Beraun (Böhmen)

Jüdische Gemeinde - Pilsen (Böhmen)Lage des Okres Beroun Die mittelböhmische ‚Königsstadt’ Beraun - an der Handelsstraße zwischen Prag und Pilsen - ist das tschechische Beroun mit derzeit ca. 21.000 Einwohnern - etwa 30 Kilometer südwestlich von Prag gelegen (Ausschnitt aus hist. Landkarte von 1905, aus: wikipedia.org/wiki/Böhmische_Westbahn, gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Tschechien' mit Lage des Kreises Beroun rot markiert, aus: wikipedia.org, gemeinfrei).

Die aus dem Jahre 1295 stammende befestigte königliche Stadt, unter deren Bewohnern damals zahlreiche deutsche Kaufleute waren, verlor nach dem Dreißigjährigen Krieg ihre wirtschaftliche Bedeutung. Erst mit dem Aufkommen der Textilindustrie im 19.Jahrhundert wuchs die Stadt wieder.

Wenceslas Hollar - Bohemian views 5.jpgBeraun um 1750 (Abb. aus: commons.wikimedia.org, gemeinfrei)

 

Ein erster Nachweis einer jüdischen Familie in Beraun stammt aus dem Jahre 1678. Beraun war eine Art Mittelpunkt für die jüdischen Familien, die in den umliegenden Dörfern ansässig waren. Als die für Juden geltenden Restriktionen aufgehoben wurden, setzte nach 1848 dann ein nennenswerter Zuzug von Juden nach Beraun ein. Doch erst im ausgehenden 19.Jahrhundert* entwickelte sich in Beraun eine jüdische Gemeinde. (*Anm.: nach einer anderen Angabe bereits 1852).

Die hier lebenden, wenig begüterten jüdischen Familien bestritten ihren Lebensunterhalt zumeist mit dem Kleinhandel.

Neben einer Synagoge und einem Friedhof verfügte die Gemeinde über eine eigene Schule, die ebenfalls in den 1870er Jahren eröffnet worden war.

                                          Ehem. Synagogengebäude (Aufn. ?)

Juden in Beraun:

    --- um 1850 ............................   6 jüdische Familien,

    --- 1910 ........................... ca. 400 Juden,*

    --- 1921 ............................... 133   "  ,

             ........................... ca. 290   "  ,*      * gesamte Gemeinde

    --- 1930 ............................... 113   “  ,

    --- 1942 ...............................  keine.

Angaben aus: The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), S. 132

und                   The Jewish Community of Beroun (Beraun), Hrg. Beit Hatfutsot – The Museum of the Jewish People

        Ak Beroun Beraun Mittelböhmen, Straßenpartie, Tor, DrogerieStraßenpartie in Beraun/Beroun (Abb. aus: akpool.de)

 

Während in der Zeit der NS-Herrschaft einigen jüdischen Familien noch die rettende Emigration nach Großbritannien bzw. Palästina gelang, wurden die in Beraun verbliebenen von den NS-Behörden nach Theresienstadt verschleppt und von hier aus 1942 in die Vernichtungslager deportiert.

 

Der in den 1880er Jahren angelegte jüdische Friedhof weist heute ca. 120 Grabsteine bzw. -stelen auf.


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jüdischer Friedhof in Beroun: Taharahaus - Grabstelen (Aufn. DG 2020, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0 und Juandev, 2015, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 Jüngst wurden auf Berouner Stadtgebiet einige sog. "Stolpersteine" verlegt, die an verschleppte/ermordete jüdische Bewohner erinnern (2023).

Berounské Stolpersteiny - Oficiální stránky města Beroun Abb. aus: mesto-beroun.cz

 

 

 

In der ca. zehn Kilometer südöstlich von Beraun gelegenen kleinen Ortschaft Litten (tsch. Liteň mit derzeit ca. 1.000 Einw.) hat jüdisches Leben nachweislich in der zweiten Hälfte des 17.Jahrhunderts begonnen; ob hier bereits im Spätmittelalter Juden gelebt haben, lässt sich nicht nachweisen. Die Familien lebten im Ort verstreut, nicht in einem ghettoartigen Bezirk. Gegen Ende des 18.Jahrhunderts ist eine Synagoge urkundlich nachweisbar; ein Neubau soll um 1880 erstellt worden sein.

Ein jüdischer Friedhof wurde bereits um 1680 angelegt; dieser diente auch Verstorbenen aus dem ländlichen Umland als letzte Ruhestätte.

Juden in Litten:

    --- 1715 ............................   4 jüdische Familien,

    --- 1793 ............................  23     “       “    ,

    --- 1849 ............................ 190 Juden (ca. 12% d. Bevölk.),*   * gesamte Gemeinde

--- 1890 ............................  52   “  ,

    --- 1930 ............................  13   “  .

Angaben aus: Jiri Fiedler, Jewish sights of Bohemia and Moaravia, S. 105

Mit der um 1850 einsetzenden Abwanderung jüdischer Familien begann sich jedoch ihre Auflösung abzuzeichnen. Um 1930 lebten nur noch 13 Juden am Ort.

Der jüdische Friedhof besitzt heute noch etwa 300 Grabsteine; die älteren sind schon tief ins Erdreich eingesunken.


jüdischer Friedhof in Liteň - Ruine des Taharahauses (Aufn. Pastorius, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

Im Dorfe Groß-Morschin (tsch. Mořina, derzeit ca. 800 Einw.) ist früheste jüdische Ansiedlung um 1725 bezeugt. In der zweiten Häfte des 18.Jahrhunderts bildete sich – nach Zuwanderung weiterer Familien – eine Gemeinde, die um 1840 ca. 15 Familien umfasste. Ihre Angehörigen lebten gemeinsam in einer Straße des Dorfes. Die Anlage des hiesigen Friedhofs (nordwestlich des Dorfes) muss bereits um 1735 erfolgt sein; der älteste Grabstein datiert von 1741.

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Zugang zum Friedhof - alte Grabsteine (Aufn. Pastorius, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0 bzw. Horák, 2007, wikipedia.org, CCO)

Nach 1990 wurde das Friedhofsgelände saniert und wieder in den Blick der Öffentlichkeit gerückt.

Das aus dem 19.Jahrhundert stammende Synagogengebäude wurde bis ca. 1905 genutzt. Zu dieser Zeit waren schon fast alle Familien abgewandert. Seit den 1920er Jahren wurde es von einem Sportverein genutzt. Das derzeit sich in Privatbesitz befindende Gebäude ist in einem verwahrlosten Zustand.

         Ehem. Synagogengebäude (Aufn. Pastorius, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Vom ehemaligen jüdischen Viertel sind an der Nordseite der Hauptstraße noch acht Häuser erhalten.

 

 

In Hostomitz (tsch. Hostomice pod Brdy, derzeit ca. 1.600 Einw.) erinnert ein in den 1830er Jahren angelegter jüdischer Friedhof an die Geschichte der hier beheimateten einstigen Kultusgemeinde. Auf dem seit 1988 als „geschütztes Kulturdenkmal“ eingestuften, mit einer Mauer umgebenen Begräbnisgelände befinden sich heute noch relativ guterhaltene Grabmale.

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Blick auf den jüdischen Friedhof von Hostomice pod Brdy (Aufn. J. Erbenová, aus: commons,wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

Weitere Informationen:

Jiri Fiedler, Jewish sights of Bohemia and Moaravia, Prag 1991, S. 105/106 (Litten) und S. 121/122 (Groß-Morschin)

The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 132/133

The Jewish Community of Beroun (Beraun), Hrg. Beit Hatfutsot – The Museum of the Jewish People, online abrufbar unter: dbs.bh.org.il/place/beroun

Jewish Families from Beroun (Beraun), Bohemia, Czech Republic, online abrufbar unter: geni.com/projects/Jewish-Families-from-Beroun-Bohemia/13864

Stadt Beroun (Red.), Berounské Stolpersteiny, in: mesto-beroun.cz (mit biografischen Angaben zu den betreffenden Personen)

Goslar – Regionalnachrichten für die Region (Red.), Berouner Stolpersteine: Impuls stammt aus Goslar, aus: regionalheute.de/goslar vom 25.4.2023