Büdesheim (Hessen)

Jüdische Gemeinde - Hanau/Main (Hessen)Bildergebnis für landkreis main-kinzig ortsdienst karte Büdesheim mit seinen derzeit ca. 3.000 Einwohnern ist seit 1970 ein Ortsteil von Schöneck im Main-Kinzig-Kreis - ca. 15 Kilometer nördlich von Hanau gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, ohne Karteneintrag von Büdesheim/Schöneck, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Main-Kinzig-Kreis', aus: ortsdienst.de/hessen/main-kinzig-kreis).

 

Die ersten Erwähnungen von Juden in Büdesheim reichen bis ins 16.Jahrhundert zurück; ab dem beginnenden 18.Jahrhundert liegen dann sichere urkundliche Belege über die Anwesenheit von Juden in Büdesheim vor. Die sich hier bildende jüdische Kultusgemeinde besaß stets nur eine begrenzte Zahl von Mitgliedern - nie mehr als 70 Personen. 1865/1866 wurde nahe dem Rathaus in der Speckgasse, der heutigen Riedstraße, eine kleine Synagoge (26 Plätze für Männer und 16 für Frauen) mit Gemeindehaus errichtet, in letzterem befand sich auch eine Mikwe.

    Bauzeichnung der Synagoge (Abb. aus: Susanne Gerschlauer, Synagogen ...)

Zur Besorgung religiöser Aufgaben hatte die kleine Gemeinde zeitweilig einen Religionslehrer angestellt.

 

Stellenangebote der Kultusgemeinde (aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 28.Nov.1877 und 26.Nov.1908)

Weit außerhalb des Dorfes, in Richtung Windecken, verfügte die Judenschaft ab ca. 1860 über ein kleines Bestattungsgelände. Zuvor hatten die Büdesheimer Juden ihre Toten auf dem jüdischen Friedhof in Groß-Karben beerdigt.

Die jüdische Gemeinde unterstand dem Provinzialrabbinat Gießen.

Juden in Büdesheim:

         --- 1809 .......................... 14 jüdische Familien,

--- 1830 .......................... 32 Juden,

--- 1861 .......................... 76   "  ,

    --- 1866/71 ....................... 53   “  ,

    --- 1880 .......................... 67   “  (ca. 3% d. Bevölk.)

    --- 1900 .......................... 67   “  (ca. 5% d. Bevölk.),

    --- 1925 .......................... 63   “  ,

    --- 1936 .......................... 40   “  ,

    --- 1937 .......................... 29   “  ,

    --- 1938 .......................... 15   “  ,

    --- 1942 (Aug.) ................... 14   “  ,

             (Okt.) ...................  keine.

Angaben aus: Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Bd. 1, S. 95

und                 Manfred Geisler, Büdesheim und der Nationalsozialismus

 

Neben Vieh-, Frucht-, Getreide- und Textilhandel bestritten die Büdesheimer Juden ihren Lebenserwerb auch als Metzger und Gemischwarenhändler. Ihre Anwesen konzentrierten sich in wenigen Straßen rund um das Rathaus.

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Bis 1933 soll das tägliche Miteinander zwischen Juden und Nicht-Juden in Büdesheim ‚gut’ bzw. ‚normal’ gewesen sein, so etwa sollen sich die jüdischen Bewohner vom allgemeinen Dorfleben nicht ausgeschlossen haben. Neben dem Vieh-, Frucht-, Getreide- und Textilhandel bestritten die Büdesheimer Juden ihren Lebensunterhalt auch als Metzger und Gemischwarenhändler. Ihre Anwesen konzentrierten sich in wenigen Straßen rund um das Rathaus.

Die meisten jüdischen Familien haben dann - in Folge des zunehmenden Drucks - in den Jahren nach 1933 das Dorf verlassen und sind nach Übersee emigriert. Während des Pogroms von 1938 fanden in Büdesheim ‚Aktionen’ gegen die jüdischen Dorfbewohner statt, an denen zahlreiche Büdesheimer aktiv teilnahmen: Es wurden Fensterscheiben eingeworfen, Wohnungen gewaltsam aufgebrochen, Einrichtungsgegenstände demoliert und z.T. auch geraubt. Die jüdischen Bewohner wurden „zu ihrer persönlichen Sicherheit in Schutz genommen” und im Rathaussaal festgesetzt. Auch das Synagogengebäude wurde schwer beschädigt, die Ruine zwei Jahre später beseitigt.

1940/41 beschlagnahmte die NSDAP-Ortsgruppenleitung das Haus des Juden Sigmund Strauß und richtete hier ihr ‚Hauptquartier’ ein. Mitte September 1942 wurden die noch in Büdesheim verbliebenen jüdischen Bewohner „umgesiedelt“. Nach ihrer Deportation verwüstete ein SA-Trupp den hiesigen jüdischen Friedhof; die Grabsteine sollen anschließend verkauft worden sein.

Zwölf jüdische Bewohner von Büdesheim wurden Opfer der NS-Herrschaft bzw. gelten als „in Polen verschollen(namentliche Nennung der betreffenden Personen siehe: alemannia-judaica.de/buedesheim_synagoge.htm).

Über die Vorgänge des November 1938 in Büdesheim liegen unterschiedliche Darstellungen vor, die während der Jahre 1946/1948 von der Staatsanwaltschaft Gießen zusammengetragen wurden.

 

 http://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20Hessen02/Buedesheim%20Friedhof%20011.jpg

Jüdischer Friedhof in Büdesheim und Namenstafel mit den hier Begrabenen (Aufn. L., 2015, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

Heute erinnern nur noch 19 erhalten gebliebene Grabsteine an den einstigen jüdischen Friedhof. Sie sind um einen Gedenkstein gruppiert, der die folgende Inschrift trägt (Abb. siehe oben):

Hier stand ein jüdischer Friedhof,

der im Jahre 1943 - 1944 dem Nazi-Terror zum Opfer fiel

(nun folgen 27 Namen)

 

Anlässlich des 70.Jahrestages der Reichspogromnacht wurde am ehemaligen Rathaus ein Gedenkstein mit -tafel aufgestellt (Aufn. J. Hahn, 2009), die die folgende Inschrift trägt:

https://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20197/Buedesheim%20Synagoge%20147.jpghttp://www.alemannia-judaica.de/images/Images%20197/Buedesheim%20Synagoge%20145.jpg

An einem Wohnhaus in der Riedstraße/ehemals Speckgasse (einstiger Standort der Synagoge) ist eine Inschriftentafel angebracht, die den folgenden Text trägt: „Den Toten zum Gedenken - Den Lebenden zur Mahnung. Hier stand die im Jahre 1866 errichtete Synagoge der Jüdischen Gemeinde Büdesheim. Die bisher ältesten Zeugnisse Jüdischer Einwohner in Büdesheim datieren aus dem Jahre 1724. Die Synagoge mit 54 Sitzplätzen war ein aus roten Ziegelsteinen errichtetes, fast quadratisches Gebäude und über einen gepflasterten Weg von der Straße aus erreichbar. Das Gebäude hatte einen Vorraum mit Garderobe und Waschgelegenheit, sowie ein Treppenhaus, über das die Empore erreicht werden konnte. Die Synagoge wurde am 9. November 1938 zerstört. Die letzten Juden wurden im Herbst 1942 unweit von hier zusammengetrieben, deportiert und in Konzentrationslagern umgebracht. Wir trauern um unsere jüdischen Mitbürger. Schalom."

Im Jahre 2012 wurden erstmals in Büdesheim 16 sog. „Stolpersteine“ in die Gehwegpflasterung verlegt, 2013/2014 folgten noch etwa 30 weitere messingfarbene Steinquader.

Stolpersteine Schöneck Schmiedgasse7.jpg Stolperstein Schöneck Riedstrasse 4.jpg

verlegt in der Schmiedgasse und in der Riedstraße (Aufn. Jt., 2020, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

Südliche u. Nördliche Hauptstraße undefinedundefined  

 

 

Weitere Informationen:

Paul Arnsberg, Die jüdischen Gemeinden in Hessen. Anfang - Untergang - Neubeginn, Societäts-Verlag Frankfurt/M. 1971, Bd. 1, S. 95 f.

Manfred Geisler, Büdesheim und der Nationalsozialismus, in: Gemeinde Schöneck (Hrg.), Burenheun - Büdesheim 817 - 1992. Chronik zur 1175-Jahrfeier, Frankfurt/M. 1992, S. 403 – 432

Studienkreis Deutscher Widerstand (Hrg.), Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933-1945. Hessen I Regierungsbezirk Darmstadt, 1995, S. 224/225

Susanne Gerschlauer, Synagogen, in: Ulrich Schütte (Hrg.), Kirchen und Synagogen in den Dörfern der Wetterau, in: "Wetterauer Geschichtsblätter - Beiträge zur Geschichte u. Landeskunde", Band 53, Friedberg (Hessen) 2004, S. 314 - 316 und S. 559

Büdesheim (Hessen), in: alemannia-judaica.de (mit Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)

Gemeinde Schöneck (Verf.), Stolpersteine in Schöneck, online abrufbar unter: schoeneck.de (2013)

2014 kommen neue Stolpersteine, in: „Frankfurter Neue Presse“ vom 28.5.2014

Auflistung der in Büdesheim verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Schöneck_(Hessen)