Neusohl/Banska Bystrica (Slowakei)

Banska kraj.png Das heutige slowakische Banska Bystrica (ung. Besztercebanya) ist eine Stadt mit derzeit ca. 80.000 Einwohnern, die etwa im geographischen Zentrum des Landes liegt. Im späten Mittelalter war die Stadt durch den Bergbau zu großem Wohlstand gelangt (Karte M. Pröhl, 2006, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

Da Neusohl „königliche Bergbaustadt“ war, durften über Jahrhunderte hinweg in ihren Mauern keine Juden leben. Erst ab den 1850er Jahren wurden jüdische Familien in Neusohl sesshaft, die aus umliegenden Dörfern, aber auch aus Galizien zugewandert waren. Ihren Lebensunterhalt bestritten sie anfänglich zumeist vom Holz- und Lederhandel bzw. - verarbeitung.

Alsbald gründete sich eine Gemeinde, die ein rasches Wachstum zeigte; das Gros der Gemeindemitglieder bekannte sich zum reformorientierten Flügel der ungarischen Judenschaft.

Im Jahre 1867 ließ die Gemeinde eine neue Synagoge errichten. Etwa zeitgleich etablierte sich in der Stadt eine jüdische Privatschule.

Im Dorf Radvan (Vorort) hatte sich eine orthodoxe Gemeinde zusammengefunden, die mehr als 250 Angehörige zählte.

Im Jahre 1865 wurde ein jüdischer Friedhof angelegt, der in der Zeit seiner Nutzung mehr als 1.000 Begräbnisse verzeichnete.

Juden in Neusohl/Banska Bystrica:

--- 1869 ..........................   247 Juden,

--- 1880 ..........................   561   “  ,

--- 1900 .......................... 1.025   “  ,

--- 1910 ...................... ca. 1.200   “   (ca. 12% d. Bevölk.),

--- 1930 .......................... 1.327   “  ,*         * andere Angabe: 1.200 Pers.

--- 1946 ...................... ca.   300   “  ,

--- 1947 ...................... ca.   100   ”  .

Angaben aus: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), S. 85/86

Námestie Štefana Moyzesa (Mátyás tér), szemben a Szlovák Nemzeti Felkelés (Slovenského národného povstania) tér (IV. Béla király tér) és az Óratorony, mögötte a Xavéri Szent Ferenc-székesegyház. Fortepan 86636.jpgZentrum Banska Bystrica (Aufn. um 1905, aus: commons.wikimedia.org, CCO)

Die Juden Neusohls bestimmten maßgeblich die ökonomische Situation der Stadt; neben mehr als 100 Geschäften und 30 Handwerkerbetrieben führten sie eine Reihe von Industrieunternehmen, so z.B. eine der größten Möbelfabriken auf slowakischem Boden.

Besonders in der Zwischenkriegszeit konnten zionistische Organisationen innerhalb der Gemeinde* Einfluss gewinnen.

* Seit den 1920er Jahren existierte in Neusohl auch eine religiös-orthodoxe Gemeinschaft.

Die antijüdische Gesetzgebung führte im Jahre 1941 dazu, dass alle jüdischen Geschäfte/Betriebe aufgeben mussten bzw. „arisiert“ wurden; Männer wurden fortan zur Zwangsarbeiten herangezogen. Im Frühjahr des Folgejahres setzten dann die Deportationen ein, die in die Ghetto- und Vernichtungslager auf polnischem Boden führten (nach Majdanek und Auschwitz-Birkenau, danach nach Lublin). Nur diejenigen Juden, die die Behörden als „wirtschaftlich nützlich“ anerkannten, durften in der Stadt verbleiben.

Im Zusammenhang des Slowakischen Nationalaufstandes kamen Tausende von jüdischen Flüchtlingen nach Banska Bystrica, das als Zentrum der Aufstandsbewegung galt. Die deutsche Besatzungsmacht griff mehr als 1.000 von ihnen auf und exekutierte sie nahe des Dorfes Kremnicka.

 

Nach Kriegsende bildete sich in Banska Bystrica eine neue jüdische Gemeinde, die 1946 fast 300 Angehörige zählte, doch deren Anzahl durch Emigration sehr schnell rückläufig war.

Der jüdische Friedhof hat die Zeiten überdauert; auf dem Gelände findet sich ein Denkmal zu Ehren der Opfer der Shoa. Das Synagogengebäude wurde Anfang der 1980er Jahre abgerissen.

In der Stadt findet man sog. „Stolpersteine“, die an Opfer der faschistischen Gewaltherrschaft erinnern.

Stolperstein für Teodor Rosenberg.jpgStolperstein für Tomas Rosenberg.jpg Stolperstein für Alexander Gräber.jpgStolperstein für Anna Gräberova.jpg Stolperstein für Ladislav Gotthilf.jpgStolperstein für Waltraut Gotthilfova.jpgStolperstein für Michal Gotthilf.jpg

 "Stolpersteine" (Aufn. Chr. Michelides, 2017, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0)

 

In Altsohl (slow. Zvolen, ung. Zólyom) - etwa 15 Kilometer südlich von Neusohl/Banska Bystrica – war es bis gegen Mitte des 19.Jahrhunderts Juden nicht gestattet, sich in der Stadt niederzulassen. Gegen Ende der 1860er Jahre gründeten die jüdischen Zuwanderer eine Gemeinde, die der reformerischen Richtung angehörte.

Im Jahre 1895 ließ man ein neues Synagogengebäude errichten.

Bildergebnis für zvolen synagoge Synagoge links im Bild, hist. Postkarte

Juden in Altsohl/Zvolen:

--- 1869 ............................  ? Juden,

--- 1880 ............................  ?   “  ,

--- 1910 ........................ ca. 600  “  ,

--- 1922 ........................ ca. 800  “  ,

--- 1940 ........................ ca. 550  “  ,

--- 1942 März ................... ca. 680  “  .

Angaben aus: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 3), S. 1521

und                  Zvolen, aus: dbs.bh.org.il/place/zvolen

Ihre wirtschaftliche Stellung in Zvolen war für den jüdischen Bevölkerungsteil zu Beginn des 20.Jahrhunderts recht bedeutend; neben 60 Geschäften bestanden mehr als 20 Handwerksbetriebe/Produktionsstätten, die in jüdischen Eigentum waren.

In den Zwischenkriegsjahren fasste die zionistische Bewegung auch in der Zvolener jüdischen Gemeinde Fuß; Organisationen wie “Betar”, “Maccabi-ha-Zair” und “Ha-Schomer ha Zair” konnten besonders bei der jüngeren Generation zahlreiche Anhänger gewinnen.

Mit der antijüdischen Gesetzgebung des faschistischen slowakischen Staates verloren die Juden ihre Lebensgrundlage, indem man ihnen ihre Wirtschaftsgrundlage nahm und sie entrechtete; die Männer wurden nun in “Arbeitslagern” zusammengezogen und mussten Zwangsarbeiten leisten.

Für die jüdischen Kinder wurde 1940 eine eigene Schule eingerichtet, da nun öffentliche Schulen nicht mehr besucht werden durften. Durch Zuzüge jüdischer Familien aus Pressburg/Bratislava war zu Beginn 1942 kurzzeitig ein Anstieg jüdischer Stadtbewohner zu verzeichnen. Doch bereits wenige Monate später setzten die Deportationen ein, die die Vernichtungslager auf polnischem Boden zum Ziele hatten.

Die wenigen noch in der Stadt verbliebenen Juden wurden im Winter 1944/1945 von SS-Einheiten und Angehörigen der Hlinka-Garde ermordet, nachdem der Slowakische Nationalaufstand blutig niedergeschlagen worden war.

Nach Kriegsende kehrten ca. 40 - 50 Juden in die Stadt zurück; doch bis 1949 waren die meisten nach Israel emigriert.

Gegenwärtig leben nur sehr wenige Bewohner mosaischen Glaubens in der Stadt; sie gehören der noch bestehenden jüdischen Gemeinde von Banská Bystrica an.

Auf dem jüdischen Friedhof gibt es Massengräber, in denen Juden, Partisanen, Männer, Frauen und Kinder liegen, die nach der Niederschlagung des Slowakischen Nationalaufstandes hier exekutiert worden waren. Gedenktafeln erinnern an alle Opfer der faschistischen Epoche.

Im „Park der edlen Seelen“ - in der Nähe des jüdischen Friedhofs – erinnert heute ein Denkmal an diejenigen slowakischen Bürger, die während der faschistischen Herrschaft Juden gerettet haben.

 

 

Jüdische Ansiedlung im in der zentralen Slowakei liegenden Bergbaudistrikt - also auch um Großrauschenbach (slow. Revuca, derzeit ca. 12.000 Einw.) - wurde erst um die Mitte des 19.Jahrhunderts möglich. Im Ort bildete sich eine kleine Gemeinde, die maximal 130 Angehörige besaß (1910).

Als die Region im November 1939 von Ungarn annektiert wurde, wurde Revuca Sitz eines Distriktrabbinats, zu dem 13 umliegende Ortschaften gehörten; auch eine zentrale jüdische Schule wurde hier eingerichtet.

Im Frühjahr 1942 begann die Deportation des Großteils der jüdischen Bevölkerung; den hier verbliebenen gelang es zu überleben; nach der deutschen Besetzung flüchteten sie in die Wälder und schlossen sich z.T. den dortigen Partisanen an.

 

In der Ortschaft Karpfen (slow. Krupina, ung. Korpona) – ca. 40 Kilometer südlich von Neusohl/Banská Bystrica gelegen – erfolgte erste Sesshaftwerdung jüdischer Familien um 1840/1850. Die alsbald gegründete jüdische Gemeinde (um 1870) verfügte über alle für den Kultus notwendigen Einrichtungen, wie Synagoge, Schule und Friedhof.

Juden in Karpfen/Krupina:

 --- um 1900 .................... ca. 100 Juden,

--- 1940 ....................... ca. 160   “  .

Angaben aus: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 2), S. 682

Um 1940 hatte die Zahl der Gemeindeangehörigen mit ca. 160 Personen ihren Höchststand erreicht; diese wurden nun mit der antisemitischen Gesetzgebung des neuen slowakischen Staates konfrontiert, die zum Verlust ihrer wirtschaftlichen Basis („Arisierung“) führten und im Frühjahr 1942 mit den Deportationen in die Todeslager auf polnischen Boden endeten.

Anmerkung: Bei Karpfen (Krupina) wurde im Frühjahr 1944 für kurze Zeit ein sog. ‘Judenlager’ eingerichtet, das als ‘Vorstufe’ der endgültigen Deportation slowakischer Juden diente. Weitere (größere) Lager dieser Art gab es in Sered, Novaky und Vynhe.

 

 

Beginn jüdischer Ansiedlung in Priwitz (slow. Prievidza, ung. Privigye) - einer Mittelstadt mit derzeit ca. 47.000 Einwohnern, ca. 30 Kilometer westlich von Neusohl/Banská Bystrica entfernt - reicht zurück bis ins beginnende 19. Jahrhundert; erst gegen Mitte des Jahrhunderts erfolgte eine Gemeindegründung. Ein um 1860 eingeweihtes Bethaus, eine wenige Jahre später eingerichtete Elementarschule und ein Friedhof gehörten zu den gemeindlichen Einrichtungen. Nach ihrer Spaltung in eine Status Quo und Reform-Gemeinde (1868) erbaute man gegen Ende des 19.Jahrhunderts eine neue Synagoge.

Juden in Priwitz/Prievidza:

--- 1850 .......................   ?

--- 1880 ................... ca. 310 Juden (ca. 11% d. Bevölk.),

--- 1940 ................... ca. 400   “ .

Angaben aus: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 2), S. 1027

In den 1920er Jahren besaßen jüdische Gewerbetreibende mehr als 40 Geschäfte, etwa zehn Handwerksbetriebe und einige Fabriken Mit der Errichtung des faschistischen slowakischen Staates wurden die hiesigen Juden aus ihren angestammten Geschäften gedrängt, Männer zu Zwangsarbeiten herangezogen.Ende März 1942 setzten die Deportationen ein: ca. 150 junge Männer und Frauen wurden nach Majdanek bzw. Auschwitz verschleppt. Einige Monate später ereilte das gleiche Schicksal weitere ca. 270 Menschen, die in Ghettos und Vernichtungslager auf polnischen Boden deportiert wurden. Den wenigen in der Stadt verbliebenen Juden gelang es, nach der deutschen Okkupation sich in Sicherheit zu bringen.

Mehrere "Stolpersteine" erinnern an jüdische NS-Opfer.

 Stolperstein für Izak Hellmann (Prievidza).jpgStolperstein für Matilda Hellmannova (Prievidza).jpg Stolperstein für Felix Rosenthal (Prievidza).jpgStolperstein für Berta Rosenthalova (Prievidza).jpg Stolperstein für Jozef Werner (Prievidza).jpg Stolperstein für Margita Wernerova (Prievidza).jpg Stolperstein für Judita Wernerova (Prievidza).jpgStolperstein für Erika Wernerova (Prievidza).jpg

Aufn. Chr. Michelides, 2017, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0

 

 

Weitere Informationen:

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust, New York University Press, Washington Square, New York 2001, Vol. 1, S. 85/85 (Banska Bystrica) und Vol. 2, S. 682 (Krupina/Karpfen)u. S. 1026/1027 (Prievidza/Priwitz) und Vol. 3, S. 1071/1072 (Großrauschenbach/Revuca) und S. 1521 (Altsohl/Zvolen)

History of the Jewish Community in Banja Bystrica, Hrg. Beit Hatfutsot – Museum of the Jewish People, abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/banska-bystrica

History of the Jewish Community of Zvolen, Hrg. Beit Hatfutsot – Museum of the Jewish People, abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/zvolen

Zvolen. The Parc of Generous Souls, in: slovak-jewish-heritage.org

Židovský cintorín Prievidza – בית הקברות היהודי – Jewish Cemetery in Prievidza, online abrufbar unter: zilina-gallery.sk

Maros Borský, Synagogue Architecture in Slovakia towards creating a memorial landscape of lost community, Dissertation (Hochschule für Jüdische Studien in Heidelberg), 2005, S. 154/155 (Altsohl) und S. 191/192 (Neusohl)

Auflistung der in Banská Bytrica verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: commons.wikimedia.org/wiki/Category:Stolpersteine_in_Banská_Bystrica

Auflistung der in Prievidza verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_im_Trenčiansky_kraj