Bendorf (Rheinland-Pfalz)
Bendorf ist eine Stadt mit derzeit ca. 17.000 Einwohnern im äußersten Nordosten des Landkreises Mayen-Koblenz - rechtsrheinisch zwischen Koblenz und Neuwied gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Landkreis Mayen-Koblenz', Hagar 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Ein erster urkundlicher Hinweis auf einen Juden aus Bendorf stammt aus dem Jahre 1339; erst mehr als 250 Jahre später findet sich dann erneut ein Beleg dafür, dass eine jüdische Familie hier gelebt hat. In der Folgezeit scheinen sich mehrere jüdische Familien in Bendorf angesiedelt zu haben. Die beiden Adelsgeschlechter, die sich die Herrschaft über Bendorf teilten, nahmen die Juden unter ihren Schutz und ließen sich ihre Schutzbriefe entsprechend vergüten.
Über die Lage der hiesigen Judenschaft um 1720 gibt das damals bestehende Ortsrecht Auskunft; darin heißt es:„ ... Die Juden sollen keine Häuser noch Güthere mehr erblich an sich bringen. Soll auch den alhiesigen Schutzjuden vors Künftige ganzliche verboten und untersaget seyn, einige Häuser oder Güthere, unter welchem schein es auch wolle, erblich an sich zu bringen, auch sich selbst ihrem Gesinde, Sonn- und Feyertags, in ihren Häusern halten, allen Handels müßig gehen, und auf den Gassen, zumahl unter wehrenden Gottes Dienst sich bey Straf von 10 Gulden nicht sehen oder betreten lassen. ...”(in Art. 16/17 des Bendorfer Ortsrechts, 1720) Wie sich die Lebenssituation der im Amtsbezirk Bendorf ansässigen Juden darstellte, ist einem Bericht von 1811 an die herzogliche Regierung in Wiesbaden zu entnehmen; darin hieß es u.a.: „... Die Juden des Amtsbezirks ernähren sich durchgängig vom Handel und Viehschlachten, wozu ihnen die nicht unbeträchtlichen Viehmärkte, welche dahier in Vallendar und zu Bendorf abwechselnd von 14 zu 14 Tagen abgehalten werden, sehr dienlich sind. ...” 1828 gab sich die Bendorfer Judenschaft eine Synagogen-Verordnung. Ein erster Betraum ist seit 1711 nachweisbar; er wurde 1825 durch Brand zerstört, anschließend wieder aufgebaut und 1827 eingeweiht.
aus: „Der Israelit“ vom 26.6.1872 und 27.10.1892
Das schnelle Anwachsen der Bendorfer Juden ist auf die Gründung der „Jacoby’schen Heil- und Pflegeanstalt” für jüdische Nerven- und Gemütskranke in Bendorf-Sayn im Jahr 1869 zurückzuführen; deren Patienten kamen nicht nur aus Deutschland, sondern aus ganz Europa.
Mit der Erweiterung der Anstalt wurde auch ein eigener Synagogenraum eingerichtet und zudem ein kleiner Friedhof angelegt.
Eine ältere jüdische Begräbnisstätte für die Bendorfer Judenschaft ist bereits um 1700 erstmals erwähnt.
Aufn. Werner v. Basil, 2017, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0
Juden in Bendorf:
--- um 1710 ....................... 8 jüdische Familien,
--- 1816 .......................... 86 “ ,
--- 1843 .......................... 115 " ,
--- 1858 .......................... 144 “ ,
--- 1895 .......................... 108 “ ,
--- 1905 .......................... 96 " ,
--- 1924 .......................... 72 “ ,
--- 1933 ...................... ca. 60 " ,
--- 1943 .......................... keine.
Angaben aus: Dietrich Schabow, Zur Geschichte der Juden in Bendorf, S.11
Bachstraße in Bendorf, Postkarte um 1900 (Abb. aus: de.nailizakon.com)
Kleinanzeige aus: "Der Israelit" vom Jan. 1879
Zu einem Anschlag auf die Synagoge kam es in der Neujahrsnacht 1895, worüber ein Bericht der Bendorfer Zeitung vom 3.Jan. 1895 vorliegt:
"In der Neujahrsnacht wurde hier ein skandalöser Streich verübt, wie man ihn wohl nicht erwartet hatte. In dem engen Judengässchen, woselbst sich auch das Synagogengebäude unserer israelitischen Mitbürger befindet, wurde vor 12 Uhr nachts vermittelst einer Zündschnur eine größere Menge Pulvers zur Entladung gebracht, welche zur Folge hatte, dass an der Synagoge 56 Fensterscheiben und an dem gegenüberliegenden Hause eines Israeliten deren 13 zerstört wurden. Wenn wir auch im Hinblick auf das friedliche Verhältnis, welches zwischen den verschiedenen Konfessionen an unserem Platze erfreulicher Weise herrscht, nicht annehmen wollen, dass es sich um eine Provokation schmählichster Art handelt, so können wir doch nicht verhehlen, daß hier ein grober Unfug vorliegt, für welchen eine ganz exemplarische Strafe am Platze wäre. ..."
Ein Anschlag mit nationalsozialistischem Hintergrund wurde erstmals 1930 vermeldet.
In den folgenden Jahren ist ein Teil der Bendorfer Juden auf Grund der Folgen des wirtschaftlichen Boykotts, der zunehmenden Entrechtung und der Repressalien verzogen bzw. emigriert. Während des Novemberpogroms wurde die Bendorfer Synagoge verwüstet; die Einrichtungsgegenstände wurden entweder gestohlen oder auf dem Sportplatz verbrannt.
Aus der Bendorf-Sayner Anstalt, die ab 1940 als Sammellager für psychisch kranke Juden diente, wurden im Februar 1941 zahlreiche Patienten über Andernach nach Hadamar transportiert, um dort im Zuge der „Euthanasie“-Maßnahmen durch Gas ermordet zu werden. Ab Frühjahr 1942 gingen dann mehrere Bahntransporte mit psychisch erkrankten Juden über Koblenz „in den Osten“; ihre Spur verliert sich in den Vernichtungslagern. Nur wenige, „in privilegierter Mischehe“ Verheiratete blieben in Bendorf-Sayn zurück. Der letzte Transport verließ Bendorf im November 1942.
Von den in Bendorf geborenen bzw. länger hier lebenden jüdischen Personen sind nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." nachweislich 33 Opfer der NS-Gewaltherrschaft geworden (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/bendorf_synagoge.htm).
Nach Kriegsende lebten am Ort nur noch drei Personen jüdischen Glaubens.
Die jüdischen Friedhöfe liegen in Bendorf am Eichelsberg und in Sayn am Meisenhofweg. Der jüdische Friedhof am Eichelsberg - er besitzt eine Fläche von mehr als 7.000 m² - befindet sich heute in einem lichten Waldgelände.
aus der Fotodokumentation von Otmar Frühauf, 2010
drei auffällige Grabsteine
Auf dem Friedhof in Sayn wurde 1988 ein Gedenkstein mit der folgenden Inschrift aufgestellt:
Die Jacoby’schen Anstalten in Sayn waren 1940 - 1942 Sammellager für Juden.
Dort starben 146 Personen, die auf diesem Friedhof beigesetzt wurden.
Etwa 1000 Juden, darunter 32 Bürger unserer Stadt, wurden in die Vernichtungslager des Dritten Reiches deportiert.
Wir gedenken ihrer in Ehrfurcht und Trauer.
Die Bürger der Stadt Bendorf.
Auf Beschluss des Stadtrates wurde 1979 an der Stelle der ehemaligen Synagoge in der Spitalgasse, die seit 1988 wieder „Judengasse“ heißt, eine Gedenktafel angebracht, deren Inschrift lautet:
Hier stand die Synagoge der Israelitischen Gemeinde Bendorf
Sie wurde am 10.November 1938 unter der Herrschaft der Gewalt und des Unrechts zerstört.
Vier "Stolpersteine" erinnern seit 2008 an die deportierte und ermordete Familie Löb.
sog. „Stolpersteine“ für die Familie Löb, Bachstraße (Aufn. Werner v. Basil, 2017, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
Auf Veranlassung der Kirchengemeinden wurde eine zweite Tafel erstellt, die neben einer Menora den Spruch: „Haben wir nicht alle einen Vater” (Maleachi 2,10) trägt. Der seit 2001 bestehende „Verein Mahnmal Jacoby’sche Anstalt” initiierte die Errichtung eines aus zwei Stelen bestehenden Mahnmals mit den Inschriften:
Zum ehrenden Gedenken der 573 jüdischen Frauen und Männer
aus der ehemaligen Jacoby’schen Heil- und Pflegeanstalt Sayn und der Stadt Bendorf,
die 1942 in die nationalsozialistischen Vernichtungslager deportiert und dort ermordet wurden.
und
Friede, Friede, denen in der Ferne und denen in der Nähe,
spricht der Herr, ich will sie heilen - Jesaja 57,18
Nähere Angaben über Sayn und die dort beheimateten Jaboby‘schen Anstalten sind nachzulesen in der Präsentation unter: alemannia-judaica.de
Weitere Informationen:
Dietrich Schabow, Zur Geschichte der Juden in Bendorf, Hrg. Hedwig-Dransfeld-Haus e.V., Bendorf 1979
Dietrich Schabow, Auch in Sayn gab es eine Synagoge, in: "Bendorfer Zeitung" vom 17.5.1989
Jungsozialisten in der SPD in Bendorf (Hrg.), Bendorf unterm Hakenkreuz, Bendorf 1991
Dietrich Schabow, Juden in Bendorf 1199 – 1942. Eine Ausstellung zum Gedenken der Deportationen aus Bendorf im Jahre 1942, in: "Sachor", 2/1993, Heft 5, S. 46/47
Irene Stratenwerth, Leben und Sterben in Sayn. Vom Alltag einer jüdischen Nervenklinik in der NS-Zeit, in: "Brückenschlag", No. 16/2000, S. 1 - 9
The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 106
Stefan Fischbach/Ingrid Westerhoff (Bearb.), “ ... und dies ist die Pforte des Himmels”. Synagogen. Rheinland-Pfalz und Saarland, Hrg. Landesamt für Denkmalpflege Rheinland-Pfalz, Mainz 2005, S. 101/102
Bendorf, in: alemannia-judaica.de (mit diversen Textdokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Sayn – Stadt Bendorf, Jüdische Geschichte der Jacoby‘schen Anstalten, in: alemannia-judaica.de (detaillierte Darstellung mit Dokumentation)
Der jüdische Friedhof von Bendorf – Fotodokumentation der Grabsteine von Otmar Frühauf, in: Bendorf – Jüdischer Friedhof, aus: alemannia-judaica.de
Auflistung der Stolpersteine in Bendorf, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Bendorf