Beuel (Nordrhein-Westfalen)
Beuel ist heute einer der vier Stadtbezirke von Bonn, der alle rechtsrheinischen Ortsteile umfasst und derzeit ca. 69.000 Einwohner zählt (Kartenskizze 'Stadtteile von Bonn', aus: erzbistum-koeln.de).
1854 erhielten die Beueler Juden den Status einer Spezialgemeinde innerhalb der Synagogengemeinde Bonn; der Synagogenverband mit Bonn wurde schließlich 1875 aufgelöst.
Zu den gemeindlichen Einrichtungen der Israelitischen Gemeinde Beuel zählte neben dem Friedhof auch eine Synagoge. Nach zwei Vorgängerbauten, die ebenfalls an der Wilhelmsstraße standen, wurde 1903 nach den Plänen des Baumeisters Johann Adam Rüppel ein neuer Synagogenbau aus gelbem Backstein errichtet und im gleichen Jahr durch den Bonner Rabbiner Elias Kalischer eingeweiht. Planungen zufolge sollte der Synagogenneubau wesentlich größer werden, doch die finanzielle Lage der Gemeinde ließ einen anspruchsvolleren Bau nicht zu.
Synagoge in Beuel (hist. Aufn., um 1905, Stadtarchiv)
Gemeinsam mit der Bonner Gemeinde nutzten die Juden Beuels den Schwarzrheindorfer Friedhof. Das Begräbnisgelände - es muss bereits im 17.Jahrhundert existiert haben (der älteste vorhandene Grabstein datiert von 1629) - war 1818 von der jüdischen Gemeinde Bonn erworben und danach sowohl von dieser als auch von der benachbarten Beueler Gemeinde genutzt worden. 1898 wurde die Friedhofsfläche geteilt: Die Synagogengemeinde Bonn übereignete der Synagogengemeinde Villich (Beuel) den nördlichen, die Bonner Gemeinde blieb im Besitz des südlichen Teils.
alte Grabsteine (Aufn. Reinhardhauke, 2011, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)
Anm.: Nach der Einweihung des neuen Bonner Friedhofs am Augustusring im Jahre 1873 wurden in Schwarzrheindorf nur noch verstorbene Juden aus Beuel begraben.
Juden in Beuel:
--- 1828 ............................. 120 Juden,
--- 1871 ............................. 159 “ ,
--- 1885 ............................. 182 “ ,
--- um 1900 ...................... ca. 200 “ ,
--- 1933 ............................. 135 “ ,
--- 1939 ............................. 79 “ ,
--- 1942 (Aug.) ...................... keine.
Angaben aus: Elfi Pracht, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen,Teil 1: Reg.bez. Köln, S. 468
Friedrichstraße um 1905 (Aufn. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)
Um 1930 wohnten die meisten Juden in der Friedrichstraße (bis 1902 Wilhelmstraße) bzw. hatten hier ihre Geschäfte, die zumeist im Kleingewerbe angesiedelt waren; Händler und Metzger waren traditionell besonders stark vertreten. Viele der jüdischen Familien lebten hier seit Generationen; das Verhältnis zwischen ihnen und ihren christlichen Nachbarn war meist problemlos. Antisemitismus soll deshalb in Beuel bis in die 1920er Jahre kaum eine Rolle gespielt haben; Vorfälle (Anpöbeleien, Grabschändungen) waren äußerst selten. Als 1922 der Beueler Gemeinderat davon Kenntnis davon erhielt, dass sich ein Ratsmitglied in einem Gespräch antisemitisch geäußert hatte, wurde dies im Rat einstimmig verurteilt und festgestellt, dass „in Beuel für Antisemitismus kein Platz“ sei. Das änderte sich Ende der 1920er Jahre, als nun auch in Beuel das antisemitische Gedankengut immer mehr Gehör fand und sich vermehrt in Schmierereien und Anpöbeleien manifestierte.
Am Vorabend der „Reichskristallnacht“ lebten noch etwa 100 Juden in Beuel - zumeist ältere Menschen. Am Morgen des 10.November 1938 wurde die Synagoge niedergebrannt. Die Täter waren einheimische SA- und SS-Angehörige, die ins Gebäude eingedrungen waren und die Inneneinrichtung mit Brandbeschleunigern angezündet hatten. Bereits in der Nacht zuvor waren die jüdischen Männer festgenommen und im Beueler Rathaus in Haft gesteckt worden.
Anfang April 1941 wurde im Benediktiner-Kloster „Zur Ewigen Anbetung” in Bonn-Endenich, das die Nonnen auf Befehl der Gestapo innerhalb weniger Stunden hatten räumen müssen, ein provisorisches Sammellager für Juden aus Bonn und Umgebung eingerichtet. Über das „Zwischenlager“ Köln wurden sie dann in die „Lager des Ostens“ deportiert. Im Juli 1942 wurde das Bonner Sammellager aufgelöst, der letzte Transport verließ Bonn am 27.Juli 1942 in Richtung Theresienstadt.
Nach dem Krieg ließ die Stadt Beuel den alten jüdischen Friedhof in Schwarzrheindorf wieder herrichten. Seit 1968 erinnert ein Gedenkstein mit den folgenden Worten an die ermordeten Mitglieder der israelitischen Gemeinde:
Erinnere Dich Deiner ermordeten jüdischen Mitbürger
Auf daß diese Zeit nie wiederkehre
Errichtet am 9.November 1968 von der Stadt Beuel
1965 brachte die Kommune eine Bronzetafel an der Stelle an, an der die Beueler Synagoge gestanden hatte; ihre Inschrift erinnert an die jüdischen Opfer der NS-Zeit. Aus wiedergefundenen Backsteinen der zerstörten Synagoge gestaltete Anfang der 1990er Jahre die aus Bonn stammende und in New York beheimatete Künstlerin Ruth Levine im Zentrum von Beuel (Friedrich-Friesen-Straße/Siegfried-Leopold-Straße) ein Gedenkzeichen mit Ziegeln des ehemaligen Synagogengebäudes. Eine der angebrachten Bronzetafeln zeigt auch ein Relief der ehemaligen Synagoge; eine andere trägt die Beschriftung:
1933 lebten in Beuel 140 jüdische Bürger.
1941/42 wurden 46 im Kloster Zur Ewigen Anbetung in Bonn-Endenich zwangsinterniert
und von dort im Sommer 1942 deportiert.
Sie starben in Litzmannstadt, Theresienstadt und an unbekanntem Ort im Osten.
Relief der ehem. Synagoge und Gedenkinschrift (Aufn. J. 2011, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)
Jüngst wurde von einer Privatperson ein papiernes Modell der Synagoge angefertigt.
Modell der Synagoge von Beuel (Christoph Meixner, Jülich-Koslar)
In den letzten Jahren wurden in Beuel ca. 80 sog. „Stolpersteine“ verlegt (Stand 2022), die allermeisten erinnern an Opfer mosaischen Glaubens. Die Initiative für die Verlegung des ersten „Stolpersteins“ ging bereits 2002 von Schüler/innen des St. Adelheid-Gymnasiums aus.
verlegt in der Siegfried-Leopold-Straße
(alle Aufn. Schugt, 2015, aus: wikipedia.org, CC BY 4.0)
[vgl. Bonn (Nordrhein-Westfalen)]
[vgl. Bad Godesberg (Nordrhein-Westfalen)]
[vgl. Poppelsdorf (Nordrhein-Westfalen)]
Weitere Informationen:
Johannes Bücher, Zur Geschichte der jüdischen Gemeinde Beuel, in: "Studien zur Heimatgeschichte der Stadt Beuel a.Rh.", Heft 7, Beuel 1965
Otto Neugebauer, Der Pogrom vom 10.November 1938, in: "Bonner Geschichtsblätter 1965", S. 200 f.
Herbert Weffer, Die jüdischen Gemeinden im Bereich des heutigen Stadtkreises Bonn vor 1945, in: Heinrich Linn/ u.a., Juden an Rhein u. Sieg, Hrg. Rhein-Sieg-Kreis, Verlag Franz Schmitt, Siegburg 1983, S. 358 ff.
Michael J. Wieseler, Die Reform der Synagogengemeinde Bonn im ersten Jahrzehnt der Kaiserzeit, in: D.Höroldt/M.v. Rey (Hrg.), Bonn in der Kaiserzeit 1871 - 1914. Festschrift zum 100jährigen Jubiläum des Bonner Heimat- und Geschichtsvereins, Bonn 1986
Deportiert aus Endenich - Juni/Juli 1942. Transport der Bonner Juden in die Vernichtungslager, Hrg. Verein “An der Synagoge e.V.”, Eigenverlag, Bonn 1992
Elfi Pracht, Jüdisches Kulturerbe in Nordrhein-Westfalen,Teil 1: Regierungsbezirk Köln, J.P.Bachem Verlag, Köln 1997, S. 480/481
Frank Auffenberg (Red.), Demnig verlegt in Beuel zehn neue Stolpersteine, in: „General-Anzeiger“ vom 31.10.2008
Bonner Geschichtswerkstatt e.V. (Hrg.), „Ihr weiterer Aufenthalt im Reichsgebiet ist unerwünscht“ - Schicksale Beueler Juden und Jüdinnen, online abrufbar unter: bonner-geschichtswerkstatt.de
Liste der Stolpersteine in Beuel, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Bonn
N.N. (Red.), Gegen Fremdenhass. Neue Broschüre zum Thema Erinnerungsorte, in: „Schaufenster - Rheinisches Anzeigeblatt" vom 12.1.2018 (betr. Stolpersteine in Beuel)
Helmut Müller (Red.), Gedenken. In Beuel verlegte Gunter Demnig erneut „Stolpersteine“, in: „Schaufenster – Rheinisches Anzeigenblatt“ vom 19.2.2019
Susanne Rohde, Sie waren in Beuel zu Hause. Lesebuch zur dunklen Geschichte, Kid Verlag, Bonn 2020
Ebba Hagenberg-Miliu (Red.), So war das Leben der Beueler Juden im Nationalsozialismus, in: „General-Anzeiger“ vom 15.1.2021
Sebastian Flick (Red.), Jüdisches Leben in Beuel. Nur noch ein Mahnmal erinnert an die Synagoge, in: „General-Anzeiger“ vom 9.9.2021
Christoph Meixner, Modelle alter Kirchen (Synagogen), online abrufbar unter: modelle-alter-kirchen.de/index.php (Stand 2022)