Olnhausen/Jagst (Baden-Württemberg)

Jüdische Gemeinde - Gemmingen (Baden-Württemberg)  Datei:Jagsthausen in HN.png Olnhausen ist seit 1972 ein Ortsteil von Jagsthausen im äußersten Nordosten des Landkreis Heilbronn - ca. 30 Kilometer nordöstlich der Kreisstadt gelegen (Kartenskizzen 'Landkreis Heilbronn', aus: ortsdienst.de/baden-wuerttemberg/heilbronn  und  Rosenzweig, 2007, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts erreichte die israelitische Gemeinde ihren personellen Zenit; sie stellte damals mit ca. 160 Angehörigen etwa 35% der Dorfbevölkerung.

Eine jüdische Gemeinde im reichsritterschaftlichen Dorf Olnhausen entstand in der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts; erstmals wurden jüdische Bewohner 1654 erwähnt, doch blieb ihre Zahl bis Anfang des 18.Jahrhunderts stets gering. Die Juden Olnhausens standen bis Anfang des 19.Jahrhunderts unter dem Schutz der Herrschaft von Jagsthausen, den Herren von Berlichingen. (Anm.: Am Sitz der adligen Herrschaft in Jagsthausen durften sich keine Juden ansiedeln; deshalb findet man sie nur in Berlichingen und Olnhausen.)

Ein erster Betsaal im Obergeschoss eines Privathauses wurde um 1740 bzw. 1772 durch ein Synagogengebäude abgelöst. Dieses war von der Grundherrschaft errichtet und gegen Zahlung einer jährlichen Miete zur Verfügung gestellt worden. Nach dem Abriss des baufälligen Gebäudes 1881 ließ die jüdische Gemeinde an gleicher Stelle in der Bahnhofstraße ein neues Gotteshaus aus massiven Quadern errichten.

        Synagoge in Olnhausen, um 1930 (aus: Landesarchiv Baden-Württ.)

Über dem Eingang befand sich auch nach dem Neubau die Jahreszahl 1772, das Berlichingen'sche Wappen sowie als hebräische Portalinschrift ein Zitat Psalm 118,19: „Tut mir auf die Tore der Gerechtigkeit ... “.

Ab 1828 gab es in Olnhausen auch eine jüdische Schule, die neben der Synagoge stand. Bis in die 1870er Jahre war sie Elementarschule, wurde danach nur noch als Religionsschule geführt und endgültig 1914 geschlossen.

                                               Stellengesuch eines Lehrers aus Olnhausen (Aug. 1885)

Ab Ende der 1880er Jahre war der aus Klattau/b. Karlsbad stammende Leopold Pollak(geb. 1860) Lehrer, Vorbeter und Schächter der Olnhausener Gemeinde; er übte dieses Amt hier mehr als 25 Jahre aus.

Ihre Verstorbenen begruben die Olnhausener Juden auf dem Verbandsfriedhof in Berlichingen. Doch schien auch ein Begräbnisplatz vor dem Dorf bestanden zu haben, denn eine Flur der Olnhauser Gemarkung trug früher die Bezeichnung „Judenkirchhof“; als dann der jüdische Friedhof in Berlichingen angelegt wurde, soll die Begräbnisstätte vorm Dorf nicht mehr benutzt worden sein.

Die Israelitische Gemeinde Olnhausen gehörte ab 1832 zum Rabbinat Berlichingen, ab 1852 zu dem von Mergentheim, später zu dem Rabbinat von Heilbronn. Korb gehörte seit den 1830er Jahren als Filialgemeinde der Kultusgemeinde Olnhausen an.

Juden in Olnhausen:

    --- um 1725 ........................   8 jüdische Familien,

    --- 1732 ...........................  13     “       “    ,

    --- um 1750 ........................  10     “       “    ,

    --- um 1775 ........................  13     “       “    ,

    --- 1817 ...........................  21     “       “    ,

    --- 1828 ........................... 153 Juden,

    --- 1846 ........................... 158   "  ,

    --- 1854 ........................... 158   “   (ca. 35% d. Dorfbev.),

    --- 1860 ........................... 138   “   (ca. 28% d. Dorfbev.),

    --- 1885 ........................... 116   “  ,

    --- 1900 ...........................  95   “   (ca. 21% d. Dorfbev.),

    --- 1910 ...........................  66   "  ,

    --- 1925 ...........................  35   “  ,

    --- 1933 ...........................  26   “  ,

    --- 1940 ...........................   ?   “  .

Angaben aus: Dorfchronik von Olnhausen, S. 39

und                  W.Angerbauer/H.G.Frank, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn, ..., S. 195/196

 

Die Juden Olnhausens handelten mit Vieh und Waren aller Art. Der starke Zuzug der Juden führte zu Anfang des 19.Jahrhunderts zu Konflikten im Dorf; hierbei fürchtete der christliche Bevölkerungsteil, von den jüdischen Bewohnern - einige Familien galten als sehr vermögend - verdrängt zu werden, die im Dorf zunehmend Immobilien ankauften. So hieß es in einer der Beschwerden: „ ... Allgemein verderblich überhaupt für jede Gemeinde ist die zu große Ausbreitung der Juden im Ort, da hiedurch unmittelbar die Vermehrung der Bürger durch den Mangel an Wohnungen gehindert wird, dagegen sich aber bereits 8 bis 9 leere Wohnungen in den Häusern der Juden befinden und so geschiehet es, daß jeder auswärtige Familienvater Abstand nimmt seine Tochter in ein von lauter Juden bewohnten Ort zu geben.

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Synagoge u. Rathaus in Olnhausen (Ausschnitt einer Bildpostkarte, aus: Sammlung Peter Karl Müller, Kirchheim)

Ab der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts wanderten vermehrt Juden aus Olnhausen weg; zwischen 1885 und 1925 hatten zwei Drittel der jüdischen Einwohner das Dorf verlassen.

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zwei Kleinanzeigen von Abraham Kaufmann vom 8.9.1890 bzw. 10.4.1893

Seit 1900 schlossen nach und nach die jüdischen Gasthäuser und die wenigen Handwerksbetriebe; 1933 gehörten jüdischen Eigentümern noch zwei Viehhandlungen, zwei Gastwirtschaften und je eine Textilwaren- und Gemischtwarenhandlung, eine Bäckerei und eine Metzgerei. Anlässlich des 50jährigen Synagogenjubiläums berichtete die Zeitschrift „Der Israelit“ in ihrer Ausgabe vom 10.Sept. 1931:

"Olnhausen a. d. Jagst, 1. Sept. Die hiesige noch kleine Israelitische Gemeinde kann am 17. September auf fünfzigjähriges Bestehen ihrer Synagoge zurückblicken. Damals wohnten hier 34 Familien, heute sind es noch 7 Familien, außerdem noch vier einzelne Personen. Es ist am Sabbat gerade noch Minjan, wenn niemand krank oder verhindert ist. Trifft dies zu, wird ein lediger Mann von Berlichingen bestellt. Zur Zeit des Baues und der Einweihung waren Vorsteher Lippmann Gutmann, Josef Rosenfeld und Aron Hirsch, die längst nicht mehr am Leben sind. Als Religionslehrer war hier Emanuel Schloß, Rabbiner Gunzenhäuser aus Mergentheim hielt als hier zuständiger Rabbiner die Festrede; die Gesänge bei der Einweihung leitete Lehrer Dreifuß, Heilbronn. Die kleine Gemeinde sieht von einer Feier, angesichts des Ernstes der Zeit, ab. Das Gotteshaus, ein massiver Bau, ist ein Schmuck des Dorfes."

Der Antisemitismus fand in Olnhausen nur wenig Resonanz; noch Ende der 1930er Jahre sollen „arische“ Bewohner mit ihren jüdischen Nachbarn freundschaftliche Kontakte gepflegt und sie heimlich versorgt haben.

Während des Novemberpogroms von 1938 wurde die Inneneinrichtung des Synagogengebäudes, in dem noch bis in die 1930er Jahre Gottesdienste stattfanden, durch auswärtige NSDAP-Anhänger zerschlagen.

Anm.: In den Jahrzehnten danach diente das Gebäude als Scheune bzw. Lagerraum; in den 1970er Jahren wurde es abgerissen und auf dem Gelände ein Neubau errichtet.

Zwölf jüdische Bewohner Olnhausens wurden 1941/1942 nach Riga und Theresienstadt verschleppt.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind nachweislich 33 gebürtige bzw. längere Zeit in Olnhausen wohnhaft gewesene jüdische Bürger Opfer der „Endlösung“ geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/olnhausen_synagoge.htm ).

 

Seit 2007 erinnert eine auf einem Betonblock angebrachte Gedenktafel mit dem Relief des Gotteshauses an den ehemaligen Standort des Synagogengebäudes; eingeweiht wurde das Denkmal vom ehemaligen Bundespräsidenten Roman Herzog.

Gedenktafel mit Relief der Synagoge (Aufn. P. Schmelzle, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

Weitere Informationen:

Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale - Geschichte - Schicksale, Hrg. Archivdirektion Stuttgart, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1966, S. 148/149

Utz Jeggle, Judendörfer in Württemberg, Dissertation Philosophische Fakultät Universität Tübingen, 1969

Erich M. Lehmann, Geschichte eines Kidduschbechers, in: "Pessach-Festschrift 5730", Stuttgart 1970, S. 18/19

Hans Hain, Aus der Vergangenheit des Dorfes Olnhausen - 1200 Jahre Olnhausen, Olnhausen 1981, S. 38 - 40

W.Angerbauer/H.G.Frank, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn. Geschichte - Schicksale - Dokumente, in: "Schriftenreihe des Landkreises Heilbronn", Band 1, Hrg. Landkreis Heilbronn, 1986, S. 194 - 200

Joachim Hahn, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1988, S. 231/232

Aus der Dorfchronik von Olnhausen: “II. Geschichtliches vom 13.Jahrhundert an. 4. Juden in Olnhausen”

Joachim Hahn/Jürgen Krüger, “Hier ist nichts anderes als Gottes Haus ...” Synagogen in Baden-Württemberg, Teilband 2: Orte und Einrichtungen, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2007, S. 229 – 231

Olnhausen mit Mockmühl, in: alemannia-judaica.de (mit zahlreichen Angaben zur jüdischen Gemeindehistorie)