Bonfeld (Baden-Württemberg)
Bonfeld ist seit 1973 ein Ortsteil von Bad Rappenau im Landkreis Heilbronn – ca. 15 Kilometer nordwestlich der Kreisstadt gelegen (topografische Karte aus: wikipedia.org, CCO und Kartenskizze 'Landkreis Heilbronn', aus: ortsdienst.de/baden-wuerttemberg/heilbronn).
In Bonfeld, einem reichsritterschaftlichen Ort unter den Herren von Gemmingen, existierte eine erste jüdische Ansiedlung bereits ab Mitte des 16.Jahrhunderts, allerdings mit Unterbrechungen. In der sog. „Wimpfener Judenordnung“ von 1598 wurden hier lebende Juden genannt. Nach 1700 etablierte sich eine kleine Gemeinde, die schnell anwuchs. Gegen Ende des 18.Jahrhunderts verstärkte sich der Zuzug jüdischer Familien noch einmal. An die Herrschaft Gemmingen mussten die jüdischen Familien bei ihrer Schutzaufnahme ein Rezeptionsgeld zahlen, danach wurden jährlich zu entrichtende Schutzgelder fällig. Um den „Unordnungen“ unter der Judenschaft Einhalt zu gebieten, sah sich die Schutzherrschaft veranlasst, 1803 eine „Judenordnung“ zu erlassen, und ein eigens eingesetzter „Judenschultheiß“ achtete fortan auf die Umsetzung und Einhaltung der neuen Regeln. Die „Judenordnung“ beinhaltete sowohl allgemeine Verhaltensregeln als auch Vorschriften im wirtschaftlichen Tätigkeitsbereich; Verstöße gegen die eine oder andere Vorschrift wurden fast immer mit Geldstrafen belegt.
Ihre erste kleine Synagoge errichtete die Bonfelder Judenschaft um 1780.
Synagoge Bonfeld, links hinten im Bild (hist. Aufn., um 1900) - Synagogeninnenraum (hist. Aufn.), beide Abb. aus: alemannia-judaica.de
Die jüdischen Kinder besuchten die hiesige Ortsschule. Zeitweise soll es am Ort eine Elementarschule gegeben haben; ab 1899 bestand aber nur noch eine Religionsschule, in der zweimal wöchentlich Unterricht erteilt wurde.
Zunächst gehörten die Juden Bonfelds als Filialgemeinde der Gemeinde von Massenbachhausen/Massenbach an, später wurde sie autonom.
Ein Friedhofsgelände am Ort war nicht vorhanden; verstorbene Bonfelder Juden wurden auf den israelitischen Friedhöfen von Heinsheim und Waibstadt beerdigt.
Grabstein Sophie Oppenheimer in Waibstadt (Aufn. Eisele, 2019, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)
Bis in die 1860er Jahre unterstand Bonfeld dem Rabbinat Lehrensteinfeld und danach dem von Heilbronn.
Juden in Bonfeld:
--- um 1750 .......................... 6 jüdische Familien,
--- 1778 ............................. 10 “ “ ,
--- 1795 ............................. 14 " " ,
--- 1803/04 .......................... 15 “ “ ,
--- 1807 ............................. 92 Juden,
--- 1828 ............................. 79 “ (ca. 7% d. Bevölk.),
--- 1843 ............................. 124 “ ,
--- 1852 ............................. 131 “ ,
--- 1886 ............................. 53 “ ,
--- 1900 ............................. 44 “ ,
--- 1919 ............................. 43 “ ,
--- 1933 ............................. 40 “ ,
--- 1940 (Juni) .................. ca. 20 “ ,
--- 1942 ............................. keine.
Angaben aus: W.Angerbauer/H.G.Frank, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn, S. 55/56
Um 1850 hatte die jüdische Gemeinde in Bonfeld mit ca. 130 Mitgliedern ihren personellen Höchststand erreicht. Die meisten Familien lebten in äußerst bescheidenen Verhältnissen und betrieben ‚Winkel- und Schmushandel’.
Die um 1860 beginnende Ab- und Auswanderung ließ die Zahl der jüdischen Dorfbewohner deutlich schrumpfen. Nach 1900 besaßen die wenigen in Bonfeld lebenden jüdischen Familien Geschäfte des täglichen Bedarfs oder waren als Viehhändler tätig.
So sind die folgenden bis in die 1930er Jahre bestehenden Gewerbebetriebe bekannt: Manufakturwarenhandlung Max Flehinger (Kirchhausener Straße), Vieh- u. Fruchthandlung Ferdinand Hirsch (Fürfelder Straße), Viehhandlung/Metzgerei Karl Ladenburger (Sonnenstraße), Viehhandlung Ferdinand u. Hermann Ottenheimer (Fürfelder Straße), Landesproduktenhandlung u. Schuhgeschäft Leopold Schlesinger (Rappenauer Straße), Lebensmittelgeschäft Mathilde u. Albert Schlesinger (Martin-Luther-Straße), Kolonial- und Manufakturwarenladen Sophie u. Moritz Schlesinger (Kirchhausener Straße) und Manufakturwarengeschäft Julius u. Sigmund Zion (Rappenauer Straße).
Infolge des NS-Boykotts verloren auch die Juden Bonfelds ihre wirtschaftliche Grundlage. Während des Novemberpogroms 1938 kam es am Ort zu antijüdischen Ausschreitungen, die zu Misshandlungen jüdischer Bewohner und Beschädigung ihres Eigentums führten. Auch die Inneneinrichtung der Synagoge fiel der Zerstörung durch auswärtige SA-Angehörige zum Opfer. Wenige Wochen später wurde das Synagogengebäude abgebrochen. Jüdische Männer wurden für einige Wochen ins KZ Dachau eingeliefert. Wem nicht mehr rechtzeitig die Emigration gelang, der wurde 1941/1942 deportiert.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden 23 gebürtige bzw. längere Zeit am Ort wohnhaft gewesene jüdische Bürger Bonfelds Opfer der Shoa (namentliche Nennung der betreffenden Personen siehe: alemannia-judaica.de/bonfeld_synagoge.htm).
Die geplante Aufstellung eines Gedenksteines am Platz der ehemaligen Synagoge konnte bislang trotz entsprechender Bemühungen u.a. der evangelischen Kirchengemeinde Bonfeld nicht verwirklicht werden; ein Textentwurf für den Gedenkstein liegt bereits seit langem vor:
Am Ort der früheren Synagoge
Dem Gedenken an die jüdischen Mitbürger der Bonfelder Familien Hertz, Hirsch, Ladenburger, Ottenheimer, Schlesinger, Zion.
Bonfeld war ihnen politische Heimat - die Synagoge ihr geistliches Zuhause.
Beides wurde ihnen grausam genommen: Ihr Gotteshaus wurde am 9./10.November 1938 von SA-Leuten geschändet und zerstört.
Etwa 20 Angehörige dieser Familien wurden bis 1943 deportiert und umgebracht.
Was ihnen und ihrem Volk angetan wurde, mahne uns und kommende Generationen zu Toleranz, Brüderlichkeit und Frieden.
Die Kirchengemeinde Bonfeld
am 50.Jahrestag der Zerstörung der Synagogen in Deutschland
Dieser eigentlich für einen Gedenkstein bestimmte Text ist seit 2002 auf einer im Rathaus befindlichen Bronzetafel – eine Stiftung einer US-Amerikanerin mit Bonfelder Wurzeln – zu lesen (Aufn. Elfi Hofmann, aus: stimme.de); seit 2021 ist eine Doublette dieser Gedenktafel am Bonfelder Dorfplatz angebracht.
2018 wurden - auf private Initiative hin - vier sog. "Stolpersteine" in der Kirchhausener Straße verlegt, die an Angehörige der jüdischen Familie Hertz erinnern.
Aufn. Roman Eisele, 2018, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0
Ein Sohn der jüdischen Gemeinde war Albert Ottenheimer (geb. 1886), der später als Kaufmann, Unternehmer, Kunstsammler und Mäzen sich einen Namen machte. Als 24 jähriger machte er sich in Köln mit einem Großhandelsunternehmen („Albert Ottenheimer Eisengroßhandlung“) selbstständig. Nach dem Ersten Weltkrieg expandierte sein Unternehmen und unterhielt ein Filialnetz in Deutschland und den Niederlanden. Zudem hielt Ottenheimer Beteiligungen an Unternehmen der Eisen- u. Stahlindustrie und Maschinenbauunternehmen. 1937 emigrierte er via Schweiz nach Nordamerika; dort war er bis in die 1950er Jahre mit der „Albot Industries“ (New Jersey) als Unternehmer im Eisen-/Stahlhandel tätig.
Als Sammler war Ottenheimer – er war auch Mitglied im Kölner Museumsverein – an moderner bildender Kunst interessiert und galt als Mäzan. Seine Kunstsammlung befindet sich seit den 1990er Jahren im „Museum of Art“ in Portland (Maine).
In seinem Geburtsort Bonfeld hatte Ottenheimer im Jahre 1929 eine Stiftung, die Armen und Bedürftigen zu Gute kommen sollte. Dabei sollten die Zuwendungen der nach ihm benannten „Bernhard-Ottenheimer-Stiftung“ zu einem Drittel jüdischen und zu zwei Dritteln nicht-jüdischen sozial Schwachen in Bonfeld zugute kommen. Von den Stiftungsmitteln - 1939 in „Bonfelder Armenstiftung“ umbenannt - fehlt jegliche Spur. (!) Albert Ottenheimer (Otten) starb hochbetagt im Jahre 1985 in den USA.
Weitere Informationen:
Paul Sauer, Die jüdischen Gemeinden in Württemberg und Hohenzollern. Denkmale - Geschichte - Schicksale, Hrg. Archivdirektion Stuttgart, Kohlhammer Verlag, Stuttgart 1966, S. 51/52
W.Angerbauer/H.G.Frank, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn. Geschichte - Schicksale - Dokumente, in: Schriftenreihe des Landkreises Heilbronn, Hrg. Landkreis Heilbronn, 1986, S. 54 - 58
Joachim Hahn, Erinnerungen und Zeugnisse jüdischer Geschichte in Baden-Württemberg, Konrad Theiss Verlag, Stuttgart 1988, S. 217/218
“Das Geheimnis der Erlösung heißt Erinnerung” - Dokumentation der Evangelischen Kirchengemeinde Bonfeld, Bonfeld November 1988
Rudolf Petzold/Anne u. Helmut Schüssler (Bearb.), Bonfeld. Heimatgeschichtliche Beiträge aus Vergangenheit und Gegenwart eines ehemals reichsritterschaftlichen Dorfes, Hrg. Stadt Bad Rappenau, Bad Rappenau 2000, S. 446 ff.
Hans Georg Frank, Letzte Spur: 14. März 1949. In Bonfeld ist die Bernhard-Ottenheimer-Stiftung von einem Tag auf den anderen verschwunden. in: W. Angerbauer/H.G. Frank, Jüdische Gemeinden in Kreis und Stadt Heilbronn. Geschichte, Schicksale, Dokumente - "Schriftenreihe des Landkreises Heilbronn", Band 1, Heilbronn 2006, S. 277 – 283
Joachim Hahn/Jürgen Krüger, “Hier ist nichts anderes als Gottes Haus ...” Synagogen in Baden-Württemberg, Teilband 2: Orte und Einrichtungen, Konrad Theiss Verlag GmbH, Stuttgart 2007, S. 31/32
Bonfeld, in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Simon Gajer (Red.), Erste Stolpersteine erinnern an jüdische Mitbürger, in: stimme.de vom 25.6.2018
Auflistung der in Bonfeld (Ortsteil von Bad Rappenau) verlegten Stolpersteine, in: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Bad_Rappenau
Elfi Hofmann (Red.), Über 30 Jahre nach den ersten Planungen: Gedenktafel an ermordete Juden in Bonfeld eingeweiht, in: stimme.de vom 18.11.2021
Falk-Stéphane Dezort (Red.), Tafel für Bonfelder Juden wird im Stadtteil aufgestellt, in: „Rhein-Neckar-Zeitung“ vom 22.11.2021