Deutsch Eylau (Westpreußen)
Ca. 35 Kilometer westlich von Osterode (Ostróda) bzw. ca. 45 Kilometer südöstlich von Marienwerder (poln. Kwidzyn) liegt die Kleinstadt Deutsch Eylau (poln. Ilawa, derzeit ca. 33.000 Einw.); ursprünglich zu Westpreußens gehörig wurde sie als Folge des Versailler Vertrages Ostpreußen angegliedert (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: europe1900.eu und Kartenskizze 'Polen' mit Ilawa rot markiert, K. 2006, aus: commons.wikimedia.ortg, CC BY-SA 3.0).
Bereits zu Beginn des 18.Jahrhunderts war hier eine kleine jüdische Gemeinde existent, die um die Mitte des 19.Jahrhunderts mit ca. 160 Angehörigen ihre Blütezeit erreichte. Ihre Anfänge lagen im beginnenden 18.Jahrhundert, als das Amt Deutsch Eylau den Wunsch äußerte, eine Vergleitung „bemittelter guter und ernster Juden“ zu erwirken, um die wüsten Ortschaften wieder zu beleben und mit fehlenden Handwerkern zu versorgen. Bereits um 1720 lebten hier 14 jüdische Familien, die als Schankwirte und Handwerker ihren Lebensunterhalt bestritten.
Seit den 1760er Jahren schienen keine Juden in Deutsch Eylau ansässig gewesen zu sein; eine Ursache dafür könnte die damals vorherrschende judenfeindliche Politik Preußens gewesen sein, die jüdische Familien abwandern ließ. Um 1795 lebte nur ein einziger Schutzjude, der wohlhabende Händler Kaspar Laser, im Ort.
Mit Inkrafttreten des Emanzipationsedikts vom 11. März 1812 - die Juden erhielten demzufolge die preußische Staatsbürgerschaft – zogen nun weitere jüdische Familien in den Ort. Es bildete sich eine Kultusgemeinde heraus, die ihren zahlenmäßigen Zenit mit ca. 200 Personen um 1870 erreichte.
Am NO-Rande der Altstadt (in der Magazinstraße) ließ die Gemeinde um 1840 eine Synagoge erbauen.
Nach 1840 soll die Gemeinde – vermutlich nur für eine begrenzte Zeit – eine eigene Schule betrieben haben.
Seit ca. 1815 (andere Angabe: 1828) verfügte die Gemeinde über ein eigenes Beerdigungsareal; es lag auf einem Hügel nahe der Ortschaft am gegenüberliegenden Ufer des Geserich Sees.
Juden in Deutsch Eylau:
--- 1722 ......................... 14 jüdische Familien,
--- 1794 ......................... eine " " (),
--- 1816 ......................... 74 Juden,
--- 1834 ......................... 118 “ (ca. 6% d. Bevölk.),
--- 1840 ......................... 146 " ,
--- 1852 ......................... 164 “ (ca. 7% d. Bevölk.),
--- 1864 ......................... 184 “ ,
--- 1871 ......................... 198 “ (ca. 6% d. Bevölk.)
--- 1885 ......................... 140 “ (ca. 3% d. Bevölk.),
--- 1895 ..................... ca. 60 “ ,
--- 1905 ......................... 100 “ (ca. 1% d. Bevölk.),
--- 1925 ......................... 110 “ ,
--- 1933 ......................... 84 “ ,
--- 1936 ..................... ca. 40 “ ,
--- 1939 ......................... 8 “ .
Angaben aus: Gerhard Salinger, Deutsch Eylau, in: Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreußens, Bd. 3, New York 2009
* In anderen Publikationen weichen einige demographische Angaben von den hier genannten ab.
hist. Ansichtskarte von Deutsch Eylau (Abb. aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)
Rund um den Markt besaßen jüdische Familien ihre Geschäfte, so z.B. die Familien Fürst und Löwenthal.
Marktplatz in Deutsch Eylau (hist. Postkarte, um 1900)
Nach Abwanderung eines Großteils seiner deutsch-jüdischen Bewohner zogen nach dem Ersten Weltkrieg polnische Juden nach Deutsch Eylau; um 1930 lebten in der Kleinstadt mehr als 100 Personen mosaischen Glaubens.
Als Mitte der 1930er Jahre fast die gesamte jüdische Bevölkerung abgewandert war (wenige konnten emigrieren, die meisten verzogen nach Berlin), wurde das Synagogengebäude an eine Brauerei veräußert; trotzdem ging es im November 1938 in Flammen auf. Ein Jahr zuvor (1937) war die jüdische Gemeinde aufgelöst und ein Teil der Inneneinrichtung der Synagoge in den niedersächsischen Ort Zeven verbracht worden; während der „Kristallnacht“ brannte die Synagoge in Zeven zusammen mit ihrer Einrichtung ab. (vgl. dazu: Zeven/Niedersachsen)
Unter den Opfern der Shoa waren auch ca. 40 in Deutsch Eylau gebürtige jüdische Bürger.
Der während der NS-Zeit teilzerstörte Friedhof wurde in den 1970er Jahren auf Betreiben der Kommune dann völlig eingeebnet bzw. der Hügel mit den Grabstätten abgetragen; später wurde auf dem Gelände ein Parkplatz angelegt.
Weitere Informationen:
The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust, New York University Press, Washington Square, New York 2001, Vol.1, S. 307 (Deutsch Eylau)
A. Wolosz, Die Juden in den Städten Ostpreußen,in: "Studien Angerburgica", Bd. VII/2002
S. Szczepanski, Friedhöfe in Eylau im Laufe der Geschichte - ein vergessenes Stück der lokalen Speicher, in: Eylau - über die Geschichte der Stadt und der Umgebung, 2005
Gerhard Salinger, Zur Erinnerung und zum Gedenken. Die einstigen jüdischen Gemeinden Westpreußens, New York 2009, Teilband 3, S. 569 – 573
Geschichte von Ilawa – Deutsch-Eylau, in: ostpreussen.net/ostpreussen/orte
Iława, in: sztetl.org.pl
Krzysztof Bielawski (Bearb.), Friedhof Iława - Deutsch-Eylau, Hrg. Jews in East Prussia – History and Culture Society, online abrufbar unter: jewsineastprussia.de/de/cemetery-ilawa-deutsch-eylau/
Seweryn Szczepański (Red.), The jewish cemetery in Ilawa, in: kirkuty.xip.pl