Pretzfeld (Oberfranken/Bayern)

Datei:Pretzfeld in FO.svg Pretzfeld ist ein Markt mit derzeit ca. 2.500 Einwohnern in der Fränkischen Schweiz im oberfränkischen Kreis Forchheim - ca. zehn Kilometer nordöstlich der Kreisstadt (Kartenskizze 'Landkreis Forchheim', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Erste urkundliche Belege über Ansiedlungen von Juden in Pretzfeld stammen aus dem 14. und 15.Jahrhundert; doch vermutlich lebten bereits nach 1300 Juden im Dorf, die vor einem Pogrom aus Nürnberg geflüchtet waren. Um die Mitte des 15.Jahrhunderts sollen in Pretzfeld sieben jüdische Geldverleiher gelebt haben, die den Herren von Wiesenthau und Bewohnern der Umgebung Darlehen zur Verfügung stellten. Während des Dreißigjährigen Krieges verließen die jüdischen Familien Pretzfeld, um in mauernumwehrten Städten Schutz zu suchen; erst nach Kriegsende kamen Juden wieder ins Dorf. Kleinkramhandel und später Handel mit Vieh in der Region sicherten den bescheidenen Lebensunterhalt der Juden. Als Schutzjuden unterstanden sie unterschiedlichen Grundherrschaften. Nachdem sich die Spannungen zwischen christlichem und jüdischem Bevölkerungsteil abgebaut hatten, gelang den Juden die Integration in die Dorfstrukturen; als Händler versorgten sie die Bauern mit Gütern des alltäglichen Bedarfs.

Bereits im 17.Jahrhundert muss es in Pretzfeld eine Synagoge gegeben haben, der auch eine Mikwe angeschlossen war. In der Pfarrbeschreibung von 1624 wurde aufgeführt: " dann außerhalb des Schlosses im Dorf an der Stiebar'schen Vogteibehausung von hintenwärts in einem Winkel zwischen anderen gemeinen Häusern, wo zuvor ein Stadel gestanden, jetzt eine jüdische Synagoge oder Schul, von welcher 'Wolfsspeluncken' der Junker Georg Sebastian Stiebar jährlich ein ansehnliches Stadtgeltt und Aufhebens hat"

Seit 1826 gab es in Pretzfeld am Schlossberg eine jüdische Schule, die anfänglich von ca. 30 Kindern besucht wurde. Über den Zustand des Schulgebäudes liegt aus dem Jahre 1832 eine Schilderung vor, in der es u.a. hieß: ... Das Lehrzimmer der israelitischen Religionsschule dahier ist neben der Synagoge zur ebenen Erde, kalt, feucht, ungesund, mit einem schlechten Ofen versehen und kann im Winter ohne einen bedeutenden Holzaufwand nicht benützt werden. Der Lehrer hält also während der Wintermonate, über eine Stiege, in seinem Wohnzimmer Schule, und hat dieses bisher lediglich aus gutem Willen getan, um der jüdischen Gemeinde die Heizungskosten zu ersparen. ... Da aber dieses Schulehalten im Wohnzimmer mit mancherlei Nachteilen und Unannehmlichkeiten verbunden ist, so ist sehr zu wünschen, daß das Lehrlokal verbessert und das Holz zur Beheizung desselben durch die israelitische Gemeinde beigeschafft werde. ...

Nach Auflösung der jüdischen Gemeinde 1866 gingen die Gemeindeeinrichtungen in Privathand über; während das ehemalige Schulgebäude als Scheune genutzt wurde, ließ der Eigentümer das Synagogengebäude um 1895 abreißen.

Der mit einer Mauer umschlossene Friedhof der Pretzfelder Judenschaft befand sich in exponierter Lage auf dem 460 Meter hohen „Judenberg“, etwa zwei Kilometer vom Ort entfernt; er wurde vermutlich in der ersten Hälfte des 17.Jahrhunderts angelegt und war zu jener Zeit zentraler Begräbnisplatz des unteren Trubachtales; der älteste vorhandene Stein trägt die Jahreszahl 1732. Zusammen mit Verstorbenen aus anderen Ortschaften des Forchheimer Landes - so aus Gaiganz, Hausen, Hirschaid, Mittelehrenbach, Oberehrenbach, Oberweilersbach-Mittelweiler und Pinzberg - fanden hier verstorbene Pretzfelder Juden ihre letzte Ruhe. Die letzte Beerdigung fand hier im Jahre 1894 statt.

Die Gemeinde unterstand dem Distriktrabbinat von Hagenbach.

Juden in Pretzfeld:

         --- 1593 ..........................  3 jüdische Familien,

    --- 1605 .......................... 17 jüdische Familien,

    --- um 1625 ................... ca. 35     “       “   (ca. 190 Pers.),

    --- um 1770 .......................  7     “       “   (ca. 30 Pers.),

    --- 1801 .......................... 10     “       “    ,

    --- 1811 .......................... 65 Juden (ca. 9% d. Bevölk.),

    --- 1824 .......................... 87   “   (ca. 11% d. Bevölk.),

    --- 1840 .......................... 78   “  , 

    --- 1852 .......................... 48   “  ,

    --- 1875 ..........................  8   “  ,

    --- 1900 ..........................  4   “  ,

    --- 1925 ..........................  keine.

Angaben aus: Josef Seitz, Pretzfeld, in: Jüdisches Leben in der Fränkischen Schweiz, S. 359

 

In den 1840er Jahren wanderten Juden zunehmend aus Pretzfeld ab. 20 Jahre später war die Mitgliederzahl der Gemeinde so gering, dass ein Minjan nicht mehr zustande kam. 1866 wurde die Judengemeinde Pretzfeld offiziell aufgelöst.

Während der Ausschreitungen des November 1938 war das Pretzfelder Schloss* Ziel blindwütiger Zerstörung; die Anlage gehörte nämlich dem bereits 1937 nach Großbritannien emigrierten jüdischen neoimpressionistischen Maler Curt Herrmann. Nachdem angetrunkene NSDAP-Anhänger ins Gebäude eingedrungen waren, zerschlugen sie alle Fenster und wertvolle Einrichtungsgegenstände. Eine Brandlegung des Schlosses konnte jedoch verhindert werden.

* Das Schloss Pretzfeld war um 1850 vom Grafen von Seinsheim an den jüdischen Großhändler Joseph Kohn aus Nürnberg verkauft worden. Nach dessen Tod teilten sich seine beiden Töchter Lina Herz und Maria Wimpfheimer die Besitzrechte. Lina Herz stiftete im Jahre 1894 ein Wohnhaus zur Errichtung einer Kleinkinderbewahranstalt und eine Winterschule für Mädchen. Dafür erhielt sie von der bürgerlichen Gemeinde Pretzfeld 1918 das Ehrenbürgerrecht.

Im Frühjahr 1948 fand gegen neun beim Novemberpogrom 1938 Beteiligte ein Prozess vor dem Landgericht Bamberg statt; sieben Angeklagte wurden zu Gefängnisstrafen verurteilt.

 

Heute erinnert der mit etwa 200 Grabsteinen besetzte jüdische Friedhof an die ehemalige jüdische Gemeinde von Pretzfeld; das letzte Begräbnis war das von Wolf Heller (1894).

Die mehr als 7.000 m² große Begräbnisstätte wurde wiederholt geschändet, so Ende der 1920er Jahre und dann wieder in den 1990er Jahren. Während der NS-Zeit soll es hier aber keine Zerstörungen gegeben haben. Erst nach 1945 wurde ein Teil der Grabsteine als Baumaterial abgeräumt, nur die wenigsten wurden wieder aufgefunden, zurückgebracht und auf dem Gelände aufgereiht.

 

Der großflächige jüdische Friedhof von Pretzfeld (Aufn. Jan Eric Loebe, 2011, aus: commons.wikimedia.org, CC-BY 3.0)

Eine Tafel am jüdischen Friedhof – erstellt von der „Lokalen Aktionsgruppe Kulturerlebnis Frankische Schweiz e.V.“ - informiert über die Historie der ehemaligen Gemeinde und ihres Begräbnisplatzes.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20123/Pretzfeld%20Mikwe%20017.jpg Die Jahrhunderte überdauert hat die Mikwe von Pretzfeld auf einem Grundstück "Am Schlossberg"; sie zählt zu den ältesten Judenbädern Nordbayerns und soll aus dem 14.Jahrhundert stammen. Ende der 1990er Jahre wurde das 'Bauwerk' mit erheblichem Kostenaufwand restauriert (obige Aufn. Jürgen Hanke, 2003).

 

 

 

Nur wenige Kilometer südlich Pretzfelds existierte im Dorfe Oberweilersbach im 18. und 19.Jahrhundert eine jüdische Gemeinde; um 1850 umfasste diese etwa 100 Personen. Die jüdischen Familien, die vor allem vom Handel mit Vieh und Schnittwaren lebten, bewohnten anfänglich den ‚Judenhof’, später auch Häuser im Dorfe. Seit ca. 1720 ist ein Betraum im Schlosse nachweisbar, der von dem damaligen Rittergutsbesitzer den jüdischen Familien zur Verfügung gestellt worden war. Nach Abbruch des Schlosses richtete man einen neuen Synagogenraum ein. Trotz einsetzender Abwanderung wurde 1865 die Synagoge noch renoviert. Mitte der 1870er Jahre löste sich die Gemeinde völlig auf.

[vgl. Mittelweilersbach (Bayern)]

 

 

 

Im ehemals reichsritterschaftlichen Dorf Egloffstein – südöstlich von Pretzfeld gelegen – war im 18./19.Jahrhundert eine kleine jüdische Gemeinde existent, die sich stets nur aus sehr wenigen Familien zusammensetzte (mit max. 30 Pers.) und Schutzbriefe der Freieherren von Egloffstein besaßen. Ein erster urkundlich gestützter Nachweis, das Juden in Egloffstein gelebt haben, stammt aus der Zeit nach dem Dreißigjährigen Krieg. Um 1730 sind sechs Anwesen von Juden genannt. Vieh- und Hausierhandel bildeten deren schmale Lebensgrundlage der – laut Matrikelliste (1820) - aus sieben Haushalten bestehenden Kleinstgemeinde.

https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2098/Egloffstein%20Synagoge%20101.jpgGottesdienstliche Zusammenkünfte fanden in einem Raum eines Privathauses, danach in einem unauffälligen Gebäude (in der 'Judenschul' unterhalb der Burg) statt, das auch als Lehrerwohnung und für schulische Zwecke genutzt wurde (Haus rechts im Bild, Aufn.um 1955, aus: K. Guth). Nach 1850/1860 war die Kleinstgemeinde in Auflösung begriffen; die wenigen noch im Dorf verbliebenen Juden wurden der Gemeinde Wannbach zugewiesen. In den 1860er Jahren wurde das Synagogengebäude verkauft. Drei Jahrzehnt sollen im Dorf keine Juden mehr gelebt haben. Verstorbene Gemeindeangehörige fanden auf dem jüdischen Friedhof in Pretzfeld, später dann in Hagenbach ihre letzte Ruhe.

Anmerkungen: Am Zugang zur ehemaligen "Judengasse" (Aufgang Burgsteig) befindet sich eine Informationstafel mit ff. Text: "Tropfhäuser. Die sogenannten 'Tropfhäuser' sind in Egloffstein besonders häufig anzutreffen. Sie sind typisch für die reichsritterschaftliche Dorfentwicklung, die besonders nach dem Dreißigjährigen Krieg darauf abzielte, möglichst viele Handwerker und Gewerbetreibende in den Rittergütern anzusiedeln. Es handelt sich um Klein- bzw. Kleinstanwesen mit einem verschwindend geringen Grundbesitz. Der Begriff 'Tropfhaus' leitet sich davon ab, dass die Eigentümer eines Grundstück nur so viel Land haben, wie unter den Tropf, also die Regenrinne passt. Die Redensart vom 'armen Tropf' lässt sich ebenfalls so erklären.
Alleine vier dieser kleinen Tropfhäuser liegen in der Gasse nebeneinander. Die Gasse wurde früher Judengasse genannt, da hier - v.a. im 19. Jahrhundert - jüdische Einwohner Egloffsteins wohnten. Aber diese wohnten nicht für sich, sondern neben den anderen Einwohnern Egloffsteins, die auch nur Tropfhäuser hatten. Typisch für die Tropfhäuser war zudem, dass die Bewohner sehr oft wechselten.
1848 lebten in vier nebeneinanderliegenden Tropfhäusern einer Gasse die Witwe des Jakob Tuchner (geb. Kohnfelder), Johann Albert, Löw Salomon Kohnfelder und Johann Hübschmann. Die Namen lassen deutlich die gemischten Wohnverhältnisse zwischen Juden und Christen erkennen."

Das ehemalige Synagogengebäude (im Malerwinkel) ist baulich noch erhalten und dient seit mehr als 150 Jahren als Wohnhaus.

 

 

 

Weitere Informationen:

Michael Nitz, Die Mikwe in Pretzfeld, in: "Ars Bavarica", No.27/28 (1992), S. 143 - 146

Klaus Guth (Hrg.), Jüdische Landgemeinden in Oberfranken (1800 - 1942) - Ein historisch-topographisches Handbuch, Bayrische Verlagsanstalt Bamberg, Bamberg 1988, S. 144 ff., S. 236 – 243 und S. 270 - 282

Christoph Daxelmüller, Jüdische Kultur in Franken, Würzburg 1988

Israel Schwierz, Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern - Eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1992, S. 232/233

Josef Seitz, Pretzfeld , in: Jüdisches Leben in der Fränkischen Schweiz, Schriftenreihe des Fränkische-Schweiz Vereins, Band 11, Palm & Enke, Erlangen 1997, S. 343 - 392

Georg Knörlein, Jüdisches Leben im Forchheimer Land, Verlag Medien + Dialog Klaus Schubert, Haigerloch 1998, S. 7 (Egloffstein) und S. 15/16 (Pretzfeld)

Michael Trüger, Der jüdische Friedhof in Pretzfeld, in: "Der Landesverband der Israelitischen Kultusgemeinden in Bayern", 14.Jg., No. 79/1999, S. 19

Pretzfeld, in: alemannia-judaica.de

Egloffstein, in: alemannia-judaica.de

Bärbl Völkl (Bearb.), Bildersturm an idyllischem Ort – Erinnerung an die Reichskristallnacht in der Fränkischen Schweiz, aus: „Nordbayrischer Kurier Bayreuth“ vom 10./11.11.2001

Michael Nitz, Die Mikwe in Pretzfeld, in: Volker Liedke (Hrg.), Ars Bavarica - Gesammelte Beiträge zur Kunst, Geschichte, Volkskunde und Denkmalpflege in Bayern und in den angrenzenden Bundesländern, Bd. 27/28, S. 143 - 147

Herbert Liedel/Helmut Dollhopf, Jerusalem lag in Franken. Synagogen und jüdische Friedhöfe, Echter-Verlag GmbH, Würzburg 2006, S. 120/121

Hans-Peter Süss, Jüdische Archäologie im nördlichen Bayern. Franken und Oberfranken, in: "Arbeiten zur Archäologie Süddeutschlands", Band 25, Büchenbach 2010, S. 104 - 106