Schweinshaupten (Unterfranken/Bayern)
Die derzeit von ca. 200 Menschen bewohnte Ortschaft Schweinshaupten ist seit 1978 ein Ortsteil der Kommune Bundorf (Kreis Hassberge) – zwischen Coburg (im NO) und Schweinfurt (im SW) gelegen (Karte von Unterfranken, aus: bezirk-unterfranken.de und Kartenskizze 'Landkreis Hassberge', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).
Die Anfänge der Kultusgemeinde in Schweinshaupten liegen im beginnenden 18.Jahrhundert, als die Freiherren von Fuchs einzelnen Juden Schutzbriefe ausstellten. Eine organisierte Gemeinde soll dan ab 1740/50 bestanden haben
Bei der Erstellung der Matrikel (1817) waren für Schweinshaupten 32 Familienoberhäupter aufgelistet, deren Haupterwerb im Vieh-, Schnitt- und Kleinhandel lag. Die zum Bezirksrabbinat Burgpreppach gehörende Gemeinde erreichte ihren zahlenmäßigen Höchststand mit fast 200 Mitgliedern in den 1830er Jahren; ihre Angehörigen stellten seinerzeit immerhin etwa ein Drittel der Dorfbevölkerung.
Zu den Einrichtungen der Gemeinde zählten ein Gemeindehaus mit Synagoge, Mikwe und Lehrerwohnung sowie ein am östlichen Ortsrand liegendes Bestattungsgelände, das 1869 angelegt wurde; zuvor waren die Verstorbenen auf dem Bezirksfriedhof in Kleinsteinach bestattet worden.
In der um 1750 eingerichteten Synagoge wurden alte, aus den ersten Jahren der Gemeinde stammende Thorawimpel und ein Chanukkaleuchter aufbewahrt. Zur Besorgung religiöser Aufgaben hatte die Kultusgemeinde einen Lehrer angestellt.
aus: „Der Israelit“ vom 13.3.1894 und 25.7.1901
Gemeinsam mit den wenigen Juden aus Sulzdorf a.d.Lederhecke bildete man zu Beginn des 20.Jahrhunderts einen gemeinsamen Schulsprengel.
Mit mehreren Vertretern der Familie Sonn (insbesondere Mosche Sonn, 1789−1856) lebten in Schweinshaupten angesehene rabbinische Autoritäten.
Juden in Schweinshaupten:
--- 1720 ......................... 4 jüdische Familien,
--- 1808 ......................... 15 " " (mit 115 Pers.),
--- 1813 ......................... 134 Juden (ca. 32% d. Dorfbev.),
--- 1830 ......................... 187 “ ,
--- 1839 ..................... ca. 200 “ (in 31 Familien),
--- 1867 ......................... 64 “ ,
--- 1875 ......................... 48 “ ,
--- 1890 ......................... 56 “ ,
--- 1900 ......................... 54 “ (ca. 16% d. Bevölk.),,
--- 1910 ......................... 43 “ ,
--- 1925 ......................... 25 “ ,
--- 1933 ......................... 13 “ ,
--- 1935 ......................... 10 “ ,
--- 1938 ......................... 3 “ ,
--- 1940 ........................ keine.
Angaben aus: Baruch Z.Ophir/F. Wiesemann (Hrg.), Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945, S. 402
und Cordula Kappner, Aus der jüdischen Geschichte des heutigen Landkreises Hassberge
und W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine … - Synagogengedenkband Bayern, Teilband III/2.1: Unterfranken, S. 574
Nach Mitte des 19.Jahrhunderts setzte - wie fast überall in den fränkischen Landgemeinden - eine starke Abwanderungsbewegung ein, die die Zahl der Gemeindeangehörigen innerhalb kürzester Zeit erheblich dezimierte. Neben der Emigration ins überseeische Ausland vor allem jüngerer Menschen spielten bessere wirtschaftliche Perspektiven in den größeren Städten für die Abwanderung eine entscheidende Rolle.
Mitte der 1930er Jahre löste sich die jüdische Gemeinde ganz auf. Das Gemeindehaus wurde 1937/1938 weit unter Preis an eine Privatperson verkauft; Jahre später wurde das Gebäude abgerissen und das frei gewordene Gelände als Gartenland genutzt.
Während des Novemberpogroms sollen einige Jugendliche aus dem Dorf die nicht mehr genutzte Synagoge demoliert sowie verbliebene Bücher aus dem Gemeindehaus auf die Straße geworfen haben. Auch ein Wohnhaus einer jüdischen Familie wurde beschädigt.
Anfang 1940 lebten keine jüdischen Einwohner mehr in Schweinshaupten.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem wurden 13 gebürtige bzw. länger am Ort wohnhaft gewesene Juden aus Schweinshaupten Opfer des Holocaust (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/schweinshaupten_synagoge.htm).
Jüdischer Friedhof (Aufn. S., 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Auf dem auf einer kleinen Anhöhe am Waldrand liegenden jüdischen Friedhof in Schweinshaupten sind etwa 110 Grabsteine - viele stark verwittert - erhalten geblieben. Nahe des Friedhofs wurde auf einem Stein eine Gedenktafel mit folgendem Wortlaut angebracht:
In SCHWEINSHAUPTEN
bestand bis 1935 eine jüdische Kultusgemeinde.
Zur ERINNERUNG und MAHNUNG.
Weitere Informationen:
A. Mannheimer, Reb Mosche Sonn in Schweinhaupten (Unterfranken). Ein jüdisch bayrisches Lebensbild vom vorigen Jahrhundert, in: "Der Israelit", Ausgabe vom 28.7.1933
Baruch Z.Ophir/F. Wiesemann (Hrg.), Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, Oldenbourg-Verlag, München/Wien 1979, S. 402/403
Israel Schwierz, Steinerne Zeugen jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1992, S. 121/122
Cordula Kappner, Aus der jüdischen Geschichte des heutigen Landkreises Haßberge, Hrg. Landratsamt Haßberge, Haßfurt 1998
Schweinshaupten, in: alemannia-judaica.de
Peter C. Plett,Schweinshaupten in Unterfranken, Geschichte des Ortes von den Anfängen bis zum Jahre 2000, Selbstverlag, Schweinshaupten 2002
Dirk Rosenstock (Bearb.), Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle, in: "Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg", Band 13, Würzburg 2008, S. 158/159
Lothar Mayer, Jüdische Friedhöfe in Unterfranken, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2010, S. 172 - 175
Landkreis Haßberge (Hrg.), Die jüdischen Friedhöfe im Landkreis Haßberge (Neubearbeitung), Haßberge 2014
Axel Töllner/Hans-Christof Haas (Bearb.), Schweinshaupten, in: W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine … - Synagogengedenkband Bayern, Teilband III/2.1: Unterfranken, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2021, S. 565 - 576