Bad Wimpfen (Baden-Württemberg)
Bad Wimpfen (Neckar) ist ein Kurort mit derzeit ca. 7.000 Einwohnern im Landkreis Heilbronn (hist. Karte von Baden u. Württemberg, aus: familysearch.org/wiki/ und Kartenskizze 'Landkreis Heilbronn', aus: ortsdienst.de/baden-wuerttemberg/landkreis-heilbronn).
Hinweis: Die Stadt Wimpfen war nach 1803/1806 Teil des Großherzogtums Hessen und damit eine hessische Exklave im Norden Württembergs.
Stich, um 1840 (Abb. aus: commons.wikimedia.org, CCO)
Bereits im 13.Jahrhundert sollen sich Juden in der kleinen Reichsstadt Wimpfen aufgehalten haben; urkundliche Belege - so etwa für eine "Judengasse" und ein "Judenhaus" - liegen dann in größerer Zahl ab dem beginnenden 14.Jahrhundert vor. Über lange Jahre hinweg trat die Stadt Wimpfen als "Schutzherr" der jüdischen Bewohner auf und erhob von diesen Schutzgelder. Ob auch Wimpfen Schauplatz des Pestpogroms von 1348/1349 war, kann nicht belegt werden.
Der vermutlich in Wimpfen geborene Frankfurter Kaufmann Alexander ben Salomo - genannt Süßkind Wimpfen - löste im Jahre 1307 die Gebeine seines in Haft verstorbenen Lehrers Rabbi Meir von Rothenburg aus und ließ diese auf dem jüdischen Friedhof in Worms beisetzen. Neben dem Grab des Rabbi fand auch Süßkind Wimpfen selbst 1307 seine letzte Ruhe.
[vgl. Rothenburg (Bayern)]
In den Folgejahrhunderten hielten sich dann (fast) ständig einige jüdische Familien in der Stadt auf. Es gab mehrere, von der Stadt erlassene "Judenordnungen", die insbesondere die Handelstätigkeiten der jüdischen Bewohner und derjenigen, die sich zu Handelszwecken in Wimpfen aufhielten, reglementierten.
Aus dem 17. und 18.Jahrhundert liegen zahlreiche urkundliche Belege vor, in denen es meist um Auseinandersetzungen im Bereich des Handels bzw. um Zahlungen von Schutzgeldern ging; dabei war in den meisten Klagefällen die jüdische Seite unterlegen. Erst im beginnenden 19.Jahrhundert fielen nach und nach die zahlreichen, in den ‚Judenordnungen’ oft detailliert formulierten Beschränkungen, denen jüdische Bewohner in reichsstädtischer Zeit ausgesetzt waren.
Gottesdienste und Schulunterricht wurden in einem Privathaus in der Schwibbogengasse abgehalten; eine Mikwe war in den Kellerräumen eines von einer jüdischen Familie bewohnten Hauses untergebracht, später dann in dem Gebäude, das auch den Synagogenraum beherbergte.
In den letzten beiden Jahrzehnten des 19.Jahrhunderts wurde in Bad Wimpfen ein „Israelitisches Knabenpensionat“ sowie eine „Höhere Töchterschule“ betrieben (vgl. Anzeige von 1887).
Ihre Verstorbenen begruben die Wimpfener Juden über Jahrhunderte hinweg auf dem jüdischen Friedhof in Heimsheim, im 19.Jahrhundert dann auch in Rappenau. Erst im Jahre 1896 legte man in Wimpfen am Ortsausgang Richtung Heinsheim ein eigenes Bestattungsgelände an.
Die Bildung einer autonomen israelitischen Synagogengemeinde kam zu keiner Zeit zustande. Zugeordnet waren die Wimpfener Juden zunächst dem Rabbinat von Michelstadt und später dem Rabbinat Darmstadt.
Juden in (Bad) Wimpfen:
--- um 1650 ......................... 5 von Juden bewohnte Häuser,
--- um 1795/1805 .................... 5 jüdische Familien,
--- 1829 ............................ 42 Juden,
--- 1840 ............................ 37 “ ,
--- 1860 ............................ 32 “ ,
--- 1890 ............................ 65 “ ,
--- 1900 ............................ 59 “ ,
--- 1933 ............................ 22 “ ,
--- 1942 ............................ keine.
Angaben aus: P.Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg u. Hohenzollern. Denkmale, ..., S. 45
Ansicht von Wimpfen um 1905 (aus: wikipedia.org, CCO)
Zu Beginn der NS-Zeit war die Zahl der hier lebenden jüdischen Bewohner weiter gesunken; wirtschaftlich spielten sie für die Stadt nur eine untergeordnete Rolle. Die folgenden Jahre sind durch Ausgrenzung und Diskriminierung - Ausschluss von Märkten und öffentlichen Einrichtungen, Zuzugsverbot, u.a. - gekennzeichnet. Misshandlungen und die Gewalt gegen jüdisches Eigentum in der „Kristallnacht“ führten dazu, dass einige Betroffene sich zur Auswanderung entschlossen und Wimpfen verließen. Die wenigen älteren Menschen, die am Ort zurückgeblieben waren, wurden im Laufe des Jahres 1942 deportiert. Anderen Angaben zufolge soll die Stadt Wimpfen bereits 1940 „judenrein“ gewesen sein.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden mindestens elf gebürtige bzw. längere Zeit in Bad Wimpfen ansässig gewesene jüdische Bürger Opfer der Shoa (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/bad_wimpfen_synagoge.htm).
Auf dem am Ortsausgang nach Heinsheim befindlichen ca. 350 m² jüdischen Friedhofgelände findet man ca. 20 Grabsteine; die letzte Beerdigung war 1943 erfolgt.
Jüdischer Friedhof und Kindergräber (Aufn. P. Schmelzle, 2006, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 2.5 bzw. CC BY-SA 3.0)
Das als Betraum genutzte Haus in der Schwibbogengasse - im Keller war das Frauenbad - ist inzwischen restauriert.
Ehem. Standort des Betsaals (Aufn. Peter Schmelzle, 2014, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Am Gebäude ist eine bronzene Gedenktafel angebracht, die namentlich an die jüdischen Familien der Gemeinde erinnert.
Gedenktafel für die jüdischen Familien (Aufn. CTHOE, 2016, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
Seit 2010 findet man im Ort vier sog. „Stolpersteine“, von denen drei ehemaligen jüdischen Bewohnern gewidmet sind.
Aufn. Gmbo, 2018, aus: wikipedia.org, CCO
An der katholischen Kirche des ehemaligen Ritterstiftes St. Peter in Bad Wimpfen findet man die "Ecclesia" und die "Synagoga" als allegorische Frauengestalten. Zudem ist hier eine sog. „Judensau“ zu sehen, die im 13.Jahrhundert angebracht als Wasserspeier diente.
Die „Judensau“ (Aufn. Peter Schmelzle, 2008, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Anm.: Die bekannteste "Judensau"-Darstellung findet man an der Schlosskirche von Wittenberg.
Weitere Informationen:
Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale - Geschichte - Schicksale, Hrg. Archivdirektion Stuttgart, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1966, S. 43 – 46
Germania Judaica, Band II/2, Tübingen 1968, S. 906 und Band III/2, Tübingen 1995, S. 1646/1647
Otto Böcher, Eine hebräische Bauinschrift in Wimpfen, in: "Regina Wimpina - Beiträge zur Wimpfener Geschichte", No.2/1983, S. 473 f.
Joachim Hahn, Geschichte der Juden im Kraichgau, in: "Kraichgau", Folge 9/1985, S. 157 - 169
W.Angerbauer/H.G.Frank, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn. Geschichte - Schicksale - Dokumente, in: "Schriftenreihe des Landkreises Heilbronn", Hrg. Landkreis Heilbronn, 1986, S. 31 - 45
Frowald G. Hüttenmeister (Bearb.), Der jüdische Friedhof Bad Wimpfen, Unveröffentlichte Grunddokumentation des Landesdenkmalamtes Baden-Württemberg, 1991
Bad Wimpfen, in: alemannia-judaica.de
Joachim Hahn/Jürgen Krüger, “Hier ist nichts anderes als Gottes Haus ...” Synagogen in Baden-Württemberg, Teilband 2: Orte und Einrichtungen, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2007, S. 40 - 42
„Judensau“ an der Ritterstiftskirche in Bad Wimpfen, in: „Süddeutsche Zeitung – Magazin“ vom 24.12.2017
Auflistung der in Bad Wimpfen verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Bad_Wimpfen