und zahlreichen Personenangaben)

Der jüdische Friedhof in Netra mit diversen Aufnahmen des Areals und einzelner Grabsteine, online abrufbar unter: gettyimages.com

Der jüdische Friedhof von Netra – Aufnahmen des Friedhofgeländes und einzelner Steine, online abrufbar unter: gettyimages.com

 

Der jüdische Friedhof von Netra – Aufnahmen des Friedhofgeländes und einzelner Steine, online abrufbar unter: gettyimages.com

 

Der jüdische Friedhof von Netra – Aufnahmen des Friedhofgeländes und einzelner Steine, online abrufbar unter: gettyimages.com