Chiesch (Böhmen)
Das im Böhmischen Egerland liegende Chiesch ist das heutige tschech. Chyše (derzeit ca. 600 Bewohner) in der Region Karlsbad - etwa acht Kilometer östlich der westböhmischen Stadt Luditz/Žlutice (Ausschnitt aus hist. Karte, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Tschechien' mit Chyše rot markiert, aus: commons.wikimedia.org gemeinfrei).
Laut Grabinschriften des kleinen jüdischen Friedhof haben bereits im 17.Jahrhundert Juden in Chiesch gelebt; der älteste Stein stammt aus dem Jahre 1657.
Von der Grundherrschaft waren den jüdischen Familien im SW-Teil der ummauerten Ortschaft einige Häuser überlassen worden, die eine Art ‚Judenstadt’ bildeten; dabei achteten die Chiescher Bürger stets darauf, dass sich außerhalb dieser kleinen ghettoartigen Siedlung (mit nur fünf bis sechs Häusern) keine Juden ansiedelten. Ein weiteres jüdisches Viertel (mit ca. 12 Häusern) bildete sich am Ufer des Flusses.
Das Verhältnis zwischen christlichen und jüdischen Bewohnern verlief nicht ohne Spannungen: so war in alten Ratsprotokollen des öfteren von - vor allem wirtschaftlich motivierten - Streitigkeiten die Rede.
Seit 1848 besaß die kleine Gemeinde eine neue Synagoge, die einen älteren, hölzernen Vorgängerbau ablöste; das im Stile des Neoklassizismus erstellte Synagogengebäude wurde unmittelbar neben den spätmittelalterlichen Festungsanlagen am südlichen Ortsrand gebaut. Im Synagogengebäude war bis 1870 die jüdische Schule untergebracht.
Chiesch/Chyše mit Synagoge rechts im Bild (Aufn. vor 1945) und Synagoge um 1960 ?
Am östlichen Ortsrand befand sich der vermutlich im ausgehenden 17.Jahrhundert angelegte jüdische Begräbnisplatz. Die Anlage eines neuen Friedhofs erfolgte in den 1880er Jahren.
Juden in Chiesch:
--- um 1580 ......................... 3 Juden (Familien),
--- um 1790/1800 .................... 17 jüdische Familien,
--- 1870 ............................ 135 Juden,
--- 1880 ............................ 107 “ ,
--- 1890 ............................ 78 “ ,
--- 1900 ............................ 54 “ ,
--- 1910 ............................ 35 “ ,
--- 1921 ............................ 20 “ ,
--- 1930 ............................ 22 “ ,
--- 1938 ............................ 4 jüdische Familien.
Angaben aus: Johann Stöckl, Geschichte der Juden in Chiesch, S. 91
Als sich die Chiescher Gemeinde nach dem Ersten Weltkrieg völlig auflöste, hatten sich bereits längst wenigen noch verbliebenen Juden der erst 1875 konstituierten Kultusgemeinde Luditz (tsch. Zlutice) angeschlossen; diese umfasste aber bis zu ihrem Ende nie mehr als 80 Mitglieder.
Die Synagoge in Chiesch wurde bis 1938 für gottesdienstliche Zusammenkünfte genutzt. Nach 1945 verfiel das ungenutzte Synagogengebäude; ca. drei Jahrzehnte später erfolgte ein Teilabriss, nur das Untergeschoss blieb als Ruine zurück. Auch das einstige aus wenigen Häusern bestehende Ghetto wurden in den 1970er Jahren abgerissen.
Die jüdischen Friedhöfe wurden ebenfalls während der kommunistischen Zeit eingeebnet; nur einige wenige Grabsteinerelikte sind bis auf den heutigen Tag erhalten geblieben.
Synagogenrelikt (Aufn. Ben Skála, 2005, aus: wikipedia.org, CC BY 2.5)
In Drahenz/Drahonice - einem Ortsteil von Lubenec (dt. Lubens, auch Lubenz) – sollen sich im beginnenden 15.Jahrhundert erstmals jüdische Familien angesiedelt haben; eine Gemeinde ist seit dem beginnenden 17.Jahrhundert nachweisbar. Nach 1790 wurde der Sitz der Kultusgemeinde nach Libin (tsch. Libyne) verlegt; knapp ein Jahrhundert später war es Lubenz, da hier nun die meisten Familien wohnten.
Die Anlage eines jüdischen Friedhof erfolgte vermutlich im Laufe des 16.Jahrhunderts. Auf dem mit Wald bestandenen, unwegsamen Hanggelände sind heute noch relativ viele alte Grabsteine vorhanden.
Jüdischer Friedhof in Drahonice (Aufn. Krabat, 2014, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0)
Weitere Informationen:
Eduard Brehm, Chiesch - ein Beitrag zur Ortskunde, Manuskript 1903
Johann Stöckl (Bearb.), Geschichte der Juden in Chiesch, in: Hugo Gold (Hrg.), Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart, Jüdischer Buch- und Kunstverlag, Brünn/Prag 1934, S. 91/92
Leo Polesie (Bearb.), Geschichte der Juden in Libin-Lubenz, in: Hugo Gold (Hrg.), Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart, Jüdischer Buch- und Kunstverlag, Brünn/Prag 1934, S. 370/371
www.kehilakv.cz/Zide-v-Chysi.htm
Chyše – jüdische Synagoge, aus: www.pamatkyaprirodakarlovarska.cz/chyse-zidovsk (2013)