Beuern (Hessen)

Jüdische Gemeinde - Gießen (Hessen)Datei:Landkreis Gießen Buseck.png Beuern mit derzeit ca. 2.000 Einwohnern gehört zur heutigen Großgemeinde Buseck, die die zehn Ortschaften des alten Herrschafts- und Gerichtsbezirks Busecker Tal umfasst - ca. 15 Kilometer nordöstlich von Gießen gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte ohne Eintrag von Beuern, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Landkreis Gießen', Andreas Trepte 2006, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 2.5).

 

Gegen Mitte des 18.Jahrhunderts lebten im Busecker Tal relativ viele jüdische Familien. Ihre Ansiedlung war durch die dort herrschenden Freiherren-Geschlechter - sie besaßen seit dem späten Mittelalter das Judenregal - gefördert worden, die auf diese Weise ihre Finanzen erheblich aufbesserten. Die Aussage eines Regierungsbeamten aus dem Jahre 1776 nimmt Stellung zu der Anwesenheit der Juden: „Das Busecker Tal ist ein Klein-Palästina, wiewohl von der schmutzigsten Gattung”.

Ein erster Nachweis darauf, dass Juden in Beuern sich aufgehalten bzw. hier gelebt haben, stammt bereits aus dem Jahre 1594. Eine jüdische Gemeinde im Dorf wurde zu Beginn des 18.Jahrhunderts (spätestens um 1740) gegründet; sie setzte sich damals aus etwa 15 bis 20 Familien.

Ihre Synagoge - möglicherweise soll hier schon ein Vorgängerbau gestanden haben - errichtete die Gemeinde 1846 in der Untergasse; nach einem Brand wurde sie 1855 neu aufgebaut. Männer und Frauen betraten die Synagoge durch getrennte Eingangstüren. Zur Besorgung religiös-ritueller Aufgaben der Gemeinde war zeitweise ein jüdischer Lehrer angestellt.

Die jüdischen Kinder besuchten die öffentliche Volksschule in Beuern; lediglich am Sabbat hatten sie hier unterrichtsfrei, um an diesem Tag am Religionsunterricht in Großen-Buseck teilzunehmen.

Verstorbene Beuerner Juden wurden auf dem relativ großen Friedhof in Alten-Buseck beerdigt. ... Starb ein Angehöriger der jüdischen Gemeinde, so wurde seine Leiche in eine einfache, schmucklose Holzkiste gelegt. Jeder Jude mußte einen Nagel in die Holzkiste schlagen. Die Frauen unter den trauernden Angehörigen begleiteten den Sarg nur aus dem Hause bis zur Straßenrinne. Dann gingen sie zurück ins Haus. Der Sarg wurde auf einem Fuhrwerk auf den Judenfriedhof nach Alten-Buseck gebracht. Die männlichen Angehörigen gaben dem Sarg das letzte Geleit bis zum Ortsausgang. Die nahen Verwandten des Verstorbenen mußten zur Trauer eine Woche auf einem Strohsack sitzend verbringen. Sie wurden in dieser Zeit von ihren jüdischen Nachbarn mit Nahrungsmitteln versorgt. ...” (aus: Die Juden im Busecker Tal, Hrg. Heimatverein Beuern, Bei uns in Beuern, Beuern 1985, S. 178)

Die Gemeinde gehörte zum liberalen Provinzialrabbinat Oberhessen mit Sitz in Gießen.

Juden in Beuern:

         --- um 1705 .......................... 15 - 20 jüdische Familien,

    --- um 1800 ..........................    7       “       “     ,

    --- 1830 .............................   58 Juden,

    --- 1840 .............................   83 Juden,*

    --- um 1850 ..........................   85   “  ,*

    --- 1905 ......................... ca.   30   “  ,*

    --- 1933 .............................   14   “  ,*

    --- 1939 .............................    8   "  ,

    --- 1940 .............................    4   “  ,

    --- 1942 .............................    keine.

                       * Die in der Quelle als “Familien” bezeichneten Angaben sind höchstwahrscheinlich falsch; hier dürfte es sich um Einzelpersonen gehandelt haben.

Angaben aus: Die Juden im Busecker Tal, Hrg. Heimatverein Beuern, Bei uns in Beuern, Beuern 1985, S. 188

 

Haupterwerbszweig der Beuerner Juden war ab ca. 1800 der regionale Viehhandel. Zuvor hatten allgemeiner Handel und Geldverleih ihre Wirtschaftsgrundlage gebildet. Eine der wohlhabenderen jüdischen Familien Beuerns war die von Aaron Grießheim, der als Eigentümer einer Mazzenbäckerei Geschäftsbeziehungen weit über die Region hinaus besaß.

Vom Novemberpogrom 1938 war auch Beuern betroffen. Der Versuch, das Synagogengebäude niederzubrennen, wurde aufgegeben. Die Beuerner Einwohner hatten zwar bereits Brennbares in der Synagoge aufgeschichtet, aber es bestand Brandgefahr für die umliegenden Gebäude. So ‚begnügte’ man sich mit der Zerstörung der Inneneinrichtung.*

Dem letzten Vorsteher der jüdischen Gemeinde, Julius Griesheim, war es zuvor noch gelungen, einige Kultgegenstände aus der Synagoge zu holen; diese verbrannte er dann auf offenem Feld, um sie so vor einer Schändung zu bewahren.

* Anderen Angaben zufolge soll die Synagoge mit der darin befindlichen Inneneinrichtung keinen Schaden genommen haben.

Bis auf eine einzige jüdische Familie – sie wurde später deportiert und ermordet - sind alle anderen emigriert; dem letzten Gemeindevorsteher gelang 1940 die Auswanderung in die USA.

Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem wurden neun Angehörige der Familie Edelmuth Opfer der "Endlösung" (namentliche Nennung der betreffenden Familienmitglieder siehe: alemannia-judaica.de/beuern_synagoge.htm)

 

Das um 1940 veräußerte Synagogengebäude (Untergasse) blieb bis in die 1980er Jahre weitgehend baulich unverändert; danach baute der Eigentümer in das als Lagerraum benutzte Gebäude ein Zwischengeschoss ein.

http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20197/Beuern%20Synagoge%20152.jpg Eingangstür zur ehem. Synagoge (Aufn. aus: P. Arnsberg, um 1970)

                   Seitenfront der ehem. Synagogeundefined (Aufn. Ch., 2015, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

[vgl. Großen Buseck (Hessen)]

 

 

 

Weitere Informationen:

Rosy Bodenheimer, Beitrag zur Geschichte der Juden in Oberhessen von ihrer frühesten Erwähnung bis zur Emanzipation, Dissertation Philosophische Fakultät der Ludwigs-Universität Gießen, Gießen 1931

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag, Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 67/68

Die Juden im Busecker Tal, Hrg. Heimatverein Beuern, Bei uns in Beuern, Beuern 1985, S. 167 ff.

Günther Hans, Buseck - Seine Dörfer und Burgen, Hrg. Gemeinde Buseck 1986, S. 44 ff.

Thea Altaras, Synagogen in Hessen - Was geschah seit 1945 ?, Königstein 1988, S. 80/81

Studienkreis Deutscher Widerstand (Hrg.), Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 – 1945. Hessen II Reg.bez. Gießen und Kassel, 1995, S. 29/30

Susanne Gerschlauer, Die ehemalige Synagoge in Buseck-Beuern, in: "Mitteilungen des Oberhessischen Geschichtsvereins Gießen", Band 91/2006, S. 297 – 312

Beuern (Gemeinde Buseck), in: alemannia-judaica.de

Hanno Müller/Friedrich Damrath/Andreas Schmidt, Juden im Busecker Tal. Alten-Buseck, Beuern, Großen-Buseck, Burghardsfelden, Reiskirchen und Rödgen, Teil I: Familien und Teil II: Grabsteine und ihre Inschriften, 2013