Bad Schwalbach (Hessen)

Datei:Bad Schwalbach in RÜD.svg Bad Schwalbach mit derzeit ca. 11.000 Einwohnern ist die Kreisstadt des hessischen Rheingau-Taunus-Kreises – ca. 20 Kilometer nordwestlich von Wiesbaden gelegen. Die Kleinstadt ist eines der ältesten hessischen Heilbäder; bis 1920 lautete die Ortsbezeichnung ‚Langenschwalbach’ (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Rhein-Taunus-Kreis', TUBS 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

Ehem. "Langenschwalbach" - Bildkarte um 1730 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

 

Der früheste Beleg für die Anwesenheit eines Juden in Schwalbach stammt aus dem Jahre 1587. Bereits vor dem Dreißigjährigen Krieg existierte hier eine kleine jüdische Gemeinschaft, die aber zunächst nie mehr als drei bis fünf Familien umfasste. In der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts gab es einen Betraum, anfänglich „Unter der Pferdeschwemme“ und danach „An der Hohl“ gelegen. 1715 wurde dann die neue Synagoge in der Erbsengasse/Höhbergstraße eingeweiht; Jahrzehnte später legte man eine Mikwe an.

Synagoge (hist. Aufn. um 1925)

Das um 1830 eingerichtete streng orthodoxe Bezirksrabbinat Langenschwalbach existierte bis 1851.

Benjamin Hochstätter, Rabbiner in BadSchwalbach, wurde 1811 als Sohn eines Lehrers in Binswangen geboren. Nach seiner Ausbildung war er als Religionslehrer und Prediger in Hürben, Heddernheim und Nassau tätig. Es schloss sich seine Promotion an der Universität Jena an; danach wurde Hochstätter vorübergehend zum Bezirksrabbiner von Wiesbaden ernannt, wenig später wurde er Lehrer und Rabbinatsverweser in Bad Schwalbach und Jahre später dessen Bezirksrabbiner. Nach der Verlegung des Rabbinats nach Bad Ems amtierte er hier bis Anfang der 1880er Jahre. Benjamin Hochstätter starb 1888 in Frankfurt/M.

Gleichzeitig gab es hier kurzzeitig ein Seminar zur Ausbildung jüdischer Religionslehrer, das Anfang der 1850er Jahre nach Bad Ems verlegt wurde. Zuletzt war Schwalbach dem Rabbinat Wiesbaden angeschlossen, zwischenzeitlich befand sich der Rabbinatssitz in Bad Ems. Die jüdische Gemeinde Schwalbach, zu der auch die wenigen Familien aus Bärstadt und Hausen und später auch Kemel gehörten, war streng orthodox ausgerichtet; so wurden um 1840/1850 Gottesdienste ausschließlich in hebräischer Sprache, der Schulunterricht für die Kinder in Jiddisch abgehalten. Eine jüdische Religionsschule existierte bis in die 1930er Jahre.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20256/Bad%20Schwalbach%20Israelit%2029081898.jpg 

aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 29.Aug. 1898 und „Allgemeine Zeitung des Judentums“ vom 31.Aug. 1900

Der relativ große jüdische Friedhof lag oberhalb des Mühlweges.

Juden in (Bad) Schwalbach:

    --- um 1670 ......................   7 Schutzjuden-Familien,

    --- 1703 .........................  10       “         “   ,

    --- 1816 .........................  15       “         “   ,

    --- 1829 .........................  23       “         “   ,

    --- 1843 ......................... 138 Juden,

    --- 1858 ......................... 135   “  (ca. 9% d. Bevölk.),

    --- 1871 ......................... 165   “  ,

    --- 1885 ......................... 190   “  ,

    --- 1895 ......................... 184   "  ,

    --- 1905 ......................... 160   “  (ca. 5% d. Bevölk.),

    --- 1911 ......................... 123   “  ,

    --- 1925 ......................... 106   “  ,

    --- 1933 .........................  94   “  (in ca. 30 Familien),

    --- 1937 .........................  44   “  ,

    --- 1941 ..................... ca.   5   “  .

Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 2, S. 288

und                 Wilfried Schüler, Juden in Bad Schwalbach, S. 143

Langenschwalbach um 1830 - Stich von William Tombleson (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

 

An der Entwicklung Langenschwalbachs bzw. Bad Schwalbachs hatten jüdische Bewohner einen bedeutenden Anteil; im 19.Jahrhundert lag dieser zwischen 5% und 9%. Diese relativ hohe Zahl war dem Umstand geschuldet, dass Bad Schwalbach als Kurort zahlreiche jüdische Gäste anzog; wohlhabende Juden aus Frankfurt/M. und aus Mainz suchten regelmäßig den Ort auf; zeitweise existierte sogar ein eigener Kursaal für jüdische Gäste.

   http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20139/Langenschwalbach%20Israelit%2017061909.jpg Anzeige aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 17.6.1909

Schwalbach war aber auch Standort jüdischer Gastwirte und Händler war. Die Angehörigen der jüdischen Gemeinde waren bis in die NS-Zeit vor allem als Kaufleute tätig, um 1900 gab es auch noch einige Viehhändler.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20139/Bad%20Schwalbach%20Israelit%2010031884.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20175/Bad%20Schwalbach%20Israelit%2010051900.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20175/Bad%20Schwalbach%20Israelit%2016081900x.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20296/Bad%20Schwalbach%20Israelit%2031101901.jpg http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20221/Bad%20Schwalbach%20FrfIsrFambl%2026011906.jpg gewerbliche Anzeigen aus Bad Schwalbach

Ihren höchsten Mitgliederstand verzeichnete die Synagogengemeinde um 1900 mit fast 200 Personen; um 1930 lebten hier noch etwa 30 jüdische Familien.

Der Boykott vom 1.April 1933 markierte auch in Bad Schwalbach den Beginn der antijüdischen NS-Politik.

Während des Novemberpogroms setzte ein Rollkommando der Wiesbadener SA die Synagoge in Brand, dabei wurde ihre Inneneinrichtung völlig vernichtet. Das gleiche Schicksal traf zwei kleine Wohnhäuser in der Erbsenstraße. Eine größere Menschenmenge soll den Zerstörungen beigewohnt haben; auch Schüler wurden von ihrem Lehrer geschlossen zu der brennenden Synagoge geführt. Darüber hinaus wurden Geschäfte und Wohnungen jüdischer Eigentümer demoliert bzw. beschädigt. Drei jüdische Männer wurde festgenommen und ins KZ Buchenwald überstellt.

                 Über weitere Ausschreitungen berichtete der Bürgermeister bereits am 11.11.1938 an den zuständigen Landrat:

“ ... In Erledigung der ergangenen Anordnungen ... wird berichtet, daß zur Beseitigung der entstandenen Schäden Handwerker beauftragt worden sind, die Schaufenster, Türen und die Fenster der Wohnungen, welche bei der Aktion in Trümmer geschlagen wurden, wieder in Ordnung zu bringen. Das Fensterglas kann jedoch nicht sofort restlos ersetzt werden, da nicht genügend Glas vorhanden ist. Die Geschäfte und Wohnungen sind mit Brettern vernagelt und versiegelt. Es wird trotzdem Streifendienst seitens der SS durchgeführt, um etwaige Vorkommnisse zu verhindern. ...”

Wenige Tage nach dem Pogrom rief die NSDAP-Ortsgruppe Bad Schwalbach zu einer antijüdischen Kundgebung im Kurhaus auf:

    (aus: „Aarbote“ vom 12.11.1938)

Bereits 1939 lebten in Bad Schwalbach fast keine jüdischen Einwohner mehr; die meisten waren in andere deutsche Städte verzogen, nur ein kleiner Teil emigrierte. Die letzten fünf hier verbliebenen Juden wurden im Juni 1942 deportiert. Zahlreiche Schicksale sind ungeklärt; so finden sich in der Datenbank der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des „Gedenkbuches – Opfer der Verfolgung der Juden ...“ 65 aus Schwalbach stammende bzw. längere Zeit hier ansässig gewesene Juden, die der NS-Gewaltherrschaft zum Opfer gefallen sind; aus Kemel sind elf Juden deportiert u. ermordet worden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/bad_schwalbach_synagoge.htm).

 

Der jüdische Friedhof in Bad Schwalbach (östlich des Ortes gelegen) hat die NS-Zeit fast unbeschadet überstanden. Er besteht aus zwei Teilen: der ältere Teil liegt am Mühlweg, der neuere „Am Schänzchen“.

https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20378/Bad%20Schwalbach%20Friedhof%20a%20IMG_3674.jpg

Jüdischer Friedhof von Bad Schwalbach: älterer und neuerer Teil (Aufn. S. Haas, 2015, aus: alemannia-judaica.de und  Haffitt, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Auf Initiative des Ökumenischen Arbeitskreises der Kirchen hat die Stadt Bad Schwalbach am Standort der zerstörten Synagoge (Ecke Pestalozzistraße/Erbsenstraße) anlässlich des 50.Jahrestages der „Reichskristallnacht“ einen Gedenkstein mit -tafel aufgestellt.

https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20377/Bad%20Schwalbach%20Denkmal%20Synagoge%20020a.jpg Inschrift der Gedenktafel (Aufn. S. Haas, aus: alemannia-judaica.de)

Seit 2009 sind mehrere sog. „Stolpersteine“ in den Gehwegen von Bad Schwalbach (Brunnenstraße) zu finden. Mehr als zehn Jahre später kamen weitere 17 Steine hinzu; wovon die meisten in der Adolfstraße platziert wurden.

    Verlegung Stolpersteine in Bad Schwalbach | Bad Schwalbach Stolperstein Manfred Ackermannverlegt in der Brunnenstraße bzw. Kirchstraße

und in der Kirchgasse„Unfreiwillig verzogen“ steht auf den Stolpersteinen für Gerda und Manfred Ackermann. An ihrem letzten Wohnort vor der Deportation in der Kirchstraße in Bad Schwalbach hat die Stadt jetzt für eine würdige Erinnerung gesorgt. (Aufn. S. Stoppelbein, 2023)

 

 

Im nördlich von Bad Schwalbach gelegenen Holzhausen ü. Aar gab es eine kleine jüdische Gemeinschaft, deren Anfänge in die zweite Hälfte des 17.Jahrhunderts reichen. Die Holzhausener Juden betrieben anfangs ausschließlich Landwirtschaft (!); ihr Landbesitz soll sich zusammenhängend in einer Flur namens „Judengewann“ befunden haben. Später lebten sie vor allem vom Vieh- und Pferdehandel. Im Jahre 1876 weihte die Gemeinde einen winzigen Synagogenbau in der Fensterbachstraße ein, der einen abgerissenen Betraum ersetzte. Vor der Auflösung der Gemeinde wurde dieses Gebäude 1937 verkauft und dann in den 1970er Jahren niedergelegt. Einen eigenen Friedhof besaß die Gemeinde nicht; Verstorbene wurden auf den Friedhöfen in Burgschwalbach, Laufensfelden oder Wehen beerdigt.

Gemeinsam mit den wenigen Juden aus dem nahen Breithardt bildeten die hier lebenden Juden eine Kultusgemeinde, die Mitte des 19.Jahrhunderts mit insgesamt ca. 20 Familien ihren Höchststand erreichte. 1930/1333 waren es gerade noch ca. 20 Personen; den meisten von ihnen gelang die Emigration. Acht Holzhausener Juden wurden Opfer der „Endlösung“.

vgl.  Holzhausen ü. Aar (Hessen)

 

 

 

In der aus zehn Stadtteilen bestehenden Kommune Taunusstein wurden jüngst auf Beschluss des Magistrats in Wehen erstmals fünf sog. „Stolpersteine“ verlegt, die in der dortigen Weiherstraße an Angehörige der jüdischen Familie Nassauer erinnern (Stand 2022). Noch zwei Jahre zuvor hatte die Taunussteiner Stadtverwaltung eine Teilnahme am „Stolperstein“-Projekt abgelehnt und stattdessen die Aufstellung einer Gedenkstele präferiert.

In Bleidenstadt - ebenfalls Ortsteil von Taunusstein - wurden 2022 vier „Stolpersteine“ für Angehörige der Familie Kahn verlegt

vgl. Wehen (Hessen)

 

 

 

Weitere Informationen:

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 2, S. 287 – 291 und Band 1, S. 385/386

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Bilder - Dokumente, Eduard Roether Verlag, Darmstadt 1973, S. 186

Ausstellung “Juden in Bad Schwalbach” (November 1988), Ökumenischer Arbeitskreis der Kirchen in Bad Schwalbach

Wilfried Schüler, Juden in Bad Schwalbach, in: "Nassauische Annalen", No.103/1992, S. 141 f.

Thea Altaras, Synagogen und jüdische Rituelle Tauchbäder in Hessen – Was geschah seit 1945?, Königstein im Taunus, 2007, S. 368

N.N. (Red.), Stolpersteine gegen das Vergessen – Künstler am 23.Januar in Bad Schwalbach, in: „Wiesbadener Kurier“ vom 17.1.2009

Martina Bleymehl-Eiler, „Erinnern und nicht vergessen“. Ausstellung zu Schicksalen Schwalbacher Juden, Febr. 2009

Bad Schwalbach, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Dokumenten zur jüdischen Ortsgeschichte und zahlreichen Fotos der beiden jüdischen Friedhofsteile)

Auflistung der in Bad Schwalbach verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Bad_Schwalbach

Martina Bleymehl-Eiler, Orte der Erinnerung – Denkmäler in Bad Schwalbach, Verlag Stiftung Kur-Stadt-Apothekermuseum 2019

Susanne Stoppelbein (Red.), Bad Schwalbach. Stolpersteine gegen das Vergessen, in: „Wiesbadener Kurier“ vom 21.11.2020

Matthias Gubo (Red.), Stolpersteine in Taunusstein, in: „Wiesbadener Kurier“ vom 27.2.2021

Susanne Stoppelbein (Red.), Bad Schwalbach. Magistrat spendet für jüdisches Mahnmal, in: „Wiesbadener Kurier“ vom 11.8.2021

N.N. (Red.), Magistrat stimmt Stolpersteinen in Taunusstein zu, in: „Wiesbadener Kurier“ vom 11.11.2021

Michael Rossel (Red.), Verlegung Stolpersteine in Bad Schwalbach, Pressemitteilung des Magistrats der Stadt Bad Schwalbach vom 13.12.2021

Susanne Stoppelbein (Red.), Jeder dritte Jude in Bad Schwalbach ist ermordet worden, in: „Wiesbadener Kurier“ vom 2.2.2022

Thorsten Stötzer (Red.), Neue Stolpersteine in Bad Schwalbach, in: „Wiesbadener Kurier“ vom 7.2.2022

Pressemitteilung Kommune Taunusstein, Verlegung der ersten Stolpersteine in Taunusstein, in: „Taunussteiner Stadtnachrichten“ vom 7.6.2022

Susanne Stoppelbein (Red.), Zweiter Stolperstein in der Bad Schwalbacher Kirchgasse 4, in: „Wiesbadener Kurier“ vom 7.11.2023

Auflistung der in Taunusstein verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Taunusstein