Vörden (Nordrhein-Westfalen)

Datei:Marienmünster in HX.svg   Vörden ist mit derzeit ca. 1.300 Einwohnern heute der zweitgrößte Stadtteil und zentrale Ort in Marienmünster im Kreis Höxter (Kartenskizzen 'Kreis Höxter', TUBS 2008, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0  und  'Stadtgliederung von Marienmünster', aus: wikipedia.org, CCO).

Vörden 1665 - Gemälde C.F. Fabritius (aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

In den Dörfern um Marienmünster lebten stets nur wenige Juden; Vörden war neben Löwendorf das Dorf mit den meisten jüdischen Familien. Erstmals wurde die Existenz eines Juden in Vörden 1704 erwähnt. In diesem Jahre stellte der Landesherr, der Fürstbischof von Paderborn Franz Arnold, ein „General Glaidt für die Judenschafft des Stiffts Paderborn“ aus, in dem detailliert Regeln zum Aufenthalt der Juden im Hochstift, zu ihrem Verhältnis zur christlichen Bevölkerungsmehrheit und ihrer wirtschaftlichen Betätigung festgelegt wurden. Stets umfasste die Synagogengemeinde Vörden, die sich 1841 konstituierte, nie mehr als 50 Angehörige. Zur Gemeinde gehörten ab 1854 auch die wenigen Juden aus Bredenborn und Papenhöfen. Gottesdienstliche Treffen fanden in privaten Räumlichkeiten statt, da sich die Gemeinde den Bau eines eigenen Synagogengebäude finanziell nicht leisten konnten. Der Standort der Betstube wechselte häufig; zuletzt befand sich diese im Haus der Familie Bacharach in der Marktstraße. Die jüdischen Kinder am Ort wurden durch einen Privatlehrer unterrichtet.

Das aus dem beginnenden 19.Jahrhunderts stammendes Friedhofsgelände „Im Hogge“ nahm die verstorbenen Vörder Juden auf; der ältest erhaltene Grabstein datiert aus dem Jahre 1824.

Juden in Vörden:

          --- 1704 ............................ eine jüdische Familie,

    --- um 1785 .........................   3 jüdische Familien,

    --- 1802 ............................   5     “       “    ,

    --- 1834 ............................  37 Juden,

    --- 1841 ............................  39   “  ,*    * Synagogengemeinde

    --- 1857 ............................  21   “  ,

    --- 1871 ............................  24   “  ,*    *andere Angabe: 38 Pers.

    --- 1925 ............................  18   “  ,

    --- 1939 ............................   9   “  .

Angabenaus: Elfi Pracht, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen: Teil III: Reg.bez. Detmold, S. 203

 

Die Vördener Juden waren zunächst ausgesprochen arme Leute. Bis Mitte des 19.Jahrhunderts schlugen sie sich als Hausierer und als Lumpensammler durchs Leben; erst danach konnten sie sich eine bescheidene Existenz im Klein- und Einzelhandel aufbauen.

Zu Beginn der 1930er Jahre war die Zahl der jüdischen Einwohner in den Dörfern der heutigen Stadt Marienmünster sehr gering; im Amt Vörden lebten die Juden ausschließlich in den Dörfern Bredenborn und Vörden.

Während der NS-Zeit waren in Vörden und Bredenborn insgesamt nur sechs jüdische Familien wohnhaft. Im Oktober 1938 hieß es in einem Schreiben des NSDAP-Ortsgruppenleiters, dass „eine Zuwanderung jüdischer Familien nach Vörden nicht erwünscht” wäre. Während des Novemberpogroms von 1938 wurden die wenigen jüdischen Dorfbewohner von einem SA-Kommando aus ihren Häusern geholt und nach Höxter verbracht; währenddessen wurden ihre Wohnungen teilweise demoliert. Die Vördener Synagoge wurde schlichtweg „übersehen“ und entging so der Zerstörung. (Anm.: Nach 1938 diente das Gebäude Wohnzwecken; Anfang der 1950er Jahre wurde es teilweise abgerissen, um einer Sparkassenfiliale Platz zu machen.)

Mit einem Deportations-Sammeltransport wurden die allerletzten jüdischen Bewohner von Vörden im März 1942 „in den Osten“ verschleppt. Neun Juden aus Vörden fanden einen gewaltsamen Tod.

 

Heute erinnert noch der kleine jüdische Friedhof mit seinen etwa 35 Gräbern an die frühere Existenz von jüdischen Familien in Vörden.

Mazewot auf dem jüdischen FriedhofFriedhof in Vörden (Aufn. Tsungam, 2016, in: wikipedia-org, CC BY-SA 4.0)

2012 wurde am Sparkassengebäude eine Gedenktafel angebracht, die namentlich an die jüdischen NS-Opfer erinnert

Gedenktafel am ehemaligen Haus Bacharach, Marktstraße 3 – VördenAbb. HKV, aus: Vörden - Stadt Marienmünster

 

 

 

Im Marienmünsterer Stadtteil Löwendorf existierte bis in die 1880er Jahre auch eine winzige jüdische Gemeinschaft, die seit 1854 der Synagogengemeinde Fürstenau zugeordnet war; trotzdem existierte im Dorf ein eigener Betsaal. 1720 fand in Löwendorf erstmals ein jüdischer Bewohner Erwähnung. Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts lebten im Dorf sechs jüdische Familien mit ca. 30 Personen.

Östlich des Dorfes befand sich vermutlich seit dem späten 18.Jahrhundert ein Begräbnisgelände, das die Grundherrschaft zur Verfügung gestellt hatte. Die letzte Beerdigung fand Anfang der 1880er Jahre statt. Heute findet man auf dem ca. 750 m² großen Gelände noch acht Grabsteine, die allerdings nicht mehr auf ihren angestammten Plätzen stehen

          Marienmünster - 2021-09-21 - Jüdischer Friedhof Löwendorf (DSC 3711).jpg Aufn. Tsungam, 2021, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0

 

 

 

Weitere Informationen:

Hildegard Kraft, Die rechtliche, wirtschaftliche und soziale Lage der Juden im Hochstift Paderborn, in: "Westfälische Zeitschrift", No. 94/II (1938), S. 101 – 204

Rudolf Muhs, Die Geschichte der jüdischen Gemeinden und Synagogen im Raum Höxter-Warburg, in: "Jahrbuch Höxter 1989", S. 212

Joseph Büker, Die Juden in den Dörfern der Stadt Marienmünster (1840 - 1945). Eine Dokumentation, Beiträge zu Bevölkerung, Wirtschaft und Kultur der Stadt Marienmünster, Manuskript 1990

E.Grothe/F.Meyer/u.a., Verfolgt - vergast - vergessen. Zur Geschichte der Juden in den Ortschaften der Stadt Marienmünster, Hrg. Arbeitskreis Stadtgeschichte Marienmünster, Verlag für Regionalgeschichte, Bielefeld 1990

Tobias Fechler, 1000 Jahre Löwendorf. Die Heimatchronik eines westfälischen Dorfes, Holzminden 1998

A. Hake, Vörden. Geschichte der Stiftsburg, des Fleckens und der Bauernschaften, Quakenbrück 1998

Elfi Pracht, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen: Teil III: Regierungsbezirk Detmold, J.P.Bachem Verlag, Köln 1998, S. 202 - 205

Michael Brocke (Hrg.), Feuer an dein Heiligtum gelegt - Zerstörte Synagogen 1938 Nordrhein-Westfalen, Ludwig Steinheim-Institut, Kamp Verlag, Bochum 1999, S. 531/532

Ewald Grothe (Red.), Vor 70 Jahren: Ausgrenzung der Juden in Bredenborn, in: „Die Warte“, No.128/2005, S. 27/28

Heinrich Thomas (Red.), „Er war ein solch feiner Mensch“. Zum Gedenken an den jüdischen Arzt Dr. Joseph Kleinstraß, in: „Westfälischer Anzeiger – Heimatblätter Hamm“ vom 17.3.2009

Heinz Wilfert, Die Namen kehren zurück. Gedenktafel für ermordete und emigrierte Juden in Vörden eingeweiht, in: "Westfalen-Blatt" (online-Ausgabe) vom 17.4.2012

Willy Gerking (Bearb.), Marienmünster-Vörden, in: Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinschaften in Westfalen und Lippe. Die Ortschaften und Territorien im heutigen Regierungsbezirk Detmold, Ardey-Verlag, Münster 2013, S. 529 - 535 (incl. Löwendorf)

Fritz Ostkämper (Bearb.), Die Familie Löwendorff aus Löwendorf, hrg. vom Forum Jacob Pins im Adelshof, 2017 (online abrufbar unter: jacob-pins.de/?article_id=354&clang=0)