Aidhausen (Unterfranken/Bayern)

Die beiden Partnerregionen  Datei:Aidhausen in HAS.svg Aidhausen mit derzeit ca. 1.700 Einwohnern ist heute Teil der Verwaltungsgemeinschaft Hofheim im unterfränkischen Kreis Hassberge – ca. 25 Kilometer nordöstlich von Schweinfurt gelegen (Kartenskizzen 'Unterfranken', aus: bezirk-unterfranken.de  und  'Landkreis Hassberge', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Der erste urkundliche Hinweis auf einen in Aidhausen lebenden Juden stammt aus dem Jahre 1595 ("Aidhäuser Dorfordnung"). Die jüdische Gemeinde, die sich vermutlich in der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts hier gebildet hatte, setzte sich aus nur wenigen Familien zusammen, die Schutzbriefe von verschiedenen Grundherrschaften besaßen. In den 1780er Jahren ereigneten sich in Aidhausen judenfeindliche Ausschreitungen, die neben Sachschäden auch schwere körperliche Übergriffe beinhalteten. Erst das spätere Einschreiten des fürstbischöflichen Schutzherrn konnte diesen Gewaltexzessen Einhalt gebieten.

Seit dem Jahre 1869 verfügte die jüdische Gemeinde über eine neuerbaute Synagoge mit Schulraum, Lehrerwohnung und Mikwe; diese ersetzte ein älteres Bethaus (Fachwerkgebäude mit Männerbetsaal u. Frauengalerie), dessen Errichtung 1710/11 dokumentiert ist.

 

                           Ehem. Synagogengebäude mit zwei Eingängen - links für Männer, rechts für Frauen (Aufn. Schwierz, 1987 und J. Hahn, 2007)

Ein von der Gemeinde besoldeter Lehrer verrichtete die kultischen Tätigkeiten des Vorbeters und Schochets.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%2087/Aidhausen%20Israelit%2029111876.jpg Stellenangebot aus "Der Israelit" vom 29.Nov. 1876

Der letzte in Aidhausen tätige Lehrer, Julius Rosenfelder, übte sein Amt - 1878 beginnend - dann mehr als 50 (!) Jahre aus, davon allein in Aidhausen nahezu 45 Jahre - bis zu seinem Tode 1930.

                           aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 3.Nov.1921

Beerdigungen fanden auf dem jüdischen Bezirksfriedhof in Kleinsteinach statt.

Die Kultusgemeinde Aidhausen war Anfang der 1930er Jahre dem Bezirksrabbinat Burgpreppach unterstellt.

Juden in Aidhausen:

         --- um 1700 ........................  8 jüdische Familien,

    --- um 1800 ........................ 12     "        "    (mit ca. 55 Pers.)

    --- 1814 ........................... 41 Juden (ca. 7% d. Bevölk.),

    --- 1835 ........................... 14 jüdische Familien (mit ca. 75 Pers.),

    --- 1867 ........................... 82 Juden (ca. 12% d. Bevölk.),

    --- 1880 ........................... 65   “  ,

    --- 1900 ........................... 53   “  ,   

    --- 1910 ........................... 43   "  ,

    --- 1924 ........................... 37   “   (ca. 5% d. Bevölk.),

    --- 1933 ........................... 23   “  ,

    --- 1939 (Jan.) .................... 19   “   (ca. 3% d. Bevölk.),

    --- 1942 (Febr.) ................... 16   “  ,

             (Juli) .................... keine.

Angaben aus: Baruch Z.Ophir/F. Wiesemann (Hrg.), Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945, S. 248

und                 Cordula Kappner, Aus der jüdischen Geschichte des heutigen Landkreises Hassberge

 

Laut der Matrikellisten von 1817 wurden für Aidhausen zwölf Familienvorstände genannt. Infolge Abwanderung in die Städte ging ab den 1870er Jahren die Zahl der im Dorf lebenden jüdischen Bewohner zurück.

   https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20209/Aidhausen%20Israelit%2021071902.jpg Kleinanzeige des Geschäftes C. Rosenfelder von 1902

Antijüdische Ausschreitungen begannen in Aidhausen schon Ende Oktober 1938, als die Fensterscheiben der Synagoge und jüdischer Wohnhäuser eingeworfen wurden. Während des Novemberpogroms wurde dann auch die Inneneinrichtung der Synagoge samt der Ritualgegenstände zerstört; das Gebäude blieb aber erhalten. Die meisten der noch im Dorf verbliebenen Juden wurden Ende April 1942 nach Würzburg gebracht; dort mussten sie sich einem großen Deportationstransport nach Izbica bei Lublin anschließen. Mit dem Abtransport der letzten fünf Juden nach Schweinfurt Ende Juni 1942 war Aidhausen „judenrein“; drei Monate später mussten sich diese fünf einem Deportationstransport nach Theresienstadt anschließen.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind 27 gebürtige bzw. längere Zeit in Aidhausen wohnhaft gewesene Juden jüdische Personen Opfer des Holocaust geworden (namentliche Nennung der Opfer siehe: alemannia-judaica.de/aidhausen_synagoge.htm).

 

Das nach Kriegsende in Privatbesitz übergegangene Syagogengebäude in der Frankenstraße (frühere Dorfstraße) wurde fortan als Wohnhaus (mit Werkstatt) genutzt. Trotz weitgehender Umbaumaßnahmen sind noch sichtbare Hinweise auf die „Synagogenarchitektur“ erkennbar: so z.B. die Rundbogenfenster und die beiden getrennten Eingänge (für Männer u. Frauen) in die Synagoge (siehe Abb. oben).

Nordfassade der ehem. Synagoge (Aufn. GFreihalter, 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 In der Ortsmitte erinnert ein Gedenkstein mit dort angebrachter -tafel an die einstige jüdische Gemeinde.

In Aidhausen bestand bis 1942 eine jüdische Kultusgemeinde. Synagoge in der Dorfstraße. Zur Erinnerung und Mahnung.

 

 

 

Im wenige Kilometer östlich gelegenen Dorf Friesenhausen existierte im 19.Jahrhundert eine jüdische Gemeinde, die vermutlich in den 1870er Jahren aufgelöst wurde. Bei der Erstellung der Matrikel (1817) waren für Friesenhausen 14 Haushaltsvorstände aufgeführt; Erwerbsgrundlage der jüdischen Familien waren vor allem Schnittwaren- und Viehhandel. Um 1840 waren im Dorf insgesamt 18 jüdische Familien (ca. 80 Personen) wohnhaft.

Zu den gemeindlichen Einrichtungen gehörten eine Synagoge mit Religionsschule und ein rituelles Bad. In Anstellung war ein Lehrer, der neben der religiösen Unterweisung der Kinder auch als Vorbeter und Schächter tätig war. Verstorbene Gemeindeangehörigen wurden auf dem israelitischen Friedhof in Kleinsteinach beerdigt.

Nach Mitte des 19.Jahrhunderts setzte eine rasche Abwanderung der jüdischen Dorfbewohner ein, die alsbald zu einer Auflösung der Gemeinde führte. Der letzte jüdische Dorfbewohner verstarb 1880.

Von den religiösen Einrichtungen (Synagoge/Mikwe) sind bis heute noch Spuren erhalten; so wird das einstige Synagogengebäude in der Drosselgasse als Wohnhaus genutzt.

 

 

Weitere Informationen:

Baruch Z.Ophir/F. Wiesemann (Hrg.), Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, Oldenbourg-Verlag, München/Wien 1979, S. 248/249

Israel Schwierz, Steinerne Zeugen jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1992, S. 32 und S. 58

Cordula Kappner, Aus der jüdischen Geschichte des heutigen Landkreises Hassberge, Hrg. Landratsamt Hassberge, Hassfurt 1998

Arnold Blosl (Hrg.), Gotteshäuser in Aidhausen: Synagoge, Evangelische Kirche St. Martin, Katholische Pfarrkirche St. Peter u. Paul, Aidhausen 2000

Aidhausen, in: alemannia-judaica.de (mit zumeist personenbezogenen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Friesenhausen, in: alemannia-judaica.de

Dirk Rosenstock (Bearb.), Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle, in: "Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg", Band 13, Würzburg 2008, S. 152/153 (Aidhausen) und S. 157/158 (Friesenhausen)

Axel Töllner/Cornelia Berger-Dittscheid (Bearb.), Aidhausen, in: W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine … - Synagogengedenkband Bayern, Teilband III/2.1: Unterfranken, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2021, S. 411 - 423