Bad Münstereifel (Nordrhein-Westfalen)
Bad Münstereifel (bis 1967 Münstereifel) ist eine Kleinstadt im Kreis Euskirchen; mit seinen zahlreichen Ortsteilen besitzt sie heute insgesamt ca. 17.300 Einwohner (hist. Kreiskarte von Euskirchen, aus: wikipedia.org, Bild-PD-alt und Kartensskizze 'Kreis Euskirchen', TUBS 2008, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).
Juden in Münstereifel sind erstmals im „Deutzer Memorbuch“ erwähnt, den dortigen Eintragungen zufolge sollen sie Opfer des Pestpogroms geworden sein. Auch für die folgenden Jahrhunderte ist eine Ansiedlung von Juden - allerdings nur weniger Familien - urkundlich belegt. Sie bestritten ihren Lebensunterhalt in der vom Handel lebenden Kleinstadt mit ihren traditionellen Berufen als Metzger, Geldverleiher und Kramhändler, später dann auch als Viehhändler.
In der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts wurde erstmalig eine Synagoge am Ort erwähnt, die der Vorsteher der Gemeinde in seinem Privathaus in der Orchheimer Straße eingerichtet hatte; auch eine private Religionsschule hat es in dieser Zeit bereits gegeben. Streitigkeiten innerhalb der jüdischen Gemeinde - es ging um die Nutzung des privaten Betraumes - endeten damit, dass das Gebäude nun offiziell in die Hände der jüdischen Gemeinde überging, die es um 1880 vollständig zur Synagoge umbaute (im Obergeschoss) und im Hinterhaus einen Schulraum und eine Lehrerwohnung angliederte.
Synagoge in der Orchheimerstraße (hist. Aufn., 1932)
Eine jüdische Elementarschule existierte nur von 1859 bis 1875; danach fand nur noch Religionsunterricht für die wenigen Kinder statt. Auch zwei Frauenbäder soll es in Münstereifel gegeben haben.
In den 1820er Jahren richtete die jüdische Gemeinde „Am Quecken“ offiziell ihren Friedhof ein, Begräbnisse hatten hier aber bereits in den Jahren zuvor stattgefunden. Ein älterer Friedhof am Hardtwald - zwischen Krispenich und Stotzheim gelegen - war bereits im 18.Jahrhundert angelegt worden und bis ca. 1825 in Nutzung.
Juden in (Bad) Münstereifel:
--- 1808 ........................ 38 Juden,
--- 1823 ........................ 52 “ ,
--- 1830 ........................ 73 “ ,
--- 1840 ........................ 82 “ ,
--- 1864 ........................ 133 “ ,
--- 1872 ........................ 128 “ ,
--- 1895 ........................ 116 “ ,
--- 1906 ........................ 78 “ ,
--- 1911 ........................ 80 “ ,
--- 1933 ........................ 65 “ ,* *andere Angabe: 50 Pers.
--- 1937 ........................ 41 “ ,
--- 1942 (Dez.) ............... keine.
Angaben aus: Elfi Pracht, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil I: Reg.bez. Köln, S. 334
und Klaus H.S. Schulte, Dokumentation zur Geschichte der Juden am linken Niederrhein ..., S. 263
Markt mit altem Rathaus, um 1925 (Postkarte, aus: akpool.de)
Hauptsiedlungsgebiete der Münstereifeler Juden waren während des 19.Jahrhunderts die Hauptstraßen der Ortschaft: Wertherstraße, Orchheimer Straße und Heisterbacher Straße. Als Münstereifel im ausgehenden 19.Jahrhundert zunehmend seine Bedeutung als Handels- und Marktplatz einbüßte und nun vermehrt in den Kurbetrieb investierte, setzte eine deutliche Abwanderung der jüdischen Bewohner ein, zu der vermutlich aber auch die 1894 hier abgehaltene Antisemiten-Versammlung beitrug.
Geschäftsanzeige der Viehhandlung H. Levy
Als mit Beginn der NS-Zeit - damals gab es hier noch 14 jüdische Kaufleute und Viehhändler - die wirtschaftlichen Grundlagen der Münstereifeler Juden immer mehr beschnitten wurden und die Bauern der Region ihre Kontakte zu ihnen abbrechen mussten, zogen weitere Familien fort.
Während des Novemberpogroms von 1938 demolierten in Zivil gekleidete auswärtige SA- bzw. NSDAP-Angehörige zunächst jüdische Geschäftshäuser in Münstereifel. Wenige Stunden später sollen dann überwiegend einheimische SA-Leute die „Aktion“ fortgesetzt haben, indem sie bis in die Nacht des 10./11.November hinein weitere Geschäfte und auch Wohnungen beschädigten und Gewalttaten gegenüber jüdischen Bewohnern verübten. Die Zerstörung der Synagoge unterblieb indes, da eine Brandlegung die umliegenden Häuser gefährdet hätte. 1939 wurde das Synagogengebäude verkauft und Mitte der 1970er Jahre - inzwischen völlig verwahrlost - abgerissen. Im Laufe des Jahres 1941 wurden die in Bad Münstereifel verbliebenen jüdischen Bewohner - als in der Kurstadt „unerwünscht“ - in ein Lager nach Kommern gebracht. Von hier aus deportierte man sie zusammen mit Juden aus der Eifel, Düren und Euskirchen in die Vernichtungslager im besetzten Polen. Dem nationalsozialistischen Rassenwahn fielen mehr als 40 jüdische Bewohner von Münstereifel zum Opfer; anderen Angaben zufolge sollen es 29 Personen gewesen sein.
Wenige Jahre nach Kriegsende verurteilte das Bonner Schwurgericht drei Münstereifeler Bürger wegen ihrer Beteiligung an den „Aktionen“ im November 1938 zu Haftstrafen.
Am Standort der einstigen Synagoge in der Orchheimerstraße erinnert eine unscheinbare Tafel an das ehemalige jüdische Gotteshaus.
Der Friedhof im Queckenwald ist in der NS-Zeit mehrfach geschändet und vollkommen verwüstet worden. Auf private Initiative hin wurde dieser erst viele Jahre nach Kriegsende wieder hergerichtet. Heute findet man auf dem Gelände noch 87 Grabsteine.
Jüdischer Friedhof in Bad Münstereifel (Aufn. H.-D.Arntz, 2012)
Heute erinnert ein großer, von einem in die USA emigrierten ehemaligen jüdischen Einwohner gestifteter Gedenkstein an die während der NS-Zeit ermordeten jüdischen Bürger des Ortes (Aufn. M. Kramer, 2016, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0). Genannt werden die Namen von 19 jüdischen Ortsbewohnern; darunter befindet sich der folgende Text:
Gewidmet dem Angedenken
der unter dem nationalsozialistischen Regime in den Tod deportierten jüdischen Mitbürger der Stadt Münstereifel
2009 ließ die Kommune im Kernort 26 sog. „Stolpersteine“ verlegen; jeder einzelne Stein erinnert an einen Münstereifeler Bürger, der in der NS-Zeit entrechtet, gedemütigt und ermordet wurde.
Vier sog. "Stolpersteine" verlegt Markt 1 und in der Orchheimer Straße (Aufn. G., 2014, aus: wikipedia.org, CCO)
und in der Heisterbacher Straße
In den Ortsteilen Arloff und Kirspenich kamen weitere zehn Steine hinzu.
Zehn Monate nach der Hochwasserkatastrophe im Ahrtal wurden in Bad Münstereifel neun neue messingfarbene Gedenkquader verlegt; die vormals hier befindlichen waren durch die Flut weggespült worden.
.
In Arloff - einem heutigen Stadtteil von Bad Münstereifel - findet man einen jüdischen Friedhof, der zehn Grabsteine aufweist, die aus der Zeit von 1876 bis 1934 stammen.
Aufn. Ph. Jakob, 2012, aus: commons.wikipedia.org, CC BY-SA 3.0
Weitere Informationen:
Karl Hürten, Volkstümliche Geschichte der Stadt Münstereifel, Münstereifel 1926
Hermann Pünder, Die Juden in Münstereifel, in: "Nachrichtenblatt des Vereins Alter Münstereifeler" No.1/1958
E.G. Löwenthal, Der jüdische Friedhof in Münstereifel, in: "Allgemeine Wochenzeitung der Juden in Deutschland", 17/1961
Willibald Kolvenbach, Geschichte der Juden in Münstereifel, Examensarbeit 1.Lehrerprüfung (Bad Münstereifel 1962)
Willibald Kolvenbach, Münstereifels Juden. Ihr Schicksal durch 600 Jahre, in: "Nachrichtenblatt des Vereins Alter Münstereifeler", No.1/1969
Hermann Pünder, Die Synagoge von Münstereifel, in: "Nachrichtenblatt des Vereins Alter Münstereifeler" No.1/1970
Klaus H.S. Schulte (Bearb.), Dokumentation zur Geschichte der Juden am linken Niederrhein seit dem 17.Jahrhundert, in: "Veröffentlichungen des Historischen Vereins für den Niederrhein ...", Band 12, Verlag L.Schwann, Düsseldorf 1972, S. 158 - 163
Hans-Dieter Arntz, Juden in Münstereifel. In: Judaica - Juden in der Voreifel. Kümpel-Verlag, Euskirchen 1983
Hans-Dieter Arntz, Die „Kristallnacht“ in der Eifel. Münstereifel, Kommern, Gemünd und Blumenthal, in: "Eifel-Jahrbuch 1984", S. 88 - 95
Elfi Pracht, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen, Teil I: Regierungsbezirk Köln, J.P.Bachem Verlag, Köln 1997, S. 333 - 340
Michael Brocke (Hrg.), Feuer an dein Heiligtum gelegt - Zerstörte Synagogen 1938 in Nordrhein-Westfalen, Ludwig Steinheim-Institut, Kamp Verlag, Bochum 1999, S. 387/388
Marianne Gädtke, Jüdische Friedhöfe im Stadtgebiet von Bad Münstereifel. Bestandsaufnahme und Dokumentation aufgenommen im Jahre 2000, Bad Münstereifel 2000
Hans-Dieter Arntz, „Reichskristallnacht“. Der Novemberpogrom 1938 auf dem Lande - Gerichtsakten und Zeugenaussagen am Beispiel der Eifel und Voreifel, Helios-Verlag, Aachen 2008
Hans-Dieter Arntz, Der jüdische Friedhof von Bad Münstereifel – Ein Rückblick (mit Fotos), vom 17.9.2012 (online abrufbar unter: hans-dieter-arntz.de/der_juedische_friedhof.html)
Hildegard Wehrmann (Red.), Der jüdische Friedhof in Münstereifel, in: H. Wehrmann, Hermann Pünder (1888-1976): Patriot und Europäer, Essen 2012, S. 481 f.
Auflistung der Stolpersteine in Bad Münstereifel, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Bad_Münstereifel
Bad Münstereifel - Mahnmal, online abrufbar unter: bad-muenstereifel.de (Anm. detaillierte PDF-Datei mit den Lebensdaten ehemaliger jüdischer Bewohner)
Tim Nolden (Red.), Radikaler Bruch – Die Geschichte der Juden im Stadtrat von Bad Münstereifel, in: „Kölner Stadtanzeiger“ vom 25.9.2015
Hans-Dieter Arntz, Jüdische Begräbnisstätten in der Nordeifel – ein Beispiel: Der jüdische Waldfriedhof von Bad Münstereifel, in: „Eifel-Jahrbuch 2015“, S. 53 - 60
Hans-Dieter Arntz (Bearb.), Alfred Apfel (1882-1941), aus: „Zukunft braucht Erinnerung - Online-Portal“ vom 3.12.2022 (betr. Biografisches zur Familie des Juristen Alfred Apfel)
Thomas Schmitz/Stadt Bad Münstereifel (Red.), Von Flut weggespült – Künstler Gunter Demnig stiftet neue Stolpersteine für Bad Münstereifel, in: „Kölner Stadt-Anzeiger“ vom 9.12.2022