Bad König (Odenwald/Hessen)
Bad König ist eine kleine Kurstadt (anerkanntes Heilbad) mit derzeit ca. 9.800 Einwohnern im zentralen Odenwald – ca. 35 Kilometer südöstlich von Darmstadt gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905 ohne Eintrag von Bad König, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Odenwaldkreis', aus: ortsdienst.de/hessen/odenwaldkreis).
Sichere urkundliche Belege für jüdische Familien in König, vorher Kinnig genannt, stammen aus dem beginnenden 19.Jahrhundert, doch gilt es als sicher, dass sich Juden bereits ein Jahrhundert zuvor hier aufgehalten haben. Die im letzten Jahrzehnt des 18.Jahrhunderts eingerichtete Synagoge befand sich im Obergeschoss eines Hauses in der Alexanderstraße, das auch den Schulraum und die Lehrerwohnung beherbergte. An das Gebäude war zudem eine Mikwe angegliedert.
aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 13.9.1897
Synagoge in Bad König (hist. Aufn., um 1925/30, aus: P. Arnsberg)
Im Laufe der Zeit verfiel das Gebäude, so dass die orthodox-geprägte Gemeinde sich noch im Jahr 1933 (!) zu einem Neubau entschloss. Dieses Vorhaben konnte aber nicht mehr umgesetzt werden.
Religiös-rituelle Aufgaben waren einem seitens der Gemeinde angestellten Lehrer übertragen. Vom Jahre 1873 an war mehr als 35 Jahre Isak Ehrmann als Lehrer, Vorbeter und Schochet in König tätig.
Stellenanzeigen in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 2.Oktober 1867 und 22.Juli 1920
Verstorbene beerdigte die hiesige Judenschaft bis Mitte der 1920er Jahre in Michelstadt, ehe dann am Ortausgang (Richtung Kimbach) ein eigenes Beerdigungsareal zur Verfügung stand. Die jüdische Gemeinde des Ortes war dem orthodoxen Rabbinat Darmstadt II unterstellt, nachdem sie bis gegen Ende der 1840er Jahre dem Bezirksrabbinat Michelstadt zugehörig gewesen war.
Juden in (Bad) König:
--- um 1820 ......................... 3 jüdische Familien,
--- um 1830 ..................... ca. 50 Juden,
--- um 1840 ......................... 65 “ (in 14 Familien),
--- 1861 ............................ 86 " (ca. 5% d. Bevölk.),
--- 1880 ........................ ca. 100 “ (ca. 5% d. Bevölk.),
--- 1895 ............................ 67 “ ,
--- 1905 ............................ 75 “ ,
--- 1910 ............................ 82 " (ca. 4% d. Bevölk.),
--- 1925 ............................ 85 “ ,
--- 1932/33 ..................... ca. 70 “ ,
--- 1936 (Apr.) ..................... 51 “ ,
--- 1939 (März) ..................... 17 “ ,
--- 1940 ............................ keine.
Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 450
Im ausgehenden 19.Jahrhundert bestritten die hiesigen Familien ihren Lebensunterhalt als Vieh- und Getreidehändler, aber auch als Händler mit Gütern des täglichen Bedarfs. Die Firma J. Mannheimer hatte ein großes Geschäft für landwirtschaftliche Maschinen.
Um die Jahrhundertwende begann die Geschichte Königs als Badeort. Der langjährige Vorsitzende der jüdischen Gemeinde, Moses Herzfeld, soll der ‚Begründer’ von „Bad“ König gewesen sein, da er für die ersten Kurgäste sorgte; auch eine koscher-geführte Pension war vorhanden.
Werbeanzeigen von 1900/1903
... und Anzeigen von 1937 (!)
In den Jahren 1910/1920 konnte der Ort - trotz Abwanderung - auch Zuzüge von Juden aus der Umgebung verzeichnen. Die jüdischen Familien in Bad König waren in das öffentliche Leben des Ortes weitestgehend integriert, dies dokumentieren ihre Mitgliedschaften in lokalen Vereinen und Institutionen. Zu Beginn der NS-Herrschaft lebten in Bad König noch ca. 70 jüdische Bewohner. Auf Grund der zunehmenden Entrechtung - verbunden mit Repressalien - zogen jedoch etliche Familien fort oder wanderten aus.
Während oder kurz nach der „Kristallnacht“ entweihten NS-Gefolgsleute die Synagoge und plünderten jüdisches Eigentum. Ein Jahr später wurde das Gebäude abgerissen. Auf Grund der brutalen Ausschreitungen - ein hochbetagter Mann verstarb an den Folgen von Schlägen - gingen weitere jüdische Familien fort, und bis 1939 hatten alle hier wohnenden Juden den Ort verlassen. Während ein kleiner Teil nach Übersee emigrierte, verzog der größere in andere Städte, zumeist nach Frankfurt/Main.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem wurden nachweislich 30 gebürtige bzw. über einen längeren Zeitraum hinweg hier ansässig gewesene Juden Opfer der NS-Gewaltherrschaft (namentliche Nennung der betreffenden Personen siehe: alemannia-judaica.de/bad_koenig_synagoge.htm).
Das nur wenige Jahre in Nutzung gewesene Begräbnisgelände weist demzufolge heute nur eine begrenzte Zahl von Grabsteinen auf.
Jüdischer Friedhof in Bad König (Aufn. J. Hahn, 2008)
Seit 1986 steht in der Alexanderstraße nahe des Synagogengrundstücks ein Gedenkstein zur Erinnerung an den Novemberpogrom von 1938; dessen Inschrift lautet: "In unmittelbarer Nähe stand die Synagoge der jüdischen Gemeinde. Sie wurde 1795 erbaut, am 10. November 1938 verwüstet und 1939 abgerissen. Die nationalsozialistischen Gewalttaten sind für immer als Mahnung den nachfolgenden Generationen ins Gedächtnis zu rufen, um für Demokratie, Völkerverständigung, inneren und äußeren Frieden einzutreten."
Gedenkstein (Aufn. K. Ratzke, 2022, aus: commons.wikimedia.org, gemeinfrei)
2015 wurde mit der Verlegung von sog. "Stolpersteinen" begonnen; inzwischen sind an elf Standorten solche messingfarbenen quadratischen Gedenktäfelchen in die Gehwegpflasterung eingefügt (Stand 2023).
verlegt in der Alexanderstraße und in der Schulstraße (Aufn. K. Ratzke, 2022, aus: commons.wikimedia.org, gemeinfrei).
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Weitere Informationen:
Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 450 - 452
Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder - Dokumente, Eduard Roether Verlag, Darmstadt 1973, S. 128
The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 74
Bad König (Odenwaldkreis), in: alemannia-judaica.de (mit zahlreichen Personendaten zur jüdischen Gemeindehistorie)
zen (Red.), Gedenken auch für Bad Königs Juden, in: “ECHO” vom 23.1.2015
Heimat- u. Geschichtsverein Bad König e.V. (Hrg.), Historie Bad König: Stolpersteine als Symbole der Erinnerung, online abrufbar unter: hgv-badkoenig.de
Gabriele Lermann (Red.), Ein Rundgang mit trauriger Erinnerung, in: “ECHO” vom 29.2.2016
Gabriele Lermann (Red.), Weitere Stolpersteine halten in Bad König die Erinnerung wach, in: “ECHO” vom 6.3.2017
Arbeitskreis Stolpersteine Bad König (Hrg.), Stolpersteine in Bad König, online abrufbar unter: badkoenig.de/uploads/media/Prospekt_Stolpersteine.pdf (Anm. mit Nennung der jüdischen Familien incl. Wohnadressen in der Stadt)
Evangelische Kirchengemeinde Bad König (Hrg.), “Nah dran!” - Rahmenthema “Stolpern”, Ausg. Okt./Nov. 2018/Bad König 2018 (mit Auflistung und Standorten der verlegten Stolpersteine)
Heimat- u. Gerschichtsverein Bad König e.V. (Hrg.), Historie Bad König: Stolpersteine als Symbole der Erinnerung, online abrufbar unter: hgv-badkoenig.de/2019/0