Dambach (Elsass)
Das unterelsässische Städtchen mit ca. 2.000 Einwohnern - etwa zehn Kilometer nördlich von Schlettstadt (Sélestadt) - ist das heutige frz. Dambach-la-Ville an der Elsässer Weinstraße (Ausschnitt aus hist. Landkarte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei).
Dambach - Merian-Stich, um 1645 (Abb. aus: wikipedia.org, gemeinfrei)
Erstmalige Erwähnung eines Juden in Dambach datiert aus dem Jahre 1421; gegen Ende des 15.Jahrhunderts wohnten hier sieben jüdische Familien, die teilweise Schutzbriefe des Bischofs von Straßburg besaßen.
In Dambach ist eine israelitische Gemeinde vermutlich wenige Jahre nach dem Dreißigjährigen Krieg entstanden; diese zählte zeitweilig bis zu 350 Mitglieder.
Eine erste Synagoge wurde Anfang der 1860er Jahre von einem Neubau ersetzt.
Synagogenfront (Aufn. um 1980) und Synagogengebäude in Dambach (Aufn. Susan Novick, um 2010)
Dambach war bis 1910 Sitz eines Bezirksrabbinates; von den dort amtierenden Rabbinern sind bekannt: Seligmann Weil (bis 1870), Marc Levy (1872-1883), Dr. Salomon Swinger (1885-1887), Eisig Roller (1887-1900) und Joseph Bloch (1902-1910). Letztgenannter verlegte den Rabbinatssitz nach Barr, wo er bis 1940 amtierte.
Artikel in der Zeitschrift "Der Israelit" vom 25. Juni 1885
Neben dem Rabbiner war zur Besorgung religiöser Aufgaben ein Lehrer angestellt, der zugleich als Vorbeter und Schochet tätig war.
Notiz aus: "Frankfurter Israelitisches Familienblatt" vom 31.8 1906
Stickereien auf Beschneidungswimpeln aus Dambach
Ihre Verstorbenen begrub die Gemeinde auf dem jüdischen Zentralfriedhof in Rosenweiler (Rosenwiller).
Der jüdische Friedhof in Rosenwiller ist der größte jüdische Friedhof im Elsass und zugleich einer der größten jüdischen Verbandsfriedhöfe in Mitteleuropa. Folgende israelitische Gemeindendes Unter-Elsass bestatteten hier ihre Toten: Baldenheim, Bergheim, Biesheim, Bischheim, Bonhomme, Buswiller, Dangolsheim, Diebolsheim, Dinsheim, Dornach, Duppigheim, Duttlenheim, Eckbolsheim, Epernay, Epfig, Ettingen, Fegersheim, Grusenheim, Gunstett, Kaysersberg, Kolbsheim, Krautergersheim, Kuttolsheim, Lingolsheim, Molsheim, Mutzig, Niedernai, Obernai, Oberschaeffolsheim, Osthoffen, Ottrott-le-Bas, Rosheim, Scharrachbergheim, Schirmeck, Soultz, Stotzheim, Strasbourg, Traenheim, Valff, Zellwiller. Auf dem ca. 40.000 m² großen Begräbnisgelände werden nahezu 6.500 Grabstätten gezählt; die meisten vorhandenen Grabsteine stammen aus der Zeit des 18. und frühen 19.Jahrhunderts.
Juden in Dambach:
--- 1784 ......................... 30 jüdische Familien,
--- 1807 ......................... 189 Juden,
--- 1846 ......................... 348 “ ,
--- 1861 ......................... 314 “ ,
--- 1871 ......................... 295 “ ,
--- 1887 ......................... 290 " ,
--- 1896 ......................... 210 " ,
--- 1905 ......................... 108 “ ,
--- 1910 ......................... 69 “ ,
--- 1936 ......................... 65 “ .
Angaben aus: Michel Rothé/Max Warschawski, Les synagogues d’Alsace et lieur histoire, S. 34
Zentrum von Dambach (Abb. aus: akpool.de)
Ab den 1860er Jahren wanderten immer mehr jüdische Familien aus dem dörflichen Dambach ab; nach etwa vier Jahrzehnten hatte sich die Gemeinde derart verkleinert, dass nun nur noch eine überschaubare Zahl zurückgeblieben waren. 1906 wurde die jüdische Schule – dort erhielten damals nur noch fünf Kinder Unterricht – aufgelöst; danach besuchten die Kinder die katholische Ortsschule.
Mit Beginn der deutschen Okkupation waren in Dambach noch ca. 50 bis 60 Juden ansässig; sie mussten 1940/1941 ihren Heimatort verlassen.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden acht gebürtige bzw. länger in Dambach ansässig gewesene Bewohner mosaischen Glaubens Opfer des Holocaust (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/dambach_synagogue.htm).
Das Synagogengebäude überstand die NS-Zeit relativ unbeschädigt. Wenige Jahre nach Kriegsende wurde es an die Kommune verkauft, die es nach Umbauten als Turn- und Sporthalle verwendete. Um 2010 begann man mit Sanierungs- und Umbaumaßnahmen, um fortan das Gebäude für kulturelle Zwecke zu nutzen.
Im Rahmen von Renovierungsarbeiten wurde 2012 auf dem Dachboden der Synagoge eine Genisa entdeckt. Etliche Fundstücke wurden später - zusammen mit anderen Ritualgegenständen - in einer Ausstellung im Elsässischen Museum Straßbourg unter dem Titel „Héritage inespéré - Unverhoffter Nachlass. Genisa-Funde aus Synagogen in Ostfrankreich“ der Öffentlichkeit gezeigt.
Weitere Informationen:
Freddy Raphael/Robert Weyl, Juif en Alsace. Culture, societé, histoire, Toulouse 1977
Germania Judaica, Band III/1, Tübingen 1987, S. 219/220
Michel Rothé/Max Warschawski, Les synagogues d’Alsace et lieur histoire, Jerusalem 1992
Dambach-la-Ville, online abrufbar unter: judaisme.sdv.fr
Dambach-la-Ville, in: alemannia-judaica.de (mit zahlreichen, zumeist personenbezogenen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Les collections juives du Museée alsacien, Hrg. Musées de la Ville de Strasbourg, Strasbourg 2013 (u.a. auch Fundstücke aus Dambach)
André-Marc Haarscher/Freddy Raphaël/Malou Schneider/Elisabeth Shimells (Bearb.), Mémoires du judaïsme en Alsace. Les collections du Musée alsacien, Hrg. Musées de la ville de Strasbourg, Strasbourg 2013