Bernburg/Saale (Sachsen-Anhalt)
Bernburg (Saale) mit derzeit ca. 32.000 Einwohnern ist Kreisstadt des Salzlandkreises – ca. 45 Kilometer südlich der Landeshauptstadt Magdeburg bzw. 40 Kilometer nördlich von Halle/Saale gelegen (Kartenskizzen 'Anhalt bis 1945', aus: wikipedia.org, gemeinfrei und 'Landkreis Salzlandkreis', aus: ortsdienst.de/sachsen-anhalt/salzlandkreis).
In der zweiten Hälfte des 19.Jahrhunderts erreichte die Zahl der jüdischen Gemeindeangehörigen in Bernburg mit maximal ca. 400 Personen ihren Höchststand.
Als eine an einer flachen Furt der Saale gelegenen Kleinstadt war Bernburg prädestiniert für den Handel, der die Entwicklung des Ortes in seinen Anfängen deutlich prägte. Die Niederlassung von Juden war mit dieser Funktion Bernburgs eng verknüpft. Eine erstmalige urkundliche Erwähnung einer „Judenschule“ erfolgte im Jahre 1454, doch kann davon ausgegangen werden, dass bereits wesentlich früher eine Niederlassung von Juden in Bernburg erfolgt sein muss, nämlich vermutlich ab 1301 im sog. „Judendorf“ („joddendorp“) - der Bereich der mittelalterlichen jüdischen Ansiedlung - wo sich auch ihr erster Friedhof befand. Die Bernburger Juden trieben zu dieser Zeit einen florierenden Handel und waren im Geldverleih tätig. 1457 sollen die Juden für Jahre aus Bernburg vertrieben gewesen sein; erneute Erwähnung ist 1474 datiert. Über viele Jahrzehnte hinweg lebten keine Juden in Bernburg, ehe sich dann im 17.Jahrhundert auf Betreiben der Landesherren – der erste Schutzbrief wurde 1648 vom Fürsten Christian II. ausgestellt - wieder mehr Juden in der Stadt ansiedeln konnten; hier lebten sie vor allem von der Pfandleihe und dem Kleinhandel, waren aber auch im überregionalen Handelsverkehr vertreten. Als wohlhabende Hoffaktoren sorgten sie für den fürstlichen Hof.
Bernburg an der Saale - Stich M. Merian, um 1650 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)
Ab Mitte des 18.Jahrhunderts setzte dann eine weitere stärkere Zuwanderung ein. Um den Neuankömmlingen eine vorläufige Unterkunft zu bieten, richtete die hiesige Judenschaft eine „Judenherberge“ ein, die auch durchreisenden jüdischen Messe-Kaufleuten als Zwischenstation diente.
Ihren zweiten Friedhof hatten die Bernburger Juden im 15.Jahrhundert im Südwesten der Altstadt angelegt, ehe dann 1826 der von einer Mauer umgebene neue Begräbnisplatz am Rößeberg in Nutzung genommen werden konnte. Eine alte Inschrift am Eingangstor weist darauf hin, dass der Friedhof unter Herzog Alexius Friedrich Christian eingeweiht wurde.
Aufn. H.-P-Laqueur
Bis in die NS-Zeit fanden hier mehr als 500 Beerdigungen statt.
Ab 1731 bestand eine Synagoge in der Neustadt; etwa 100 Jahre später - im Sommer 1835 - eröffnete man eine größere in der Breiten Straße; die Einweihungspredigt hielt der Landesrabbiner von Anhalt-Bernburg, Dr. Salomon Herxheimer. Das Synagogengebäude stand auf einem Hofgrundstück im Zentrum der Altstadt und war ein repräsentativer Saalbau mit Rundbogenfenstern im Stil des Klassizismus.
Seitenansicht der Synagoge in Bernburg (einziges erhaltenes Foto)*
* aus dem Nachlass von Berthold Simonsohn, veröffentlicht in: Wilma Aden-Grossmann, Berthold Simonsohn. Biographie eines jüdischen Sozialpädagogen und Juristen (1912–1978), Campus Verlag, Frankfurt/Main 2007
Zudem gab es in Bernburg eine mehrklassige jüdische Schule.
Die Blütezeit jüdischen Lebens in Bernburg lag im 19.Jahrhundert; wesentlichen Anteil daran hatte Salomon Herxheimer, der hier von 1832 bis 1879 als Landesrabbiner amtierte.
Salomon Herxheimer (geb. 1801 in Dotzheim bei Wiesbaden) begann im Alter von 13 Jahren ein Studium an einer Jeschiwa in Mainz und erlernte gleichzeitig weltliche Fächer. Von 1824 bis1827 studierte er an der Universität Marburg Pädagogik, Geschichte und orientalische Sprachen. 1830 war er zunächst Rabbiner in Eschwege, ehe er dann ein Jahr später - im Alter von nur 30 Jahren - von Herzog Alexius von Anhalt-Bernburg zum Landesrabbiner von Anhalt-Bernburg berufen worden. Maßgeblich wurde von ihm die liberale Entwicklung der Bernburger Gemeinde beeinflusst. Er hinterließ ein umfangreiches theologisches Werk, u.a. eine neue Bibelübersetzung aus dem Hebräischen und seine 1831 publizierte "Israelitische Glaubens- und Pflichtenlehre für Schule und Haus" („Jesode ha-Torah“) - seitdem in 29 (!) Auflagen erschienen. Dr. Salomon Herxheimer starb im Jahre 1884 an seiner Wirkungsstätte in Bernburg.
Juden in Bernburg:
--- 1692 ........................ ca. 50 Juden,
--- 1721 ........................ ca. 120 " ,
--- 1766 ............................ 170 " ,
--- 1803 ............................ 232 " ,
--- 1834 ............................ 231 “ ,
--- 1844 ............................ 344 “ ,
--- 1867 ............................ 340 “ ,
--- 1875 ............................ 337 " ,
--- 1887 ............................ 400 “ ,
--- 1905 ............................ 306 " ,
--- 1913 ........................ ca. 200 “ ,
--- 1925 ............................ 206 “ ,
--- um 1930 ..................... ca. 200 “ ,
--- 1933 ............................ 195 “ ,* * andere Angabe: 172 Pers.
--- 1941 ............................ 58 “ ,
--- 1945 ............................ 7 “ .
Angaben aus: Helmut Eschwege, Geschichte der Juden im Territorium der ehemaligen DDR, Band III, S. 1207 f
und Karl-Heinz Schmidt (Bearb.), Bernburg, in: Jüdisches Leben in Anhalt, S. 26
hist. Postkarte, um 1910 (Abb. aus: akpool.de)
Zu Beginn des 19.Jahrhunderts lebten in Bernburg mehr als 200 Juden, die nach wie vor Schutzgeld zahlen mussten. Erst in der Folgezeit erlangten sie volle staatsbürgerliche Rechte und konnten sich nach und nach integrieren. Im Wirtschaftsleben der Stadt besaßen sie großen Einfluss, insbesondere in den Bereichen Handel, Bankgewerbe und Zeitungswesen. Ende der 1920er Jahre waren Bernburger Juden Inhaber kleinerer und größerer Geschäfte fast aller Branchen und Besitzer dreier Bankinstitute; letztere waren die Bankiersfamilien Levi Calm & Söhne, Gumpel & Samson und das Bankhaus Wolff. Auch drei jüdische Ärzte und ein Rechtsanwalt lebten in der Stadt. Bis Anfang der 1930er Jahre blieb die Zahl der Juden nahezu konstant bei rund 200 Personen. Nach der NS-Machtübernahme zerfiel die jüdische Gemeinde jedoch rasch.
Auch in Bernburg fand der Boykott jüdischer Geschäfte statt; mehr als 30 Geschäfte/Unternehmen waren hier von den reichsweit durchgeführten "Aktion" betroffen. In Folge setzte nun die Abwanderung und Emigration jüdischer Familien ein.
Der Novemberpogrom von 1938 hinterließ auch in Bernburg sichtbare Spuren. So wurden Gebäude und Geschäfte jüdischer Eigentümer verwüstet, die Synagoge wurde geplündert und in Brand gesteckt und gleich danach abgetragen.
„Der Mitteldeutsche - Bernburger Stadtnachrichten” vom 11.11.1938 berichtete:
Volksempörung gegen Juda
Wie zu erwarten war, hat der jüdische Mordanschlag auf den deutschen Gesandtschaftsrat Pg. vom Rath die tiefste Empörung bei allen deutsch empfindenden Menschen ausgelöst. Nur zu natürlich, daß sich bei Bekanntwerden des Ablebens dieses neuen Blutopfers der jüdischen Mordbanditen die Entrüstung auch in weitesten Kreisen der Bernburger Bevölkerung Luft machte. Ebenso selbstverständlich war, daß die davon Betroffenen die Artgenossen des jüdischen Mörders waren, deren Bernburger Geschäfte in der Nacht zu Donnerstag für den künftigen Kundenbesuch aus den Kreisen pflichtvergessener Volksgenossen “untauglich” gemacht wurden. Hoffentlich haben sie so viel Taktgefühl, sich nicht erneut zu Judenknechten herabzuwürdigen und setzen die neuen Scheiben nur in deutsche Geschäfte ein. Die Synagoge in der Breiten Straße hat bei der Abrechnung mit unseren Volksfeinden so ziemlich restlos ebenfalls das Zeitliche gesegnet. ... Während der antijüdischen Protestaktion mußten die männlichen Judenstämmlinge in Schutzhaft genommen werden.
Männliche jüdische Einwohner wurden in Haft genommen und kamen über Dessau ins KZ Buchenwald. 1939 lebten nur noch 30 Juden in der Stadt. Drei Jahre später wurden 16 ältere jüdische Bürger nach Theresienstadt deportiert; nur zwei von ihnen kehrten zurück.
Nach Kriegsende waren in Bernburg sieben (!) Einwohner jüdischen Glaubens gemeldet. 1954 fand die letzte Beisetzung auf dem Jüdischen Friedhof am Rößeberg statt. Während die Synagoge nicht erhalten geblieben ist, steht der imposante Torbau des jüdischen Friedhofes, das „Tor der Ewigkeit“, bis auf den heutigen Tag.
Torbau des Bernburger Friedhofs (Aufn. H.-P. Laqueur, 2007) und Eingangstor (Aufn. 2005, )
Auf dem ca. 2.800 m² großen Areal am Rößeberg sind noch mehr als 500 Grabstätten (mit nahezu 400 Grabsteinen) vorhanden; zahlreiche Steine sind jedoch verwittert und umgestürzt, ihre Beschriftungen kaum mehr lesbar. Während eines internationalen Jugendcamps im Jahre 2004 wurden die Steine zumeist wieder aufgerichtet. Diese jüdische Begräbnisstätte – sie ist seit 1999 der Öffentlichkeit zugänglich - hatte die NS-Zeit fast unbeschadet überstanden, war dann aber in den 1950er- und 1980er Jahren schwer geschändet worden.
Aus Anlass des 55.Jahrestages des Novemberpogroms wurde 1993 am Bernburger Lindenplatz eine Gedenktafel angebracht.
Am ehemaligen Standort der Synagoge wurde auf Initiative der Arbeitsgruppe „Juden in Bernburg” im Jahr 2000 eine Gedenk- und Informationstafel angebracht, die folgende Inschrift trägt:
Bernburg: 1835 - 1938
Ein Psalm Davids (Ps 15,1):
Gott, wer darf weilen in deinem Zelt ? Wer darf wohnen auf deinem heiligen Berge ?
(Abb. der Synagoge)
Auf diesem Grundstück Breite Straße 14 stand seit 1835 die Synagoge der Jüdischen Gemeinde.
Während der Novemberpogrome 1938 wurde die Synagoge in der Nacht vom 9. zum 10.November 1938 niedergebrannt und abgerissen.
Das zur Synagoge gehörende Wohnhaus an der Breiten Straße wurde 1987 abgebrochen.
Stadt Bernburg (Saale) am 9.November 2000
Gedenktafel (Aufn. aus: commons.wikimedia.org)
Seit 2014 befindet sich eine neue mit Informationen versehene Tafel am ehemaligen Standort der Bernburger Synagoge (Abb. aus: commons.wikimedia.org, 2014) und ersetzte die bisherige obig abgebildete Hinweistafel.
2017 wurden in den Straßen Bernburgs die ersten zehn sog. „Stolpersteine“ verlegt, die zumeist Angehörigen der Familie von Sally Lewy gewidmet sind; weitere elf Steine folgten zwei Jahre später. Nach der vierten Verlegeaktion (Nov. 2024) sind derzeit an 23 Standorten insgesamt mehr als 60 messingfarbene Gedenktäfelchen in der Gehwegpflasterung der Saale-Stadt zu finden.
verlegt Hallesche Straße (alle Aufn. Uli Vogel, 2022, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0)
verlegt in der Lindenstraße
Die 2008 neu gegründete Jüdische Gemeinde Bernburg gehört dem Landesverband der liberal Israelitischen Gemeinden Sachsen-Anhalts an.
In Bernburg wurde 1793 Isaak Marcus Jost geboren, der neben Leopold Zunz zu den bekannten jüdischen Historikern des 19.Jahrhundert gehörte. Bleibende Bedeutung brachte ihm sein neunbändiges Hauptwerk „Geschichte der Israeliten von der Zeit der Makkabäer bis auf unsere Tage“. Er starb 1860 in Frankfurt/M.
Berthold Simonsohn (geb. 1912 in Bernburg) machte sich einen Namen als Jurist, Hochschullehrer und Leiter der Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland. Nach seinem Abitur am Gymnasium in Bernburg studierte er Jura an den Universitäten Halle und Leipzig; sein juristisched Staatsexamen wurde ihm wegen seiner „jüdischen Abstammung“ verwehrt. Sein politisches Engagement (als Sozialist u. Zionist) gegen den Nationalsozialismus führte zu mehreren Inhaftierungen. Bis in das Jahr seiner Deportation nach Theresienstadt (1942) war Simonsohn als Bezirksfürsorger für Nordwestdeutschland für die „Reichsvereinigung der deutschen Juden“ tätig. Er überlebte von 1942 bis 1945 fünf Konzentrationslager und wurde Ende April 1945 in der Nähe Münchens von US-Truppen befreit. Nach der Wiedergründung der von den Nationalsozialisten verbotenen Zentralwohlfahrtsstelle der Juden in Deutschland wurde Simonsohn im Jahre 1951 als erster Geschäftsführer mit dem Aufbau der jüdischen Wohlfahrtsorganisation beauftragt, deren Leitung er bis 1961 inne hatte. 1962 wurde er auf eine Professur für Sozialpädagogik und Jugendrecht an die Universität in Frankfurt/M. berufen. Er starb 1978 in Frankfurt/M.
In der zwischen Bernburg und Aschersleben liegenden Ortschaft Güsten (heute zur Verbandsgemeinde Wipperaue/Salzlandkreis gehörig) sollen ab der Mitte des 18.Jahrhunderts mehrere jüdische Familien gelebt haben; der älteste Schutzbrief für einen Juden in Güsten datiert von 1709. Im Laufe der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts nahm die Zahl der Familien weiter zu (siehe Statistik). Zur Bildung einer Kultusgemeinde kam es erst Ende der 1850er Jahre, als sich diese eine Verfassung gab. Verstorbene wurden zunächst auf dem im 18.Jahrhundert angelegten Friedhof in Neundorf beerdigt. Ein eigenes Begräbnisgelände wurde um 1830 westlich der Ortschaft am Rande der Gemarkung angelegt ("Judenbusch") und ca. drei Jahrzehnte später durch ein neues (an der Rathmannsdorfer Straße) ersetzt.
Zudem gab es in der Tempelgasse, der späteren Schmalen Gasse, eine Synagoge.
Juden in Güsten/Amt Warmsdorf:
--- 1756 ...................... ca. 40 Juden,
--- 1777 .......................... 70 " ,
--- 1812 .......................... 118 " ,
--- 1831 .......................... 102 “ (in 29 Familien),
--- 1833 .......................... 88 “ ,
--- 1855 .......................... 96 “ ,
--- 1866 .......................... 88 “ ,
--- 1890 .......................... 45 “ ,
--- 1907 .......................... 12 “ ,
--- 1932 .......................... 4 “ .
Angaben aus: Reiner Krziskewitz (Bearb.), Güsten, in: D. Bungeroth/J.Killyen/W.-E.Widdel (Red.), Jüdisches Leben in Anhalt - ..., S. 113
Nach 1900 löste sich die Gemeinde wegen Abwanderung ihrer Mitglieder auf; zu Beginn der NS-Zeit lebten nur noch fünf Juden in Güsten. Die etwa 20 Grabsteine des Friedhofs wurden in der NS-Zeit abgeräumt und zweckentfremdet, auf dem Gelände eine Obstplantage angelegt. Heute erinnert auf dem Areal nur ein Gedenkstein an den früheren jüdischen Friedhof.
Grabmalfreies Friedhofsgelände (Aufn. H.-P. Laqueur, 2007)
Eine am Eingang angebrachte kleine Tafel informiert: „Neuer jüdischer Friedhof – gestiftet 1856 von der Gemeinde Güsten – zerstört beim Pogrom 1938 – neu gestaltet 1968 als Gedenkstätte – Die Toten mahnen: Mögen ihre Seelen eingebunden sein in das Bündel des Lebens.“
Im unmittelbar nördlich von Bernburg gelegenen Nienburg/Saale sollen um 1740/1750 zehn jüdische Familien gelebt haben; die ersten sollen bereits im späten 17.Jahrhundert hier ansässig gewesen sein. Anfänglich suchten die Nienburger Juden die Bernburger Synagoge auf; um 1690 muss es im Ort einen eigenen Betraum gegeben haben. Als dann aber kein Minjan mehr zustande kam, wurden erneut Gottesdienste in Bernburg aufgesucht. Als um 1800 durch Zuzüge die Zahl der religionsmündigen Männer wieder angewachsen war, erteilte der Landesherr die Erlaubnis, wieder eine eigene Betstube einzurichten; wenige Jahre später richtete die kleine Gemeinde eine Herberge für durchreisende Juden ein. Aus dem Jahre 1829 ist der Bau einer Synagoge (am Schäferplatz) nachgewiesen, der auch eine Schule angeschlossen war. Etwa ein Jahrzehnt später legte die Gemeinde außerhalb der Stadtmauer ihren Friedhof an.
Juden in Nienburg:
--- 1756 ........................ ca. 25 Juden,
--- 1819 ............................ 52 " ,
--- 1833 ............................ 48 “ ,
--- 1855 ............................ 31 “ ,
--- 1890 ............................ 16 “ ,
--- 1901 ............................ 15 “ ,
--- 1913 ............................ 10 “ ,
--- 1933 ............................ 11 “ ,
--- 1938 ............................ 6 “ .
Angaben aus: Bernd G. Ulbrich (Bearb.), Nienburg/Saale, in: Jüdisches Leben in Anhalt, S. 40
Die Gemeinde schrumpfte auf Grund von Abwanderung innerhalb nur weniger Jahrzehnte stark zusammen. Die verbliebenen Mitglieder schlossen sich der in Bernburg an. Das bereits stark verfallene, nicht mehr genutzte Synagogengebäude wurde 1888 aufgegeben und verkauft; der neue Besitzer ließ es zu einem Wohnhaus umbauen.
Von dem zu Beginn des 19.Jahrhunderts angelegten Friedhof, auf dem verstorbene Juden aus Nienburg und dem Umland beerdigt wurden, sind heute nur noch Grabsteine bzw. -relikte vorhanden.
Die „Adolf-Meyer-Straße“ des Ortes hat ihren Namen von dem aus einer jüdischen Familie Nienburgs stammenden und später zum Katholizismus übergetretenen Ehrenbürger Adolf Meyer, der der Kleinstadt beträchtliche Vermögenswerte in Form von Stiftungen hinterlassen hatte.
In Staßfurt - wenige Kilometer westlich von Bernburg - sollen bereits im ausgehenden Mittelalter Juden gelebt haben und hier im Salzhandel tätig gewesen sein. Ihre Vertreibung aus der Stadt lässt sich nicht genau datieren.
Die Wurzeln der kleinen neuzeitlichen Gemeinde in Staßfurt liegen in den 1840er Jahren; zur Bildung einer Synagogengemeinde kam es 1882, als der Ort ca. 60 Bürger israelitischen Glaubens zählte. Um 1900 setzte sich die Gemeinde aus ca. 70 Mitgliedern zusammen, danach begannen die meisten Familien abzuwandern. Wurden Verstorbene zunächst auf dem Friedhof in Güsten beerdigt, so konnte ab den 1870er Jahren ein ca. 200 m² großes Begräbnisgelände bei Staßfurt, im Ortsteil Leopoldshall, genutzt werden. Für gottesdienstliche Treffen stand bis Anfang der 1930er Jahre eine Betstube am Schäfereiberg zur Verfügung. Etwa zeitgleich löste sich die Gemeinde auf; die verbliebenen jüdischen Einwohner suchten fortan Gottesdienste in Magdeburg auf. Über ihre Schicksale in der NS-Zeit liegen kaum Informationen vor.
Der in jüngster Vergangenheit mehrfach geschändete kleine Friedhof an der Hecklinger Straße mit seinen nur neun Grabsteinen besteht heute noch; 1987 wurde hier eine Gedenktafel angebracht.
jüdischer Friedhof in Staßfurt (Aufn. Hans-Peter Laqueur, 2007)
Zwischen 2011 und 2015 wurden in Staßfurt nahezu 30 sog. „Stolpersteine“ verlegt, die Opfern der NS-Gewaltherrschaft gewidmet sind.
verlegt in der Steinstraße (Aufn. Migebert, 2016, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
Weitere Informationen:
Germania Judaica, Band III/1, Tübingen 1987, S. 111
Helmut Eschwege, Geschichte der Juden im Territorium der ehemaligen DDR, Dresden 1990, Band III, S. 1207 f.
Zeugnisse jüdischer Kultur - Erinnerungsstätten in Mecklenburg-Vorpommern, Brandenburg, Berlin, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen, Tourist Verlag GmbH, Berlin 1992, S. 168/169
Dietrich Bungeroth, Spurensuche - Was wurde aus den Juden der Stadt Bernburg ? Hrg. Verein der Freunde und Förderer der Kulturstiftung Bernburg e.V., erw. 3.Auflage, Bernburg 1993
M.Brocke/E.Ruthenberg/K.U.Schulenburg, Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland (Neue Bundesländer/DDR und Berlin), in: "Veröffentlichungen aus dem Institut Kirche und Judentum", Hrg. Peter v.d.Osten-Sacken, Band 22, Berlin 1994, S. 253 – 255
Ute Hoffmann, Bernburg, in: Jutta Dick/Marina Sassenberg (Hrg.), Wegweiser durch das jüdische Sachsen-Anhalt, Verlag für Berlin-Brandenburg, Potsdam 1998, S. 28 - 39
Geschichte jüdischer Gemeinden in Sachsen-Anhalt - Versuch einer Erinnerung, Hrg. Landesverband Jüdischer Gemeinden Sachsen-Anhalt, Oemler-Verlag Wernigerode 1997, S. 34 – 41, S. 112 – 114, S. 205 – 207 und S. 246 - 249
Holger Brülls, Synagogen in Sachsen-Anhalt, Arbeitsberichte des Landesamtes für Denkmalpflege in Sachsen-Anhalt 3, Verlag für Bauwesen, Berlin 1998, S. 96 - 105
Joachim Grossert, Vom Umgang mit dem jüdischen Erbe im Landkreis Bernburg, in: Anhalt, deine Juden ... - Dessauer Herbstseminar 2000 zur Geschichte der Juden in Deutschland, Hrg. Moses-Mendelssohn-Gesellschaft Dessau e.V., Heft 13/ 2002, S. 39 – 49
Erich Vogel, Die Israelitische Gemeinde zu Nienburg, in: Anhalt, deine Juden ... - Dessauer Herbstseminar 2000 zur Geschichte der Juden in Deutschland, Hrg. Moses-Mendelssohn-Gesellschaft Dessau e.V., Heft 13/ 2002, S. 51 - 57
Joachim Grossert (Bearb.), Zeittafel zur Geschichte der Juden in Bernburg, Hrg. Landkreis Bernburg 2004
Bernd G. Ulbrich (Bearb.), Nationalsozialismus u. Antisemitismus in Anhalt. Skizzen zu den Jahren 1932 bis 1942, edition RK, Dessau 2005
Bernd G. Ulbrich (Bearb.), Die Zerstörung der Synagogen in Anhalt, November 1938, online abrufbar unter: mendelssohn-dessau.de/wp-content/uploads/ulbrich_zerstoerung_synagogen_1938.pdf
Wilma Aden-Grossmann: Berthold Simonsohn. Biographie eines jüdischen Sozialpädagogen und Juristen (1912–1978). Campus Verlag, Frankfurt/Main u. a. 2007
Reiner Krziskewitz, Die Entstehung der jüdischen Gemeinde in Bernburg nach dem Dreißigjährigen Krieg, in: "Mitteilungen des Vereins für Anhaltinische Landeskunde", Bd. 18 (2009), S.111 - 131
Bernburg – Der jüdische Friedhof, in: alemannia-judaica.de (mit Aufnahmen)
Daniel Wrüske (Red.), Denkmal soll an deportierte Juden aus Staßfurt erinnern, in: „Volksstimme“ vom 29.5.2009
Reiner Krziskewitz (Bearb.), Juden in Anhalt-Bernburg im 18.Jahrhundert: „Mitteilungen des Vereins für Anhaltinische Landeskunde“, Band 20/2011, S. 129 - 171
Isabell Amme/Johannes Puritz (Bearb.), Das Leben des Staßfurter Juden David Bartfeld: Erst abgeschoben, dann ermordet, online abrufbar unter: stassfurt.de/datei/anzeigen/id/11960,1065/david_bartfeld_gymnasium.pdf
Erinnerung an das Zentrum des jüdischen Lebens in Bernburg, in: „Salzland-Magazin“ vom 10.11.2014
M. Breitenberger (Red.), In memoriam Berthold Simonsohn, in: thinktankboy.wordpress.com vom 3.1.2015
Bernhard Spring/Torsten Adam (Red.), Jüdischer Friedhof in Bernburg: Das Familiengeheimnis von Helmut Schmidt, in: „Mitteldeutsche Zeitung“ vom 13.11.2015
Reiner Krziskewitz (Bearb.), Aus der Geschichte der jüdischen Gemeinden Anhalt-Bernburgs im Zeitalter der Emanzipation,in: „Mitteilungen des Vereins für Anhaltinische Landeskunde“, Band 24/2015, S. 87 - 112
Lutz Miehe (Red.), Adolf Meyer und seine in Nienburg (Saale) errichteten Stiftungen, in: "Sachsen-Anhalt-Journal", Ausg. 3/2016
Andreas Braun (Red.), Kunstprojekt: Steine gegen das Vergessen, in: „Mitteldeutsche Zeitung“ vom 27.3.2017
Arbeitskreis für jüdische Geschichte in Bernburg (Hrg.), STOLPERSTEINE für Bernburg (Saale) - Ein Kunstprojekt für Europa von Gunter Demnig. Erinnerung - Gedenken - Information (Faltblatt), Bernburg 2017
Stadt Bernburg (Hrg.), Projekt „Stolpersteine in Bernburg“, online abrufbar unter: bernburg.de/de/stolpersteine.html (mit Biografien der betroffenen Familien/Personen)
Joachim Grossert (Bearb.), Bernburger Juden – Erinnerung und Mahnung, online abrufbar unter: mendelssohn-dessau.de/wp-content/uploads/Joachim-Grossert.pdf
J. Grossert, Stolpersteine für sechs Mitglieder der Familie Madelong/Schönstädt – Lindenstraße, online abrufbar unter: bernburg.de (2019)
J. Grossert, Stolpersteine für die Geschwister Alfred und Jenny Katzenstein – Hallesche Straße, online abrufbar unter: bernburg.de (2019)
J. Grossert, Ein Stolperstein für Sidonie Simonsohn - Friedenallee, online abrufbar unter: bernburg.de (2019)
Auflistung der Stolpersteine in Bernburg, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Bernburg
Arbeitskreis für jüdische Geschichte in Bernburg, Stolpersteine für Bernburg (Saale) – Ein Kunstprojekt für Europa von Gunter Demnig (Faltblatt von 2019)
Auflistung der Stolpersteine in Staßfurt, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Staßfurt
Karl-Heinz Schmidt (Bearb.), Bernburg, in: D. Bungeroth/J.Killyen/W.-E.Widdel (Red.), Jüdisches Leben in Anhalt - „Suche den Frieden und jage ihm nach“ (Psalm 34, 15), Hrg. Kirchengeschichtliche Kammer der Ev. Landeskirche Anhalts, Dessau-Roßlau 2020, S. 16 - 27 (in 3.Aufl. 2023, S. 18 - 29)
Bernd G. Ulbrich (Bearb.), Nienburg, in: D. Bungeroth/J.Killyen/W.-E.Widdel (Red.), Jüdisches Leben in Anhalt - „Suche den Frieden und jage ihm nach“ (Psalm 34, 15), Hrg. Kirchengeschichtliche Kammer der Ev. Landeskirche Anhalts, Dessau-Roßlau 2020, S. 32 - 41 (in 3. Aufl. von 2023, S. 34 - 43)
Reiner Krziskewitz (Bearb.), Güsten, in: D. Bungeroth/J.Killyen/W.-E.Widdel (Red.), Jüdisches Leben in Anhalt - „Suche den Frieden und jage ihm nach“ (Psalm 34, 15), Hrg. Kirchengeschichtliche Kammer der Ev. Landeskirche Anhalts, Dessau-Roßlau 2020, S. 106 – 113 (in 3. Aufl. von 2023, S. 108 - 115)
Katharina Thormann (Red.), Jeder Stein ein Schicksal. Dritte Aktion ohne großes Publikum, in: „Mitteldeutsche Zeitung“ vom 16.12.2020
Enrico Joo (Red.), Stolpersteine: Zehn Jahre Erinnern in Staßfurt, in: „Volksstimme“ vom 13.10.2021
Bernhard Grossert, Die Grabanlage der Familie Ludwig Gumpel in Bernburg, in: „Gute Orte: jüdische Grabstätten in Sachsen-Anhalt“, Halle/Saale 2022, S. 94 - 104
Joachim Grossert, Wie der Jüdische Friedhof in Bernburg seine Würde wiedererlangte, in: “Erinnern“, Hrg. Stiftung Gedenkstätten Sachsen-Anhalt, 2023, S. 69 - 75
Susanne Schlaikier (Red.), Alter jüdischer Friedhof in Bernburg - Neue Informationstafel vor Seniorenheim erinnert an historischen Ort, in: "Mitteldeutsche Zeitung" vom 14.10.2023
N.N. (Red.), 28 neue Stolpersteine in Bernburg, in: „Salzlandmagazin“ vom 12.11.2024
Torsten Adam (Red.), 28 weitere Stolpersteine in Bernburg sollen nicht nur erinnern, sondern vor allem mahnen, in: „Mitteldeutsche Zeitung“ vom 20.11.2024