Bacharach (Rheinland-Pfalz)

Datei:Rheinhessen 1905.png – Wikipedia Datei:Verbandsgemeinden in MZ.svg Bacharach, der Verbandsgemeinde Rhein-Nahe zugehörig, ist eine Kleinstadt mit derzeit ca. 2.000 Einwohnern und Teil der Kulturlandschaft 'Oberes Mittelrheintal' im Landkreis Mainz-Bingen - etwa 15 Kilometer rheinabwärts von Bingen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Landkreis Mainz-Bingen, Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Im südlich von Oberwesel gelegenen Bacharach wurden jüdische Bewohner erstmals im Zusammenhang eines Pogroms im 12.Jahrhundert im Gefolge des zweiten Kreuzzuges genannt. Nach einem Bericht des Ephraim ben Jakob sollen im Jahre 1146 drei Juden mit ihren Familien in die Burg Stahleck geflüchtet sein, wurden aber von Kreuzrittern erschlagen. Bei den Ermordeten handelte es sich um den Gelehrten Alexander ben Mose, Abraham ben Samuel und Kalonymos ben Mordechai.

Ein weiterer Nachweis stammt aus dem Jahre 1283, als nach einer angeblichen Ritualmordbeschuldigung 26 Juden bei einem erneuten Pogrom umgebracht wurden. (Anm.: Heinrich Heine verarbeitete in seinem fragmentarisch gebliebenen Roman „Der Rabbi von Bacharach“ die Judenverfolgung des Jahres 1287.)

Bereits im 13. Jahrhundert soll es in Bacharach ein lebendiges jüdisches Gemeindeleben gegeben hat; zwar kann eine „Judenschule“ erst zu Beginn des 15.Jahrhunderts sicher nachgewiesen werden, doch war diese vermutlich bereits im 12./13. Jahrhundert vorhanden. 

Nach der gewaltsamen Vertreibung jüdischer Familien 1348/1349 lebten bis 1390 wieder wenige Juden in Bacharach; denn im Zuge der Vertreibung der Juden aus der Kurpfalz (1390) waren auch diejenigen aus Bacharach betroffen.

Bacharach-Merian-color.jpg

 Bacharach - colorierter Kupferstich von M. Merian um 1645 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

In den folgenden Jahrhunderten sind dann nur vereinzelt jüdische Familien nachweisbar, ehe sich Ende des 18.Jahrhundert wieder vermehrt jüdische Familien ansiedelten. Zur Gründung einer israelitischen Gemeinde kam es in Bacharach in den 1860er Jahren.

Die im benachbarten Steeg und Niederheimbach lebenden Juden gehörten der Bacharacher Kultusgemeinde an.

An Einrichtungen besaß die Gemeinde einen Betraum in der Blücherstraße, eine Religionsschule und einen Friedhof; letzterer wurde erst in den 1920er Jahren angelegt.

Bacharach-Oberdiebach (3), Grabstätten.jpgJüd. Friedhof am alten Kloster (Aufn. W.Horsch, 2014, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)

Von dem vermutlich im Spätmittelalter bestehenden jüdischen Friedhof gibt es heute keinerlei Spuren.

Juden in Bacharach:

--- 1793 ........................... 4 jüdische Familien,

--- 1808 .......................... 16 Juden,

--- 1858 .......................... 62   “  ,

--- 1895 .......................... 35   “  ,

--- 1925 .......................... 34   “  ,

--- 1933 ...................... ca. 35   “  .

Angaben aus: Bacharach, aus: alemannia-judaica.de

Bacharach um 1925 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

 

Nach 1933 ist ein Teil der jüdischen Gemeindeglieder auf Grund der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien in größere Städte verzogen bzw. ausgewandert.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sind nachweislich 17 in Bacharach geborene bzw. längere Zeit am Ort wohnhaft gewesene Bürger mosaischen Glaubens Opfer der Shoa geworden; aus Niederheimbach waren es acht Personen (namentliche Nennung der Personen siehe: alemannia-judaica.de/bacharach_synagoge.htm).

  Zur Erinnerung an die jüdische Geschichte der Stadt ist in Bacharach eine bronzene Gedenktafel neben dem Kranentor in der Langstraße angebracht (Aufn. Willy Horsch, 2014, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0); diese trägt die Inschrift: „Meine Stimme zu ihm - ich schreie, ich flehe, du, höre mein Gebet. Der Feind verfolgt meine Seele, duckt zur Erde mein Leben. Setzt mich in Finsternisse wie Urzeittote. Du zu dir hin berge ich mich. Ein Harfenlied Davids. Zum Gedenken der Juden in Bacharach.“

         Blick in die ehem. Judengasse von Bacharach (Aufn. J. Hahn, 2007)

undefined Stolperstein - Bacharach - Bauerstraße 5 - Antonie Herzberg.jpg 2014 wurden mehrere sog. „Stolpersteine“ in der Langstraße verlegt (Aufn. Croesch, 2016, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

 

Werner von Oberwesel - auch Werner von Bacharach genannt (geb. 1271 in Wonrath/Hunsrück) - war ein Tagelöhner, dessen ungeklärter Tod Juden angelastet wurde und damals zu einem blutigen Pogrom am Mittelrhein führte. Er wurde jahrhundertelang als katholischer „Volksheiliger" verehrt; erst 1963 (!) wurde Werners Name aus dem Heiligenverzeichnis gestrichen.

Werner von Bacharach, Gemälde im Jüdischen Museum in Berlin

In der Wernerkapelle in Bacharach wurde jahrhundertelang die Legende vom jüdischen Ritualmord wachgehalten. Mittlerweile ist die Ruine der Wernerkapelle „Mahnmal zu einem geschwisterlichen Umgang der Religionen“ geworden. Seit 1996 ist hier eine Tafel mit einem Gebet Papst Johannes' XXIII. angebracht: "Wir erkennen heute, daß viele Jahrhunderte der Blindheit unsere Augen verhüllt haben, so daß wir die Schönheit deines auserwählten Volkes nicht mehr sehen und in seinem Gesicht nicht mehr die Züge unseres gestorbenen Bruders wiedererkennen. Wir erkennen, daß ein Kainsmal auf unserer Stirn steht. Im Laufe der Jahrhunderte hat unser Bruder Abel in dem Blute gelegen, das wir vergossen, und er hat Tränen geweint, die wir verursacht haben, weil wir deine Liebe vergaßen. Vergib uns den Fluch, den wir zu Unrecht an den Namen der Juden hefteten. Vergib uns, daß wir dich in ihrem Fleische zum zweitenmal ans Kreuz schlugen. Denn wir wußten nicht, was wir taten".

Die Glasinstallation „Das Fenster“ in der Werner-Kapelle – es trug Ausschnitte aus Heinrich Heines Erzählung „Der Rabbi von Bacharach“ - sollte die Ruine zu einem Ort der Begegnung machen und dazu bewegen, über Toleranz nachzudenken.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20124/Bacharach%20Wernerkapelle%20181.jpg "Rotes Fenster" in der Werner-Kapelle (Aufn. J. Hahn, 2007)

Das 2007 angebrachte sog. "Rote Fenster" in der Ruine der Werner-Kapelle wurde von der Bevölkerung in Bacharach kontrovers diskutiert; so sah eine Gruppe, die gegen die Anbringung des Fensters opponiert hatte, in dem "Roten Fenster" eine "Verhunzung" der Kapelle. Mit dem Ende des Kunstprojektes in Bacharach wurde das Fenster nach drei Jahren wieder entfernt.

 

 

 

Im südlich von Bacharach gelegenen Dorfe Oberheimbach bestand eine sehr kleine jüdische Gemeinde; erste urkundliche Erwähnung jüdischer Bewohner reichen bis ins 18.Jahrhundert. Obwohl die Zahl der Oberheimbacher Juden stets sehr gering war (maximal ca. 50 Pers. um 1845), waren alle erforderlichen religiösen Einrichtungen – Betraum, Schule, Mikwe und Friedhof – vorhanden.

Nach Auflösung der Gemeinde (um 1920) schlossen sich die verbliebenen Juden der Gemeinde von Bacharach an.

Der vermutlich um 1860 angelegte Friedhof – bis in die NS-Zeit genutzt - besitzt noch ca. 50 - 60 Grabsteine, die z.T. aber nicht mehr lesbar sind. Das Gelände befindet sich in einem Waldstück westlich des Ortes (Flur „Judensand“)

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20316/Oberheimbach%20Friedhof%20PICT0018.jpg

 jüdischer Friedhof in Oberheimbach (Aufn. Hartmut Holz, 2011, aus: alemannia-judaica.de)

[vgl.  Oberwesel (Rheinland-Pfalz)]

 

 

 

Weitere Informationen:

Konrad Schilling (Hrg.), Monumenta Judaica - 2000 Jahre Geschichte und Kultur der Juden am Rhein - Katalog. Eine Ausstellung im Kölnischen Stadtmuseum Okt. 1963/März 1964, 3. Aufl., Köln 1963, Abb. 300

Friedrich P. Kahlenberg, Jüdische Gemeinden am Mittelrhein, in: "Zwischen Rhein und Mosel", Boppard 1966, S. 359 f.

Germania Judaica, Band III/1, Tübingen 1987, S. 69 – 72

Karl Heinz Debus, Die Geschichte der Juden in Bacharach, in: F.L. Wagner (Hrg.), Bacharach und die Geschichte der Viertälereorte Bacharach, Steeg, Diebach und Manubach, Bacharach 1996, S. 319 f.

Peter Keber, Zur Entstehungsgeschichte der Werner-Kapelle und zum Thema Antisemitismus, in: „SACHOR – Beiträge zur jüdischen Geschichte und Gedenkstättenarbeit in Rheinland-Pfalz“, 1/1998, Heft 15

Karl-Ernst Linz (Red.), Die Bacharacher Juden bis 1680 und ihre soziale Stellung vor dem Hintergrund des religiösen und wirtschaftlichen Denkens in der Kurpfalz, in: "Rhein-Hunsrück-Kalender", 56/2000, S. 82 - 89

Christof Pies, Jüdisches Leben im Rhein-Hunsrück-Kreis, in: "Schriftenreihe des Hunsrücker Geschichtsvereins e.V.", No. 40/2003, S. 148 ff.

Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels “. Synagogen. Rheinland-Pfalz Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege, Mainz 2005, S. 83

Bacharach mit Niederheimbach, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Hinweisen auch zur mittelalterlichen jüdischen Ortshistorie) 

Oberheimbach, in: alemannia-judaica.de (mit Aufnahmen vom jüdischen Friedhof)

Frieder Schwitzgebel, Toleranz vor Augen - Das Projekt von Karl-Martin Hartmann ín der Wernerkapelle Bacharach in Zusammenarbeit mit dem Bauverein Wernerkapelle, Mainz 2010

Werner Dupuis (Red.), Gedenken: Stolpersteine erinnern an Bacharacher Opfer, in: „Rhein-Zeitung“ vom 24.8.2014

Liste der Stolpersteine in Bacharach, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Bacharach

Walter Karbach, Werner von Oberwesel. Ritualmordlüge und Märtyrerkult. Über den ‚Guten Werner', bestattet 1287 zu Bacharach, Trier 2020