Crottingen (Litauen)

The History of Kretinga In Crottingen (auch Krottingen bzw. Krettingen, lit. Kretinga, derzeit ca. 21.000 Einw.) – im Westen Litauens, ca. 25 Kilometer von Memel entfernt – gab es eine zahlenmäßig relativ große jüdische Gemeinde (hist. Karte von 1907, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Ausschnitt aus hist. Karte, aus: seligman-org.il).

 

Obwohl seit dem 14. Jahrhundert Juden als Händler in Kretinga nachweisbar sind, haben sich erst im Laufe des 17. Jahrhunderts jüdische Familien in der Stadt niedergelassen (Anm. In einer Erhebung von 1662 sind nur zwei jüdische Männer und eine jüdische Frau erwähnt). Nachdem in der Mitte des 18. Jahrhunderts der polnische König besondere Privilegien erlassen hatte, kamen Juden in nennenswerter Zahl nach Crottingen/Kretinga. Nach den schwedisch-polnischen Kriegen war südwestlich vom Marktplatz am Akmena-Fluss eine jüdische Ansiedlung entstanden. Auf einer Flussinsel errichteten einige Juden Bauernhöfe und betrieben auch eine Wassermühle.

1771 lebten 14 jüdische Familien in der Stadt. Vier jüdische Familien wohnten in der Vokieciu Straße (der Deutschen Straße) und in der Altstadt, bis ein bischöfliches Verbot dies unterband. Eine Beschreibung von Kretinga aus dem frühen 19. Jahrhundert führte 28 von Juden bewohnte Häuser mit ca. 120 Bewohnern auf (von insgesamt 111 Häuser mit 435 Bewohnern). Auch eine Synagoge an der Straße nach Memel wurde erwähnt.

Mit der Stadtentwicklung wuchs die jüdische Gemeinde, die sich im Stadtzentrum konzentrierte. Unter den um 1850 in Kretinga lebenden Einwohnern waren mehr als 1.500 jüdischen Glaubens und stellten damit fast 60% der dortigen Bevölkerung.

Hist. Ansichtskarte (um 1900/1910)

1855 zerstörte ein Brand das Synagogengebäude, das alsbald wieder aufgebaut wurde. Ein erneutes Schadensfeuer (1889) vernichtete dieses. Ein Spendenaufruf, der auch im Ausland durchgeführt wurde und erfolgreich gewesen sein muss, führte zum abermaligen Aufbau des Synagogengebäudes.

                                          Synagoge von Kretinga (hist. Aufn.)

Um 1860 wurde eine jüdische Schule, in der Jiddisch unterrichtet wurde, und eine Berufsschule geschaffen.

Seit den frühen Jahren des Zionismus gab es unter den Juden Crottingens viele, die sich für diese Bewegung einsetzten; einer der Aktivisten der ersten Stunde war der 1857 in Kretinga geborene Yoel ben Eleazar Drubbin.

Yoel ben Eleazar Drubbin

Die Juden in Kretinga, die vornehmlich in den Straßen der Innenstadt wohnten, waren hier die treibende Kraft in Handel und Gewerbe der Stadt. Einer der bedeutendsten Unternehmer dieser Zeit war Judel Teitz, der zusammen mit E. Sher eine Tee-, Saccharin- und Kerzenfabrik betrieb. 1920 wurde in der Stadt die Jüdische Bank (Folksbank) gegründet.

Regelmäßig wurden Juden in die Stadtverwaltung gewählt. 1924 waren fünf von 15 Stadtverordneten Juden.

Bereits ab den 1870/1880er Jahren sank die Zahl der hiesigen Juden auf Grund von Auswanderung, besonders nach England. Um die Jahrhundertwende lebten noch etwa 1.200 Juden in der Stadt (etwa 35% der Bev.). In der Zwischenkriegszeit ging die Zahl der jüdischen Bewohner weiter zurück, wobei die sich verschlechternde ökonomische Situation und der wachsende Antisemitismus - getragen von nationalistischen Kreisen Litauens - wesentlichen Anteil hatte.

Im Jahre 1940 zählte die jüdische Bevölkerung etwa 1.000 Personen. Rabbi Binyomim Persky war der letzte Rabbiner der Gemeinde.

Nach dem Einmarsch deutscher Truppen in die Sowjetunion (Juni 1941) setzte sofort das Wüten der „SS-Einsatzgruppe Tilsit“ ein; bereits innerhalb von zwei Tagen waren hunderte Juden ermordet worden. Im Juli/August 1941 wurden die noch verbliebenen Männer, Frauen und Kinder umgebracht. (Anm.: Diese Massaker bedeuteten die ersten belegbaren Verbrechen der SS-Einsatzgruppen in den baltischen Ländern, in der Ukraine und in Russland.)

 

Heute kann man auf dem alten jüdischen Friedhof in Kretinga – er liegt im Süden der Stadt - noch einige Grabsteine finden; auch das Eingangsportal mit der schmiedeeisernen Menora steht noch.

             Bild:Krottingen, 2011, Jüdischer Friedhof, Vilma Norvaišienė

                                                                                  Ehem. Eingangsportal  und  Begräbnisgelände (Aufn. 2011, aus: memorialmuseums.org)

 

 

 

Weitere Informationen:

Letas Palmaitis, Juden in Litauen - Ein Abriß über die Geschichte der Lite und die Blütezeit der jüdischen Kultur 1918 - 1941, in: "Zeitschrift Osteuropa", 52.Jg., Heft 9/10, S. 1326 f.

Joachim Tauber, ‘Juden, Eure Geschichte auf litauischen Boden ist zu Ende!’ Litauen u. der Holocaust im Jahre 1941, in: "Zeitschrift Osteuropa", 52.Jg., Heft 9/10

Holocaust in Jubarkas. Die Massenvernichtung der Juden von Jurbarkas in den Provinzen Litauen während der deutschen Nazi-Besatzung (online)

The Encyclopedia of the Jewish Life before und during the Holocaust, University Press New York 2001, Vol. 2, S. 677

Jon Seligman (Bearb.), Kreti8nga – The History of the Shtetl of the Gillis Family, online abrufbar unter: seligman.org.il/kretinga_history.html

Krettingen, online abrufbar unter: wiki-de,genealogy.net/Krettingen