Belgard (Hinterpommern)

 Die hinterpommersche Stadt Belgard - etwa 25 Kilometer südöstlich von Kolberg/Kolobrzeg - ist das heutige polnische Bialogard mit derzeit ca. 25.000 Einwohnern (Ausschnitt aus hist. Landkarte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze Polen' mit Bialogard rot markiert, H. 2007, aus: commons.wikimedia.org CC BY-SA 3.0).

Stadt Belgard - Lubinsche Karte von 1618 (aus: wikipedia.org, gemeinfrei)  Belgardt Lubin 1618.png

 

Die Stadt Belgard beherbergte zu Beginn des 18.Jahrhunderts einige wenige jüdische Familien. Gegen den Willen des Stadtrates waren die Juden auf Initiative der Belgarder Ritterschaft angesiedelt worden, die sich durch die Vermarktung hiesiger landwirtschaftlicher Produkte durch jüdische Händler wirtschaftliche Vorteile versprach. Doch konnte sich der Magistrat der Stadt zunächst durchsetzen, indem er weiteren Zuzug von Juden verhinderte, da angeblich bereits „zu viele Juden“ in der Stadt lebten; tatsächlich wohnten hier aber zu Beginn des 18.Jahrhunderts gerade einmal zwei Schutzjudenfamilien. Die seit ca. 1800 anwachsende jüdische Gemeinde errichtete im Jahre 1826 in der Jägerstraße ihre Synagoge, die sich äußerlich kaum von den Nachbarhäusern unterschied; zuvor hatte man sich in privaten Räumlichkeiten versammelt. Gemeindemitglieder konnten sich gegen Bezahlung einen festen Platz im Betraum sichern.

 Synagoge Belgard - Gebäude vor der Kirche (aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Etwa zwei Kilometer südlich der Stadt - unweit der Polziner Chaussee - befand sich der jüdische Friedhof, der in den 1820er Jahren eröffnet wurde; eine Chewra Kadischa existierte seit 1858.

Zur jüdischen Gemeinde Belgard gehörten auch die wenigen Familien in den Dörfern des nahen Umkreises, wie die aus Arnhausen, Boissin, Bulgrin, Reinfeld und Retzin. Um 1850 war Belgard für einige Jahre Sitz eines Rabbinats.

Juden in Belgard:

         --- 1736 .........................   2 jüdische Familien,

    --- 1764 .........................   4   “         “    ,

    --- 1812 .........................  25   “         “    ,

    --- um 1835 .................. ca.  85 Juden,

    --- 1849 ......................... 136   “  ,

    --- 1871 ......................... 243   “  ,

    --- 1880 ......................... 281   “  ,

    --- um 1890 .................. ca. 220   “  ,

    --- 1909 ......................... 135   “  ,

    --- 1928 ......................... 116   “  ,

    --- 1932 ..................... ca. 110   “  (in ca. 30 Familien),

    --- 1934 .........................  62   “  ,

    --- 1939 ..................... ca.  15   “  ,

    --- 1942 (Dez.) ..................  keine.

Angaben aus: M.Heitmann/J.H.Schoeps (Hrg.), “Halte fern dem ganzen Land jedes Verderben ...”, S. 41/42

Zentrum von Belgard, hist. Postkarte (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

 

Im Zusammenhang mit dem „Kapp-Putsch“ kam es 1920 in Belgard zu antisemitischen Ausschreitungen: Jüdische Männer wurden verhaftet und mit Erschießung bedroht, jüdische Läden geplündert. Infolge dieser Gewalttätigkeiten wanderte ein Teil der Juden aus der Stadt ab.

Nach 1938 wurde die Synagoge – sie hatte die Novembertage unbeschädigt überdauert - zweckentfremdet und diente einer SA-Abteilung als Unterkunft. Später wurde das Synagogengebäude als Wohnhaus genutzt und dann gegen Ende der 1980er Jahre (?) wegen Baufälligkeit abgerissen.

Der jüdische Friedhof war während der NS-Zeit zerstört worden. Heute sind keine sichtbaren Spuren vom Begräbnisgelände mehr zu finden.

   Ehem. Friedhofsgelände (Aufn. Aleksander Schwarz, aus: kirkuty.xip.pl)Cmentarz żydowski Białogard

 

 

 

Körlin (Corlin) - Lubinsche Karte von 1618 (aus: wikipedia.org, gemeinfrei)

Körlin a.d. Persante, das zwischen Kolberg und Belgard gelegene polnische Karlino (derzeit ca. 5.900 Einw.), war ebenfalls Sitz einer jüdischen Gemeinde, die gegen Mitte des 19.Jahrhunderts ihre höchste Mitgliederzahl erreichte. 1718 fand als erster Jude Abraham Levin hier Erwähnung. - Zunächst begruben die Körliner Juden ihre Verstorbenen auf dem Friedhof in Schivelbein, ehe dann seit 1814 ein Gelände in der Karlstraße zur Verfügung stand. (Anm.: Da es noch keine offizielle Synagogengemeinde gab, hatte das Oberhaupt der Gemeinschaft, Joseph Abel, das Areal erworben; später ging es dann in gemeindlichen Besitz über.)

Etwa zehn Jahre später errichtete die Gemeinde eine Hinterhofsynagoge; eine Mikwe war bereits seit einigen Jahren vorhanden.

Juden in Körlin:

       --- 1782 .......................  33 Juden,

    --- 1812 .......................  21   “  ,

    --- 1831 .......................  96   “  ,

    --- 1852 ....................... 131   “  ,

    --- 1861 ....................... 148   “  ,

    --- 1895 .......................  83   “  ,

    --- 1909 .......................  32   “  ,

--- 1925 ................... ca.  20   “  .

Angaben aus: Wolfgang Wilhelmus, Geschichte der Juden in Pommern, Statistik S. 251

Mitte der 1930er Jahre wohnten in Körlin noch neun jüdische Gewerbetreibende. Während der „Kristallnacht“ fiel das Synagogengebäude Brandstiftern zum Opfer. Ein Jahr später lebten im Ort nur noch zwölf jüdische Einwohner.

Der jüdische Friedhof überstand die NS-Zeit relativ unbeschadet, wurde dann in den 1970er Jahren aber eingeebnet.

 

 

 

Weitere Informationen:

Gerhard Drucker, Die jüdische Gemeinde in Belgard, aus: "Kreisheimatbuch Belgard ‘Der Kreis Belgrad’", o.J., S. 819 - 821

Gerhard Salinger, Jüdische Gemeinden in Hinterpommern, in: M.Heitmann/J.H.Schoeps (Hrg.), “Halte fern dem ganzen Land jedes Verderben ...” Geschichte und Kultur der Juden in Pommern, Georg Olms Verlag, Hildesheim/Zürich 1995, S. 41/42

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 100

Wolfgang Wilhelmus, Geschichte der Juden in Pommern, Ingo Koch Verlag, Rostock 2004

Gerhard Salinger, Die einstigen jüdischen Gemeinden Pommerns. Zur Erinnerung und zum Gedenken, Teilband 2, Teil III, New York 2006, S. 327 – 343 (Belgard) und S. 457 – 469 (Körlin)

Bialogard und Karlino, in: sztetl.org.pl

Biolagard - jewish cemetery, in: kirkuty.xip.pl