Bleckede (Niedersachsen)

Landdrostei Lüneburg (1859)Datei:Bleckede in LG.svg Bleckede ist eine Kleinstadt mit derzeit knapp 10.000 Einwohnern beiderseits der Elbe im niedersächsischen Landkreis Lüneburg – ca. 15 Kilometer östlich der Kreisstadt (hist. Karte 'Landdrostei Lüneburg' von 1905, aus: wikipedia.org, Bild-PD-alt und  Kartenskizze 'Landkreis Lüneburg', TUBS 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Merian-Stich (Abb. aus: wikipedia.org, CCO)

Im Marktflecken Bleckede, der über mehrere Jahrhunderte hinweg sogar Stadtrechte besaß, sind jüdische Familien in der ersten Hälfte des 18.Jahrhunderts nachweisbar; ihre Zahl war stets sehr gering. 1730 erhielt Emanuel Hertz, Kramwarenhändler aus Marburg/Hessen, einen Schutzbrief. Ihm und seiner Familie folgten 1743 der Schlachter Salomon Moses aus Appenrode/Hessen und 1747 Benjamin David, Wechsler, aus Winsen/Luhe mit ihren Familien. Mit Kramwaren- und Viehhandel/Metzgerei bestritten sie zumeist ihren mehr als bescheidenen Lebensunterhalt. Ihre Schutzbriefe wurden über Jahrzehnte hinweg verlängert bzw. auf ihre männlichen Nachkommen übertragen.

                        Auflistung der Bleckeder Schutzjuden (1829) (Sibylle Bollgöhn, aus: judeninbleckede.de)

Seit Mitte der 1840er Jahre bildeten die hiesigen jüdischen Familien zusammen mit denen aus dem Flecken Dahlenburg eine Synagogengemeinde. Ab ca. 1860 zählten auch die wenigen Familien aus dem lauenburgischen Neuhaus, vormals zur Gemeinde Hitzacker gehörig, zur Gemeinde Bleckede. Gottesdienste hielten die Bleckeder Juden stets in privaten Räumlichkeiten ab. Die Pläne für den Bau eines eigenen Synagogengebäudes, die um 1850 aufgekommen waren, zerschlugen sich jedoch bald, als deutlich wurde, dass die Zahl der Gemeindeangehörigen rückläufig war. Nach Auflösung der Synagogengemeinde Hitzacker (um 1860) gehörten auch die drei jüdischen Familien aus Neuhaus zur Bleckeder Gemeinde; in diesem Zusammenhang ging u.a. eine Thorarolle aus Hitzacker in den Besitz der hiesigen Gemeinde über. Im 18.Jahrhundert soll es hier auch eine jüdische Schule gegeben haben, die von 1855 bis 1875 den Status einer Elementarschule besaß.

Ihre Verstorbenen begruben die Juden Bleckedes bis um 1750 auf umliegenden jüdischen Friedhöfen, so z.B. in Winsen/Luhe, in Harburg und Prisser bei Dannenberg. Seit 1752 stand ihnen für Begräbnisse ein Areal „an den weißen Bergen“ am Ort zur Verfügung; den Kaufvertrag unterzeichneten die damals in Bleckede wohnenden drei Schutzjuden Emanuel Hertz, Salomon Mosis und Benjamin David; darin hieß es:

„Königliche Groß-Brittanische zur Chur-Fürstlichen Braunschweigisch-Lüneburgischen Cammer Hochverordnete Herren Cammer-Präsident Geheimte-Räthe Geheimte Cammer auch Cammer- Räthe Hoch- und Hochwohlgeborene Insonders hochzuehrende auch gnädige und hochgebietende Herren!  Es haben die hiesige 3 Schutzjuden wiederholend und zuletzt mittelst der Anlage bey hiesigem Amte angesucht, daß ihnen zu Begrabung der Ihrigen, ein gewißer abgelegener Platz, gegen Erlegung eines jährlichen Grund-Zinses möchte angewiesen und zugestanden werden, wozu denn ein Orth am sogenannten weißen Berge, so eine Viertelstunde von Bleckede belegen, von 40 Fuß lang und 40 Fuß breit ausgefunden ist, welche besagte Schutz-]uden in Befriedigung bringen wollen, und haben sich erklähret, dafür jährlich 24 mgl zum Grundzinß in die Amts-Register zu erlegen, im Fall Ew. Excellences und Hochwohlgeborene denenselben hierunter gnädigst zu willfahren geruhen, gestalt pflichtmäßig wir dabey nichts zu erinnern finden, so wollen wir zu solcher Berechnung hochgefällige, gnädige/alß uns sind dem Förster Sembach vom Königl. und cuhrfstl. Ambte aufzutragen worden seinen Ohrt zum Juden Kirchhof in Vorschlag zu bringen. ...“

Fünf Jahrzehnte später wurde durch einen weiteren Zukauf die Friedhofsfläche vergrößert.

Juden in Bleckede:

         --- um 1750/60 ...................  3 jüdische Familien,

    --- 1806 .........................  7     “       “   (56 Personen),

    --- 1820 .........................  8     “       “    ,

    --- 1848 ..................... ca. 40 Juden,

    --- 1861 ......................... 51   “  ,

    --- 1873 ......................... 12 jüdische Familien,*  *Synagogengemeinde

             ......................... 39 Juden,

    --- 1885 .........................  5 jüdische Familien,

    --- 1905 ......................... 12 Juden,

    --- 1925 ......................... 11   “  ,

    --- 1933 .........................  6   “  ,

    --- 1939 .........................  4   “  .

Angaben aus: Sibylle Bollgöhn, Juden im Landkreis am Beispiel der Synagogengemeinde in Bleckede

Sich bereits im ausgehenden 19.Jahrhundert abzeichnende Auflösungstendenzen der Bleckeder Gemeinde konnten bis Mitte der 1930er Jahre erfolgreich „abgewehrt“ werden.

  Geschäft Dierks & Hertz, Breite Str. (hist. Aufn., Sammlung J. Lohmann, aus: judeninbleckede.de)

Im Januar 1938 wurde die Synagogengemeinde Bleckede auf Antrag des Landrabbiners aufgehoben und mit der Lüneburger Gemeinde vereinigt.

Heute erinnert nur der jüdische Friedhof an der Lünebeurger Straße mit seinen ca. 35 Grabsteinen daran, dass in Bleckede einst jüdische Familien beheimatet waren.

  Jüdischer-friedhof-bleckede.JPG

jüdischer Friedhof in Bleckede (Aufn. Emma Stern, 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

In den 1980er Jahren wurde der Friedhof mehrfach geschändet; auch in allerjüngster Vergangenheit (2016) war das Gelände Ziel von Grabschändern, die dabei erhebliche Schäden anrichteten. Noch im gleichen Jahre wurde mit der Wiederherstellung des alten Zustandes begonnen.

2011 wurde im Auftrag des Rats der Stadt Bleckede im Schlosspark ein Denkmal des Künstlers Johannes Kimstedt errichtet, das an die elf jüdischen Opfer der Shoa erinnert; ihre Namen sind in den Steinkubus eingefräst.

Gedenkblock (Aufn. Henning Bendler, 2014, aus: judeninbleckede.de)  

Die Inschrift lautet: "Wir gedenken der Juden Bleckedes - ermordet 1940 - 1944 in Auschwitz, Flossenbürg, Sobibor, Theresienstadt, Riga" (Im Anschluss folgen die Namen der jüdischen Opfer.)

undefinedAm ehemaligen jüdischen Bethaus in der Breiten Straße (der Synagogenraum war im Obergeschoss untergebracht) erinnert heute eine Informationstafel an dessen einstige Bestimmung und zudem an Kurt Löwenstein, der hier 1885 geboren wurde und als sozialdemokratischer Bildungspolitiker sich einen Namen machte (Aufn. Emma Stern 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).

Dr. Kurt Löwenstein starb 1939 im Exil in Paris. Nach seiner Person ist in Bleckede eine Schule benannt, die "Kurt-Löwenstein-Förderschule". Anlässlich seines 100.Geburtstages erhielt auch eine Straße in seiner Geburtstadt seinen Namen.

Auch in Berlin erinnert eine Gedenktafel an den Reichstagsabgeordneten, Stadtrat und bekannten Pädagogen.

2017 wurden in Bleckede die ersten drei sog. "Stolpersteine" verlegt; sie erinnern in der Friedrich-Kücken-Straße an Angehörige der Familie Rosen.  

                  Joseph RosenOttilie RosenOtfried Rosen  Aufn. Migebert, 2020, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0

 

 

 

Weitere Informationen:

L. Hoffmeyer, Zur Geschichte des Kreises Bleckede, Bleckede 1925

Ute Schötteldreyer, Bleckeder Heimatbuch. Aus der Geschichte der Stadt Bleckede und ihrer Ortsteile, Bleckede 1983

Heinrich Eppe, Kurt Löwenstein. Ein Wegbereiter der modernen Erlebnispädagogik? Neubauer, Lüneburg 1991

Sibylle Bollgöhn, Juden im Landkreis am Beispiel der Synagogengemeinde in Bleckede, in: Jüdische Familien in Lüneburg. Erinnerungen, Lüneburg 1995, S. 96 - 103

E.Woehlkens/L.Kuhlmann, B.L.Weiland, Beiträge zur Geschichte der Juden in Uelzen und Nordostniedersachsen, Oldenburg 1996, S. 266 – 301 (Dokumentation des jüdischen Friedhofs in Bleckede)

Edgar Weiß, Radikaldemokratisch engagiert und brutal verfolgt, wiederholt verdrängt und bemerkenswert aktuell – der sozialistische Pädagoge Kurt Löwenstein, in: Martin Dust (Hrg.), Pädagogik wider das Vergessen. Festschrift für Wolfgang Keim, Kiel 2000, S. 469 – 489

Marlis Buchholz (Bearb.), Bleckede, in: Herbert Obenaus (Hrg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, Wallstein-Verlag, Göttingen 2005, Band 1, S. 215 – 219

Dietrich Banse (Hrg.), Gedemütigt, vertrieben, ermordet. Uelzener Bürgerinnen und Bürger jüdischen Glaubens zwischen 1933 und 1942, Geschichtswerkstatt Uelzen, Uelzen 2008

Werner H. Preuss, Bleckede Magazin. 800 Jahre Stadtgeschichte ..., hrg. von der Stadt Bleckede, Verlag der Landeszeitung für die Lüneburger Heide, Lüneburg 2009

Bodo Christiansen, Juden in Bleckede, online abrufbar unter: judeninbleckede.de

Kay Schweigmann-Greve, Kurt Löwenstein. Demokratische Erziehung und Gegenwelterfahrung, in: "Jüdische Miniaturen", Bd. 187, Hentrich & Hentrich, Berlin 2016

Jugendliche zerstören Grabsteine auf jüdischem Friedhof, in: „Neue Osnabrücker Zeitung“ vom 22.4.2016

Emilia Püschel (Red.), Jüdischer Friedhof Bleckede: Spuren werden bleiben, in: LZ-online (landeszeitung.de) vom 10.9.2016

Marcus Schröder (Red.), Erste Stolpersteine werden in Bleckede verlegt, in: salzau-panorama.de vom 16.2.2017

Maria Nielsen (Red.), Drei erste Stolpersteine in Bleckede, in: „Hagenower Kreisblatt“ vom 1.3.2017

Anna Sprockhoff (Red.), Jüdischer Friedhof Bleckede: Pforte soll ein Zeichen setzen, in: LZ-online (landeszeitung.de) vom 16.3.2017

Auflistung der in Bleckede verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Bleckede

Bodo Christiansen (Bearb.), Juden in Bleckede – 200 Jahre Geschichte, online abrufbar unter: judeninbleckede.de