Saffig (Rheinland-Pfalz)
Saffig ist eine Kommune mit derzeit ca. 2.200 Einwohnern im Landkreis Mayen-Koblenz, die der Verbandsgemeinde Pellenz angehört – ca. sechs Kilometer von Andernach/Rhein entfernt (Ausschnitt aus hist. Karte ohne Karteneintrag von Saffig, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Landkreis Mayen-Koblenz', aus: ortsdienst.de/rheinland-pfalz/mayen-koblenz).
Die erste urkundliche Erwähnung eines Saffiger Juden namens Saeckel datiert von 1587; als Schutzjude der einflussreichen mittelrheinischen Adelsfamilie von der Leyen war ihm hier die Ansiedlung erlaubt worden. Die Bildung einer Gemeinde muss im ausgehenden 18.Jahrhundert erfolgt sein; deren Angehörigenzahl erreichte aber zu keiner Zeit mehr als 70 Personen.
Bis Mitte des 19.Jahrhunderts nutzte die kleine jüdische Gemeinschaft vermutlich einen Betraum in einem der Privathäuser. 1858 wurde dann am Klöppelsberg - in der Nähe des alten Ortskerns - ein Synagogengebäude errichtet; die Frauen verfolgten die Gottesdienste von einer hölzernen Empore aus. Zu dieser Zeit hatte auch die Saffiger Judenschaft ihren zahlenmäßigen Höchststand erreicht; sie besaß damit mehr Mitglieder als die protestantische Minderheit im Ort.
Synagoge von Saffig (Aufn. Klaus Graf, 2006, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 2.5)
Mit der Finanzierung des Synagogenbaus hatte sich die kleine jüdische Gemeinde übernommen. Es dauerte mehr als ein Vierteljahrhundert, bis die aufgenommenen Baukredite zurückgezahlt werden konnten. Ab Mitte der 1860er Jahre gehörten die Saffiger Juden zur Synagogengemeinde Andernach; Jahre später erhielten die Juden Saffigs ihre Autonomie zurück und bildeten eine eigene Kultusgemeinde.
Für die Erledigung religiöser gemeindlicher Aufgaben war zeitweise ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war. Besondere Erwähnung verdient Emanuel Bermann, der 1881 sein 50jähriges Jubiläum als Kantor/Vorbeter begehen konnte. Hierzu erschien der folgende Kurzbericht in der Zeitschrift "Der Israelit":
aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 21.Dez. 1881
Die jüdischen Kinder besuchten die hiesige katholische Dorfschule; Hebräisch- und Religionsunterricht erteilte ein jüdischer Lehrer aus dem nahen Andernach.
Der Begräbnisplatz der Saffiger Juden lag abseits vom Dorf an der Straße nach Miesenheim; hier wurden auch die verstorbenen jüdischen Bewohner aus Miesenheim und Plaidt beerdigt.
Juden in Saffig:
--- 1806/08 .......................... 28 Juden,
--- 1825 ............................. 38 “ ,
--- 1837 ............................. 52 “ ,
--- 1863 ............................. 67 " (ca. 10% d. Bevölk.),
--- 1933 ............................. 20 " (in 7 Familien),
--- 1942 (Jan.) ...................... 6 " ,
--- 1943 ............................. keine.
Angaben aus: Helmut Bäuerle, Zur Geschichte der Juden in Saffig
und Saffig, in: alemannia-judaica.de
Fast alle jüdischen Familien waren ab der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts weitgehend in die dörfliche Gemeinschaft integriert. Sie lebten mehr schlecht als recht vom regionalen Viehhandel. Erst um die Jahrhundertwende besserte sich ihre ökonomische Situation. Nach dem Ersten Weltkrieg dezimierte sich die Saffiger jüdische Gemeinde, da jüngere Gemeindemitglieder in größere Städte abwanderten. Ab Mitte der 1920er Jahre kam kein Minjan mehr zustande.
Der Nationalsozialismus fand im katholisch geprägten Saffig bis Ende der Weimarer Republik wenig Anhänger; dies änderte sich nach der NS-Machtübernahme. Die meisten jüdischen Familien verließen nun das Dorf; nur ältere Menschen blieben zurück. Während des Pogroms am 10. Nov. 1938 verwüstete ein SA-Trupp aus Mayen die Inneneinrichtung des Synagogengebäudes; vor dem Eingang verbrannte man die Gegenstände. Das Bethaus wurde nicht in Brand gesteckt; nach der formellen Auflösung der Gemeinde ging das Gebäude für 270 RM (!) in den Besitz der Kommune über, die es als Geräteschuppen nutzte. Die letzten sechs noch in Saffig verbliebenen jüdischen Bewohner wurden im Laufe des Jahres 1942 deportiert.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." fielen sieben gebürtige bzw. länger in Saffig lebende jüdische Bewohner dem Holocaust zum Opfer (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe. alemannia-judaica.de/saffig_synagoge.htm).
Auf dem bis ca. 1940 als Verbandsfriedhof der jüdischen Gemeinden in Saffig, Miesenheim und Plaidt genutzten Begräbnisgelände sind heute noch ca. 65 Gräber erkennbar, die in fünf Reihen angeordnet sind.
Jüdischer Friedhof Miesenheim/Saffig (Aufn. J. Hahn, 2007)
Mitte der 1980er Jahre erwarb der „Förderkreis Synagoge Saffig e.V.“ das alte Synagogengebäude und restaurierte es. Seit 1991 dient der seit 1984 unter Denkmalschutz stehende Bau als Mahnmal und Kultur- u. Begegnungsstätte.
Synagogengebäude und Inschrifttafel über dem Eingangsportal (beide Aufn. B. Kukatzki, 2011)
Eine basaltene Tafel neben dem Eingang trägt die Inschrift:
Höre, Israel ! Der Herr, unser Gott, ist einzig. (Dtn 6,4)
Zum Gedenken an unsere jüdischen Mitbürger, Opfer der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft, 1933 - 1945
Seit 2008 fanden in dem Gebäude auch wieder regelmäßig jüdische Gottesdienste und Veranstaltungen der Jüdischen Gemeinde Neuwied - Mittelrhein statt; nach Auflösung der Gemeinde (2021) schien eine weitere Nutzung des Gebäudes zunächst ungewiss, doch mit den für 2024 geplanten Sanierungsmaßnahmen soll dann eine Nachnutzung ermöglicht werden.
Seit 2008 gibt es in Saffig sechs sog. „Stolpersteine“, die in der Neustraße und Zeibgasse an deportierte/ermordete ehemalige jüdische Ortsbewohner erinnern.
drei Stolpersteine in der Neustraße (Aufn. aus: waymarking com)
Weitere Informationen:
Wilfried Marbach, Jüdisches Erbe in Saffig, (Manuskript), Zell a. See 1985 (Anm.: befindet sich als Original in der Hochschule für Jüdische Studien, Heidelberg)
Wilfried Marbach, Jüdisches Erbe in Saffig, in: "Heimatjahrbuch des Kreises Mayen-Koblenz 1985", Koblenz 1986, S. 88 - 94
Förderkreis Synagoge e.V. (Hrg.), Festschrift zur Wiedereröffnung der ehemaligen Synagoge von Saffig am 12.Mai 1991, Saffig 1991
Andreas Britz, Die jüdische Gemeinde Saffig und ihre Synagoge, in: "SACHOR - Beiträge zur Jüdischen Geschichte und zur Gedenkstättenarbeit in Rheinland-Pfalz", Heft 8, 3/1994, S. 9 - 14
Helmut Bäuerle, Zur Geschichte der Juden in Saffig, Maschinenmanuskript 1994
Dan Z. Bondy/Martin Roggatz, Dokumentation des jüdischen Friedhofs in Miesenheim, in: "SACHOR - Beiträge zur jüdischen Geschichte und zur Gedenkstättenarbeit in Rheinland-Pfalz", 6. Jg., Ausgabe 2/96, Heft Nr. 12, S. 65 - 72
Andreas Britz, Zeugnis jüdischer Kultur. Synagoge in Saffig hält Erinnerung an die Geschichte wach, in: "Eifel-Jahrbuch 2000", S. 108 f.
Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 330 - 332
Saffig, in: alemannia-judaica.de (mit einigen Text- u. zahlreichen Bilddokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Auflistung der in Saffig verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Saffig
Kommune Saffig (Bearb.), Synagoge und Stolpersteine, online abrufbar unter: saffig.de/wissenswertes/synagoge-und-stolpersteine/
Martina Koch (Red.), Die Saffiger Synagoge ist in Gefahr: Wie lässt sich die Sanierung stemmen? in: „Rhein-Zeitung“ vom 8.11.2018
Liselotte Sauer-Kaulbach (Red.), Das Ende einer wechselvollen Geschichte: Jüdische Gemeinde Neuwied-Mittelrhein ist aufgelöst, in: „Rhein-Zeitung“ vom 4.2.2021
Ministerium für Wissenschaft und Gesundheit Rheinland-Pfalz (Hrg.), Land und Bund fördern die Sanierung der Synagoge in Saffig, Pressemeldung vom 5.7.2023
Martina Koch (Red.), Förderkreis sammllete Geld: Jetzt wird die Saffiger Synagoge wegen Feuchtigkeitsschäden saniert, in: „Rhein-Zeitung“ vom 24.11.2023
Martina Koch (Red.), Starkes Bündnis für die Saffiger Synagoge: Zuschüsse und Spenden ermöglichen Sanierung, in: „Rhein-Zeitung“ vom 29.1.2024