Berent (Westpreußen)

Kreis Karthaus 1818.jpgFile:POL Kościerzyna map.svg - Wikipedia Berent (auch Berendt) - eine Kleinstadt in Pomerellen südwestlich von Danzig - ist die heutige polnische Stadt Koscierzyna mit derzeit ca. 23.000 Einwohnern in der Woiwodschaft Pommern. Bei der 1.Teilung Polens (1772) wurde der Ort preußisch. Eine Ansiedlung von Deutschen setzte hier erst zu Beginn des 19.Jahrhunderts ein (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Polen' mit Koscierzyna rot markiert, Y. 2006, aus: commons.wikimedia.org CC BY-SA 3.0).

 

In dem erstmals um 1285 urkundlich genannten Dorfe Berent sind Juden erstmalig im Jahre 1732 erwähnt. Nach 1800/1810 setzte eine deutliche Zuwanderung jüdischer Familien ein; die meisten jüdischen Bewohner hat es hier in den vier Jahrzehnten nach 1850 gegeben.

Anfangs gab es hier nur ein kleines Bethaus in der Amtsfreiheit, im Jahre 1845 errichtete man für die stark angewachsene Gemeinde einen Synagogenneubau. Seit 1812 existierte eine jüdische Schule.

Ab Ende des 18.Jahrhunderts standen der Gemeinde zwei Älteste vor, die die Gemeinde gegenüber den Behörden vertraten und auch die geforderten Abgaben von den zur Berenter Gemeinde gehörigen Juden einzogen.

Ein Begräbnisgelände stand den jüdischen Familien seit Ende den 1780er Jahren zur Verfügung. Vor dieser Zeit gab es jeweils einen jüdischen Friedhöfe in den Dörfern Kischau und Kollenz, auf denen Verstorbene aus der gesamten Region begraben wurden.

Juden in Berent:

    --- 1775 .........................  18 Juden,

--- 1800 .........................   6 jüdische Familien,

--- 1809 .........................  32 Juden,

--- 1810 ......................... 225   “  ,

--- 1840 ......................... 325   “  ,

--- 1865 ......................... 423   “  ,

--- 1871 ......................... 426   “  (ca. 10% d. Bevölk.),

--- 1880 ......................... 468   “  ,

--- 1885 ......................... 420   “  ,

--- 1895 ......................... 363   “  (ca. 8% d. Bevölk.),

--- 1905 ......................... 276   “  (ca. 5% d. Bevölk.),

--- 1910 ......................... 173   “  , *         *andere Angabe: ca. 240 Pers.

--- 1920 .........................  95   “  ,

--- 1931 .........................  34   “  ,

--- 1935 .........................  19   “  .

Angaben aus: Max Aschkewitz, Zur Geschichte der Juden in Westpreußen, S. 14

und                 Gerhard Salinger, Zur Erinnerung und zum Gedenken - Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreußens, Teillband 1, S. 3/4

 

Nach 1871 setzte die Abwanderung der jüdischen Familien aus Berent ein und gewann um die Jahrhundertwende einen größeren Umfang.

Insgesamt ging die jüdische Bevölkerung in der Stadt in den Jahren von 1871 bis 1910 um ca. 250 Personen, d.h. um ca. 60% zurück.

Wie in anderen Orten der Region kam es auch in Berent auf Grund der Konitzer Ritualmordbeschuldigung (siehe Konitz) zu pogromartigen Ausschreitungen, die nur durch ein Einschreiten der Staatsmacht gegen den Mob beendet werden konnten.

                          Am Markt in Berent (hist. Aufn., um 1910)

Anfang der 1920er Jahre – nachdem Berent zum neugegründeten Staat Polen gekommen war - löste sich die inzwischen kleiner gewordene Gemeinde infolge Abwanderung völlig auf. Wer bis 1939 nicht abgewandert war, wurde danach ins Generalgouvernement verschleppt. Das Synagogengebäude war kurz nach Kriegsbeginn zerstört worden.

An ehemalige jüdische Ansässigkeit erinnert heute in Koscierzyna so gut wie nichts mehr; nur auf dem Gelände der ehemaligen Synagoge ist noch das Mauerwerk der Eingangspfosten vorhanden. Auch das während des Zweiten Weltkrieges verwüstete Friedhofsgelände weist keinerlei sichtbare Relikte mehr auf.

 

 

 

Im Kreise Berent gab es eine weitere, relativ große jüdische Gemeinde in Schöneck (poln. Skarszewy, derzeit ca. 7.000 Einw.) – etwa 30 Kilometer östlich von Berent -, deren Synagoge in den 1780er Jahren erbaut worden war.

Juden in Schöneck:

--- 1816 ........................ 196 Juden,

--- 1840 ........................ 288   “  ,

--- 1867 ........................ 217   “  ,

--- 1871 ........................ 226   “  (ca. 8% d. Bevölk.),

--- 1880 ........................ 154   “  ,

--- 1898 ........................ 145   “  (ca. 5% d. Bevölk.),

--- 1903 ........................  35 jüdische Haushalte,

--- 1913 ........................ 106   “  (ca. 3% d. Bevölk.),

--- 1921 ........................  40   “  .

Angaben aus: Gerhard Salinger, Zur Erinnerung und zum Gedenken - Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreußens, Teillband 1, S. 14f.

Auch hier ließ die Abwanderung, die um 1870 einsetzte, die Zahl der Gemeindemitglieder deutlich schrumpfen: von 226 Personen im Jahre 1871 (ca. 8% d. Bevölk.) auf nur noch ca. 100 im Jahre 1910. Nach der Angliederung des westpreußischen Gebiets an den polnischen Staat im Jahre 1920 setzte sich die zuvor schon erfolgte Abwanderung von Juden fort.

Die Besetzung durch deutsche Truppen im September 1939 beendete schließlich die Geschichte der Juden in Westpreußen. Während ein Teil von ihnen noch vor dem deutschen Einmarsch das Land verlassen hatte, fielen die anderen den Maßnahmen des NS-Staates zum Opfer. Bereits ein Jahr nach der Besetzung lebten in Westpreußen keine Juden mehr. Das Synagogengebäude wurde alsbald abgerissen.

Cmentarz żydowski w Skarszewach Auf dem weit außerhalb des Ortes liegenden jüdischen Friedhof erinnern heute nur Grabsteinrelikte an verstorbene jüdische Personen (Aufn. Polin, 2011, aus: sztetl.org.pl). An etwa 250 während der deutschen Besatzungszeit hier hingerichtete Polen und Juden erinnert ein Denkmal.

 

 

 

Weitere Informationen:

Max Aschkewitz, Der Anteil der Juden am wirtschaftlichen Leben Westpreußens um die Mitte des 19.Jahrhunderts, in: "Zeitschrift für Ostforschung", No.11/1962, S. 482 ff.

Max Aschkewitz, Zur Geschichte der Juden in Westpreußen, in: Wissenschaftliche Beiträge zur Geschichte und Landeskunde Ost-Mitteleuropas, hrg. vom Johann Gottfried Herder-Institut No. 81, Marburg 1967

Gerhard Salinger, Zur Erinnerung und zum Gedenken - Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreußens, Teillband 1 (Regierungsbezirk Danzig), New York 2009, S. 2 – 10 (Berent) und S. 11 – 22 (Schöneck)

Angaben aus: sztetl.org.pl (einschl. cmentarz żydowski w Skarszewach)

Krzysztof Bielawski (Bearb.), Skarszewy, in: kirkuty.xip.pl