Burg (Sachsen-Anhalt)

File:Magdeburger Boerde.pngJerichower Land Karte Burg mit derzeit knapp 25.000 Einwohnern ist die Kreisstadt des Landkreises Jerichower Land in Sachsen-Anhalt – ca. 25 Kilometer nordöstlich von Magdeburg gelegen (Teilkarte 'Sachsen-Anhalt', aus: commons.wikimedia.org, gemeinfrei  und  Kartenskizze 'Landkreis Jerichower Land', aus: ortsdienst.de/sachsen-anhalt/jerichower-land).

Ansicht von Burg um 1680 - Lithografie aus dem 19.Jahrhundert (Magistratsarchiv, aus: wikipedia.org, PD-alt-100)

 

Jüdisches Leben in dem an einer alten Handelsstraße von Magdeburg nach Brandenburg gelegenen Burg ist erstmals im Jahre 1338 urkundlich belegt; so liegen aus der zweiten Hälfte des 14.Jahrhunderts Angaben über eine „Judenstrate“ (die heutige Kammacherstraße) vor, in der damals die jüdischen Familien Burgs wohnten. Im Zusammenhang mit den Judenvertreibungen im Erzstift Magdeburg im Jahre 1493 mussten auch die Burger Juden das Städtchen verlassen. Erst zu Beginn des 18.Jahrhunderts siedelten sich in Burg erneut Juden - sie besaßen Schutzbriefe - an und gründeten eine kleine Gemeinde.

Zu Beginn des 19.Jahrhunderts gab es in Burg in der Franzosenstraße bereits eine Synagoge. Auf Grund des starken Wachstums der jüdischen Gemeinde - im Gefolge der raschen Industrialisierung des Ortes - errichtete man dann in den Jahren 1851/1852 auf einem Hofgelände an der Bruchstraße einen im gotischen Stil gestalteten Synagogenneubau, dessen Ausführung auf eine recht vermögende Burger Judenschaft schließen lässt.

Aus der Synagogenordnung der Burger Gemeinde (von 1844):

I. Ruhe und Ordnung muß in jedem Bethause herrschen und deshalb ist jeder, der unsere Synagoge besucht, er mag einheimisch oder fremd sein, verpflichtet, sich dort anständig und ruhig zu verhalten.

II. Alle Störungen und jedes zum Gebet nicht gehörende Sprechen ist bei 20 Silbergroschen untersagt.

III. Jeder muß während des Gottesdienstes auf der ihm angewiesenen Stelle bleiben. Niemand darf die Andacht Anderer dadurch stören, daß er im Bethaus umhergeht, widrigenfalls er 20 Silbergroschen Strafe verwirkt. Nur in Veranlaßung äußerst dringender körperlicher Bedürfnisse ist die Entfernung aus dem Bethause jedoch mit der größt möglichen Ruhe erlaubt.

IV. Den Vorbeter darf bei einem Taler Strafe keiner bei der Andacht stören. ...

V. Niemand darf bei 2 Pfennig Strafe einem anderen in der Synagoge Vorwürfe machen oder diesen beleidigen ...

VI. Da nach den jüdischen Gesetzen nur ein Gemeinde-Gebet in der Synagoge stattfinden kann, wenn schon zehn volljährige Personen männlichen Geschlechts in derselben vorhanden sind, so darf sich Niemand während des Gebets aus derselben bei einer Strafe von drei Talern entfernen. Nur Krankheit oder andere äußere dringende körperliche Bedürfnisse erlaubt die Entfernung aus dem Bethause.

 

Als in den 1860/1870er Jahren die Zahl der Gemeindemitglieder stark zurückgegangen war, wurde das Synagogengebäude alsbald verkauft; Gottesdienste fanden fortan in angemieteten Räumen statt.

Einem Regierungsbeschluss entsprechend, gehörten auch die Juden Genthins ab 1859 zur Kreissynagogengemeinde Burg, der alle im Kreis Jerichow I wohnenden Juden angehörten. 1873 wurde dann der Gemeindeverband nach Genthin verlegt, da die jüdische Gemeinde in Burg nur noch aus drei Familien bestand. Als zu Beginn des 20.Jahrhunderts wieder jüdische Familien nach Burg zuwanderten, trennten sich Burg und Genthin wieder und bildeten jeweils eigene Synagogengemeinden. Ein Ende der 1920er Jahre geplanter Synagogenneubau wurde nicht mehr realisiert.

Ein Friedhof „Auf dem Judenberg“ - an den Straßen Neuenzinnen und Koloniestraße auf einem Hügel nordöstlich der Burger Innenstadt gelegen - muss bereits um 1770 bestanden haben. Der älteste noch vorhandene Grabstein datiert aus dem Jahre 1836. Auf dem Begräbnisareal wurde 1911 eine Trauerhalle erbaut, für deren Finanzierung der Burger Fabrikbesitzer Alfred Zweig aufkam. Die Begräbnisstätte - einschließlich der Trauerhalle - hat die Zeit des Nationalsozialismus unzerstört überstanden.

Juden in Burg:

         --- um 1785 .........................   7 jüdische Familien,

    --- um 1830 ..................... ca.  25 Juden,

    --- 1850/51 ......................... 122   "  ,

    --- um 1870 .........................   3 jüdische Familien,

    --- 1907 ............................  65 Juden,

    --- um 1925 .........................  74   “  ,*    * incl. Juden aus Genthin

    --- 1933 ............................  84   “  .*

Angaben aus: Landesverband Jüdischer Gemeinden Sachsen-Anhalt (Hrg.), Geschichte jüdischer Gemeinden in Sachsen-Anhalt, S. 45

 

Das bis 1893 als Synagoge genutzte Gebäude, das danach als Lager und Werkstatt gedient hatte, steht seit den 1990er Jahren unter Denkmalschutz. Ein neues Dach soll den baufällig gewordenen Bau sichern.

Ehem. Burger Synagoge (Aufn. aus: panoramia.com 1991 und Olaf Meister, 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 Friedhofstor (Aufn. Olaf Meister, 2012, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Auf dem z.T. von einer Bruchsteinmauer umgebenen jüdischen Friedhofsgelände (in der Koloniestraße östlich der Altstadt) befinden sich heute ca. 45 Grabsteine - allerdings zahlreiche mit nicht mehr lesbaren Inschriften. Anfang der 1990er Jahre wurde seitens der evangelischen Kirchengemeinde ein Gedenkstein für Anne Frank aufgestellt (?).

Burg gehört seit 2013 zu den vielen Kommunen, die am sog. „Stolperstein“-Projekt teilnehmen. Die 2015 erfolgte Verlegung von sieben Steinen (in der Brückenstraße) war Mitgliedern einer einzigen Familie gewidmet; dabei handelte es sich um die von Chaim Neumann (er besaß ein Modegeschäft an der Zerbster Straße). Die meisten Familienmitglieder wurden im Oktober 1938 im Rahmen der sog. „Polenaktion“ nach Bentschen deportiert und später ermordet.

2017 wurden an zwei Standorten (Berg- u. Gartenstraße) noch weitere „Stolpersteine“ verlegt, die an Angehörige zweier jüdischer Familien erinnern. Insgesamt findet man in den Gehwegen der Stadt Burg inzwischen an 13 Standorten ca. 40 messingfarbene Gedenkquader (Stand 2023).

Badrian Alfred Stolperstein Burg bei Magdeburg.jpgBadrian Emil Stolperstein Burg bei Magdeburg.jpgStolperstein Marianne Heine.jpg

 verlegt in der Brüderstraße u. Brückenstraße (Aufn. Adnon, 2020, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0 und T., 2018, in: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

 

Hinweis: Im gleichnamigen Burg a. Fehmarn (Schleswig-Holstein) bestand im 19.Jahrhundert eine winzige jüdische Gemeinschaft.

 

 

In der Ortschaft Möser – nur wenige Kilometer südwestlich von Burg – erinnern in der Kastanienallee „Stolpersteine“ an die jüdische Familie Hahlo, die 1943 nach Theresienstadt verschleppt wurde und ein Jahr später einen gewaltsamen Tod fand.

Aufn. F. Luedtke, 2016, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0

 

 

Weitere Informationen:

M.Brocke/E.Ruthenberg/K.U.Schulenburg, Stein und Name. Die jüdischen Friedhöfe in Ostdeutschland (Neue Bundesländer/DDR und Berlin), in: "Veröffentlichungen aus dem Institut Kirche und Judentum", Hrg. Peter v.d.Osten-Sacken, Band 22, Berlin 1994, S. 275 - 277

Holger Brülls, Die Synagoge in Burg. Kleinstädtischer Synagogenbau und jüdische Emanzipation im 19.Jahrhundert, in: "Denkmalpflege in Sachsen-Anhalt", 5.Jg., Heft 2/1997, S. 97 - 117

Geschichte jüdischer Gemeinden in Sachsen-Anhalt - Versuch einer Erinnerung, Hrg. Landesverband Jüdischer Gemeinden Sachsen-Anhalt, Oemler-Verlag, Wernigerode 1997, S. 44 - 47

Holger Brülls, Synagogen in Sachsen-Anhalt, Arbeitsberichte des Landesamtes für Denkmalpflege in Sachsen-Anhalt 3, Verlag für Bauwesen, Berlin 1998, S. 106 - 116

Jutta Dick/Marina Sassenberg (Hrg.), Wegweiser durch das jüdische Sachsen-Anhalt, in: "Beiträge zur Geschichte u. Kultur der Juden in Brandenburg, Mecklenburg-Vorpommern, Sachsen-Anhalt, Sachsen und Thüringen", Band 3, Potsdam 1998, S. 144, S. 335 und 344 - 346

Gedenkstätten für die Opfer des Nationalsozialismus - Eine Dokumentation II, Hrg. Bundeszentrale für politische Bildung, Bonn 1999, S. 521

Holger Brülls, Die Synagoge in Burg. Kleinstädtischer Synagogenbau und jüdische Emanzipation im 19.Jahrhundert, in: "Menora. Jahrbuch für deutsch-jüdische Geschichte", No. 11/2000, S. 341 – 368

Aliza Cohen-Mushlin/Harmen Thies, Synagogenarchitektur in Deutschland vom Barock zum ‘Neuen Bauen’. Dokumentation zur Ausstellung, Selbstverlag TU Braunschweig, Fachgebiet Baugeschichte, 2002, S. 73

Ulrich Knufinke, Jüdische Ritualbauten in Sachsen-Anhalt. Ein Überblick (Vortrag, Wust 2007)

Falk Heidel (Red.), Eine Familie – sieben Stolpersteine (in Burg), in: volksstimme.de vom 9.3.2015

Auflistung der Stolpersteine in Burg, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Burg_(bei_Magdeburg)

Katrin Wurm (Red.), Messingtafeln gegen das Vergessen, in: volksstimme.de vom 7.6.2017

AWO – Landesverband Sachsen-Anhalt e.V., Stolpersteine gegen das Vergessen, online abrufbar unter: awo-sachsenanhalt.de/landesverband/informationen/aktuelles vom 14.6.2017

Andreas Mangiras (Red.), Den Ermordeten ein Gesicht geben, in: volksstimme.de vom 29.1.2018

Susanne Klose (Red.), Stolpersteine erhalten Erinnerung wach, in: volksstimme.de vom 26.1.2019

Thomas Pusch (Red.), Stolpersteine – Auch ohne Spuren unvergessen, in: volksstimme.de vom 9.12.2019

Mario Kraus (Red.), Neue Archiv-Dokumente. 13 Aktenordner über das jüdische Leben in Burg, in: volksstimme.de vom 9.2.2022

Mario Kraus (Red.), Stolpersteine in Burger Innenstadt erinnern an Opfer des Nationalsozialismus, in: volksstimme.de vom 11.10.2023