Albersweiler (Rheinland-Pfalz)

   Jüdische Gemeinde - Landau (Rheinland-Pfalz) Albersweiler mit derzeit ca. 2.000 Einwohnern ist eine Ortsgemeinde im Landkreis Südliche Weinstraße und gehört der Verbandsgemeinde Annweiler am Trifels an – ca. zehn Kilometer westlich von Landau gelegen (Kartenskizze 'Landkreis Südliche Weinstraße', Lencer 2007, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Die jüdische Gemeinde in Albersweiler war im 19.Jahrhundert eine der größeren Kultusgemeinden in der Pfalz.

Früheste Erwähnungen von wenigen Juden im Dorf Albersweiler finden sich in der ersten Hälfte des 16.Jahrhunderts; so wurden 1529 in einer Gültrechnung erstmals Juden am Ort genannt. Diese Albersweiler Juden waren „Schutzjuden“ der Grafen von Löwenstein. Von der Zerstörung und Entvölkerung des Dorfes während des Dreißigjährigen Krieges waren auch die wenigen jüdischen Familien betroffen, und erst mit der Neubesiedlung des Ortes gegen Ende des 17.Jahrhunderts tauchen in der Dorfgeschichte auch wieder Juden auf. Ihren Lebensunterhalt bestritten sie vor allem durch den Weinhandel, der einigen Familien zu Wohlstand verhalf. Der Anteil der Juden an der Dorfbevölkerung - der löwensteinischen und zweibrückischen Seite - dürfte um 1750 mehr als ein Drittel betragen haben.

Im 19.Jahrhundert waren Juden in Albersweiler auch auf dem industriellen Sektor tätig: Eine hier betriebene Zündholzfabrik gehörte ab ca. 1880 zu den größten ihrer Art in Deutschland. Auch ein bedeutendes Unternehmen aus dem Bereich der Steinindustrie befand sich in jüdischem Besitz.

Schon seit Anfang des 18.Jahrhunderts gab es auf der zweibrückischen Seite des Dorfes eine Synagoge, die aber um 1875 abgerissen wurde, um Platz für den Neubau einer jüdischen Schule zu schaffen. Die Synagoge war kein in einem Wohngebäude eingerichteter Betsaal, sondern eine Art altertümlicher Tempelbau, in dem die etwas höher gelegene Frauenabteilung durch ein Gitter vom Bereich der Männer abgetrennt war. In unmittelbarer Nähe der Synagoge befand sich auch eine Mikwe.

neue Synagoge (Bildmitte), Zeichnung Karl Weysser, 1885 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Die neue, im maurischen Stil gestaltete Synagoge an der heutigen Kirchstraße, der früheren Weinstraße, wurde Mitte der 1860er Jahre nach dem Vorbild der Ingenheimer Synagoge erbaut und im Januar 1868 unter großer Beteiligung der Dorfbewohner eingeweiht. Zur Finanzierung des Baues hatte ein aus Albersweiler stammender Jude, der in die USA ausgewandert war, einen größeren Beitrag geleistet.

Synagogenfront Albersweiler (hist. Aufn., vor 1930, aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Für die Verrichtung religiöser Aufgaben hatte die Gemeinde einen Lehrer angestellt; neben der Unterrichtung der Kinder war er auch als Vorbeter und Schächter tätig.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20112/Albersweiler%20Israelit%2019061872.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20112/Albersweiler%20Israelit%2012051898.jpg

Zwei Stellenausschreibungen aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 19.Juni 1872 und 12.Mai 1898

Gegen Mitte des 19.Jahrhunderts wurde eine jüdische Volksschule eingerichtet, die zunächst in dem Raum eines angemieteten Hauses und ab 1877 in einem eigenen Gebäude in der heutigen Hohlstraße untergebracht war. Zuvor hatten die jüdischen Kinder gemeinsam mit allen anderen Kindern des Ortes die Dorfschule besucht. Nur der Religions- und Hebräischunterricht wurde von einem jüdischen Lehrer erteilt, der zugleich auch Vorbeter und Schächter der Gemeinde war. Die zunehmende Ab- und Auswanderung der jüdischen Familien aus dem Orte führte in der Zeit des Ersten Weltkriegs zur Auflösung der Schule.

Verstorbene wurden auf dem jüdischen Friedhof in Annweiler beerdigt.

Die Gemeinde gehörte zum Rabbinatsbezirk Landau.

Juden in Albersweiler:

        --- 1698 ..........................   4 jüdische Familien,

   --- 1718 ..........................  17     “       “    ,

    --- 1733 ...................... ca.  30     “       “   (ca. 300 Pers.),

    --- um 1750 .......................  37     "       "    ,

    --- 1800 ..........................  31     “       “   (ca. 130 Pers.),

    --- 1808 ..........................  41     “       “   (177 Pers.),

    --- 1825 .......................... 221 Juden (ca. 12% d. Bevölk.),

    --- 1848 .......................... 271   “  ,

    --- 1875 .......................... 229   "  ,

    --- 1886 .......................... 214   “  ,

    --- 1900 .......................... 111   “  ,

    --- 1910 ..........................  69   “  ,

    --- 1930 ..........................  42   “  ,

    --- 1933/35 ................... ca.  40   “  ,

    --- 1938 ..........................  15   “  ,

    --- 1940 (Nov.) ...................  keine.

       Angaben aus: Karl Hamm, Albersweiler - Beiträge zur tausendjährigen Geschichte eines pfälzischen Dorfes

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20349/Albersweiler%20Ort%2013018.jpg Albersweiler, Synagoge markiert - hist. Aufn. vor 1900 (aus: alemannia-judaica.de)

https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20464/Albersweiler%20Israelit%20Famblatt%2019020220.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20140/Albersweiler%20Israelit%2025021904.jpg Gewerbliche Verkaufsanzeigen von 1902/1904*

*Anm.: Nach seiner (aus gesundheitlichen Gründen erfolgten) Pensionierung betrieb der Lehrer Jacob Frank einen kleinen Weinhandel.

 

Im Zuge der um 1890 einsetzenden Abwanderung jüdischer Familien schrumpfte die Kultusgemeinde Albersweiler innerhalb weniger Jahrzehnte erheblich (trotz der nun angeschlossenen Annweiler Juden). Zu Beginn der NS-Zeit lebten nur noch 40 Juden im Ort.

Während der Novembertage 1938 kam es auch in Albersweiler zu Ausschreitungen gegen Juden. Die teilweise zerstörte Synagoge wurde von der Kommune erworben und sollte „nützlicheren Zwecken“ zugeführt werden; später wurde das Gebäude abgerissen.

Ende 1940 lebten keine jüdischen Bewohner mehr in Albersweiler, die letzten vier waren im Oktober d.J. nach Gurs in Frankreich deportiert worden.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind 38 gebürtige bzw. längere Zeit in Albersweiler wohnhaft gewesene Juden dem Holocaust zum Opfer gefallen (namentliche Nennung der betreffenden Personen siehe: alemannia-judaica.de/albersweiler_synagoge.htm).

 

https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20314/Albersweiler%20Synagoge%20BeKu%20120.jpg Am Standort der ehemaligen Synagoge in der Kirchstraße erinnert seit 1988 eine kleine Gedenktafel an die Opfer der NS-Zeit mit den Worten:

Den Opfern der Gewaltherrschaft zum Gedenken

Den Lebenden zur Mahnung

Hier stand die Synagoge der jüdischen Gemeinde bis zu ihrer Zerstörung

 obige Abb. B.Kukatzki, 2011, aus: alemannia-judaica.de

 

 

 

Im nahen Annweiler lebten im späten Mittelalter nur wenige jüdische Bewohner. Erst seit der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts zogen vereinzelte jüdische Familien in den Ort. 1928 lebten 16 jüdische Personen in Annweiler, die zur Synagogengemeinde Albersweiler gehörten und die dortige Synagoge besuchten; gemeinsam mit dieser Gemeinde gehörte Annweiler zum Rabbinatsbezirk Landau.

Der jüdische Friedhof in Annweiler ist eine der ältesten erhaltenen Begräbnisstätten der Pfalz. Angelegt im 16.Jahrhundert diente das unterhalb der Madenburgstraße befindliche ca. 2.400 m² große Gelände in der Folgezeit zahlreichen Ortschaften als Beerdigungsplatz, darunter Bergzabern, Billigheim, Eschbach, Ingenheim, Göcklingen und Klingenmünster. Als später Ingenheim einen eigenen Friedhof besaß, ging die Nutzung des Annweiler Judenfriedhofs zurück. Heute sind noch mehr als 300 Grabsteine (andere Angabe: mehr als 500) vorhanden; etliche sind schon teilweise im Erdboden versunken.

Jüdischer Friedhof in Annweiler (Aufn. J. Hahn, 2004 und Aufn. R. Wild, 2003, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

Im Jahre 2015 sind an sieben Standorten im Ort insgesamt 13 sog. „Stolpersteine“ verlegt worden, die an Opfer der NS-Gewaltherrschaft erinnern; so findet man z.B. in der Saarlandstraße drei Steine für Angehörige der jüdischen Familie David und in der Alten Straße für die der Familie Levy.

 

 

 

Weitere Informationen:

Josef Siegel, Das jüdische Leben in Albersweiler, Rundschreiben des Rabbinatsbezirks Landau/Pfalz vom 11.5.1937

Karl Hamm, Albersweiler - Beiträge zur tausendjährigen Geschichte eines pfälzischen Dorfes, Hrg. Gemeindeverwaltung Albersweiler, Frankenthal/Pfalz 1968, S. 153 – 165

Hermann Arnold, Juden in der Pfalz - Vom Leben pfälzischer Juden, Pfälzische Verlagsanstalt, Landau/Pfalz 1988, S. 24/25 und S. 121

Franz Schmitt, Die Steine reden. Zeugnisse jüdischen Lebens im Landkreis Südliche Weinstraße, Rhodt 1989

Alfred Hans Kuby (Hrg.), Pfälzisches Judentum gestern und heute Beiträge zur Regionalgeschichte des 19./20.Jahrhunderts, Verlag Pfälzische Post, Neustadt a.d.Weinstraße 1992

Hans-Werner Ziemer, Der Pogrom vom November 1938 in der Pfalz, in: "SACHOR - Beiträge zur jüdischen Geschichte und zur Gedenkstättenarbeit in Rheinland-Pfalz", Heft 16 (2/1998), S. 33/34

Otmar Weber, Die Synagogen in der Pfalz von 1800 bis heute. Unter besonderer Berücksichtigung der Synagogen in der Südwestpfalz, Hrg. Gesellschaft für Jüdisch-Christliche Zusammenarbeit Pfalz (Landau), Dahn 2005, S. 40

Albersweiler, in: alemannia-judaica.de (mit zahlreichen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Jüdischer Friedhof Annweiler, in: alemannia-judaica.de (mit Bilddokumentation)

Verbandsgemeinde Annweiler am Trifels (Red.), 13 Stolpersteine in Annweiler verlegt, Pressemeldung vom 12.10.2015

Auflistung der in Annweiler verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Annweiler

Peter Pohlit (Red.), Annweiler – Rundgang über den Jüdischen Friedhof, in: „Die Rheinpfalz“ vom 1.2.2022

Peter Pohlit (Red.), Außergewöhnlicher Kellerfund: Synagogenreste nun im Museum, in: „Die Rheinpfalz“ vom 4.5.2022