Büttelborn (Hessen)

Jüdische Gemeinde - Heppenheim/Bergstraße (Hessen)Bildergebnis für landkreis groß gerau ortsdienst karte Büttelborn ist eine Kommune mit derzeit knapp 14.000 Einwohnern im südlichen Rhein-Main-Gebiet (Kreis Groß-Gerau) – ca. 15 Kilometer nordwestlich von Darmstadt unmittelbar angrenzend an das Stadtgebiet von Groß-Gerau (Ausschnitt aus hist. Karte von 1906 ohne Eintrag von Bütteöborn, aus: wikipedia.org, gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Landkreis Groß-Gerau', aus: ortsdienst.de/hessen/landkreis-gross-gerau).

 

Die Anfänge einer winzigen jüdischen Gemeinde in Büttelborn reichen bis ins 18.Jahrhundert zurück. Um 1725 waren hier drei, ein halbes Jahrhundert später zwei jüdische Familien wohnhaft. Ihren Lebenserwerb bestritten die Familien zumeist vom Handel mit Vieh; doch gab es seit der Mitte des 19. Jahrhunderts im Ort auch einige Handwerker und Ladengeschäfte im Besitz jüdischer Familien.

Seit den 1870er Jahren verfügte man über eine Synagoge, die in einem ausgebauten ehem. Gewerbebetrieb untergebracht war.

Einen eigenen Lehrer besaß die kleine Gemeinde vermutlich nicht; Religionsunterricht wurde deshalb von auswärtigen Lehrern erteilt.

Verstorbene wurden auf dem jüdischen Zentralfriedhof in Groß-Gerau begraben.

Die Gemeinde gehörte zum orthodoxen Bezirksrabbinat Darmstadt II.

Juden in Büttelborn:

--- 1725 ............................  3 jüdische Familien,

--- 1770 ............................  2     “        “   ,

--- 1815 ............................  4     “        “   ,

--- 1828 ............................ 14 Juden,

--- 1861 ............................ 42   “  (in 8 Familien),

--- 1875 ............................ 39   “  ,

--- 1880 ............................ 35   “  ,

--- 1893 ............................  7 jüdische Familien,

--- 1905 ............................ 27 Juden,

--- 1925 ........................ ca. 25   “  ,

--- 1938 (Jan.) ................. ca. 10   “  .

Angaben aus: Angelika Schleindl, Verschwundene Nachbarn - Jüdische Gemeinden und Synagogen..., S. 190

 

Um 1925 lebten noch ca. 25 jüdische Bewohner in Büttelborn.

Geschäftsanzeigen aus den 1920er Jahren

Nach 1933 war die Synagoge alsbald Ziel antisemitischer Anschläge. So wurde diese im Jahre 1936  geschändet und vollkommen demoliert, sodass sich der Vorsteher der Gemeinde (Sigmund Selig) zum Verkauf des Gebäudes gezwungen sah und die Genehmigung dafür beim Rabbinat in Darmstadt einholte. In seinem Schreiben beklagte er:„ ... Durch vollkommene Demolierung unserer Synagoge sehen wir uns leider gezwungen, unsere Synagoge zu verkaufen, Da diese heilige Stätte nun nicht mehr der Abhaltung eines Gottesdienstes durch vollkommen unwürdiges Aussehen unseren Religionsgesetzen ... entspricht, bitten wir höflichst um Genehmigung des Verkaufs". Nach erteiltem Placet fand wenig später der Verkauf des Gebäudes statt. Der neue private Besitzer ließ das Synagogengebäude abbrechen, um sein Geschäftshaus zu erweitern.

Um 1937/1938 löste sich die kleine Gemeinde auf; im Nov. 1938 mussten die wenigen älteren jüdischen Bewohner miterleben, wie der Mob hier wütete. So stürmten SA-Männer das Textil-/Kurzwarengeschäft und Wohnung von Betty Seelig (Schulstraße 34), verbrannten die Geschäftsunterlagen, zerstörten das Inventar und misshandelten die fast 70-jährige gehbehinderte Frau.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." sollen elf gebürtige bzw. längere Zeit am Ort wohnhaft gewesene Büttelborner Juden dem Holocaust zum Opfer gefallen sein (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/buettelborn_synagoge.htm).

 

1988 wurde eine Gedenktafel am Alten Rathaus angebracht:

Gedenktafel (Aufn. J. Hahn, 2011)

Seit 2011 erinnern sog. „Stolpersteine“ an ins Exil getriebene, deportierte und ermordete ehemalige jüdische Bewohner Büttelborns. Bis 2018 fanden im Ort mehrere Verlege-Aktionen statt; die letzten acht von insgesamt ca. 30 Steinen sind Angehörigen der Familie Grünewald gewidmet.

Stolpersteine“ vor dem ehem. Haus der Familie Hirsch und vor dem ehem. Haus der Familie Stein (Abb. aus: buettelborn.de)

[vgl. Worfelden (Hessen)]

 

 

 

Weitere Informationen:

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 102

Annie Bardon, Synagogen in Hessen um 1900, in: "Schriften der Kommission für die Geschichte der Juden in Hessen VI, Neunhundert Jahre Geschichte der Juden in Hessen", Wiesbaden 1983, S. 354 - 356

Angelika Schleindl, Verschwundene Nachbarn - Jüdische Gemeinden und Synagogen im Kreis Groß-Gerau, Hrg. Kreisausschuß des Kreises Groß-Gerau, Groß-Gerau 1990, S. 78 - 87

Friedensgruppe Büttelborn (Hrg.), "Juden sind keine mehr vorhanden". Fünfzig Jahre nach der Reichspogromnacht. Eine Dokumentation, 1990

Angelika Schleindl, Der Jüdische Friedhof in Groß-Gerau. Ein Beitrag zur Geschichte der Landjuden in Südhessen, Justus von Liebig Verlag, Darmstadt 1993

Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 - 1945, Hessen I: Regierungsbezirk Darmstadt, VAS-Verlag, Frankfurt/M. 1995, S. 155/156

Büttelborn, in: alemannia-judaica.de (mit einigen personenbezogenen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Gemeinde Büttelborn, Jubiläumsschrift - 800 Jahre Büttelborn - Klein-Gerau - Worfelden. 1211 – 2011, hrg. vom Heimat- und Geschichtsverein Büttelborn, Heimatpflege Klein-Gerau, Heimat- und Geschichtsverein Worfelden, darin: S. 46 – 57 (Auswanderung nach Amerika) und S. 56 – 58 (Büttelborner Emigranten)

Marvi Mensch (Red.), Erste Stolpersteine gegen das Vergessen verlegt, in: „Groß-Gerauer Echo“ vom 1.4.2011

Verlegung von Stolpersteinen (Chronologie der Aktionen), online abrufbar unter: buettelborn.de

Charlotte Martin (Red.), Stolpersteine in der Büttelborner Ludwigstraße verlegt, in: "Echo" vom 26.10.2018

Kommune Büttelborn (Hrg.), Stolpersteine, online abrufbar unter: buettelborn.de/magazin vom 30.11.2018