Friesen (Oberfranken/Bayern)
Nur wenige Kilometer nordöstlich von Kronach liegt das Pfarrdorf Friesen mit derzeit ca. 1.000 Einwohnern, das seit 1978 der Stadt Kronach eingemeindet ist (Kartenskizze 'Landkreis Kronach', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).
Im Dorf Friesen existierte ab dem ausgehenden 17.Jahrhundert eine jüdische Gemeinde; eine erstmalige urkundliche Erwähnung eines Juden in Friesen liegt aus dem Jahr 1667 vor, nachdem unter dem Reichsritter Hans Conrad von Gailsdorf Juden sich hier ansässig machen konnten. Etwa ein Jahrzehnt später wird ein gewisser „Salomon Jud zu Frisn“ genannt, der Vorsteher des jüdischen Beerdigungsvereins für die gesamte Umgebung war. Auf Grund dieser Tatsache, muss bereits zu diesem Zeitpunkt eine jüdische Kultusgemeinde in Friesen bestanden haben, die nach dem Ableben des letzten Gailsdorfer Ortsherrn (1731) dem Fürstbischof in Bamberg als neuem „Schutzherrn“ unterstand.
Die unter den Herren von Gailsdorf hier angesiedelten Juden besaßen in den 1730er Jahren sieben Häuser, eine Synagoge und eine „Judentauche“ (Mikwe). Die Einweihung der Synagoge erfolgte 1756; darüber hieß es: „Im Jahre 1756 fand daselbst eine Synagogenweihe statt. Der Vorsteher Salomon Simon, … , ließ durch den Schulmeister von Friesen den Stadtpfarrer von Kronach viermal um die Erlaubnis bitten, unter Begleitung von Musikanten an einem Sonntag 'ihre 10 geboth' (Anm.: die Thorarollen) in solenner Prozession durch das Dorf in die Schul (Anm.: Synagoge) tragen zu dürfen, was ihm aber jedes Mal verweigert wurde. Der Vorsteher schwindelte nun, so wenigstens erzählt der Bericht, dem Stadtvogt Heeger vor, der Pfarrer hätte unter Weglassung der Musik die Abhaltung der Prozession gestattet, worauf dieselbe denn auch unter Begleitung des zum Schutze bestellten Amtsknechtes stattfand. … Zugleich aber wurde beschlossen, in Rücksicht darauf, daß die neue Judenschule in Friesen der katholischen Kirche viel zu nahe gelegen und das Schreien der Juden in der Kirche gehört werde, die Synagoge in ein weiter entferntes Judenhaus zu verlegen. Diese Beschlüsse wurden vom Fürstbischof in Würzburg am 16. Oktober 1757 bestätigt." (aus: Adolf Eckstein, Geschichte der Juden im ehemaligen Fürstbistum Bamberg, Bamberg 1898, 134/135 )
Dass dieser Beschluss dann wirklich realisiert wurde, kann nicht nachgewiesen werden.
Stellenanzeige aus der Zeitschrift „Der Israelit“ vom 5.April 1865
Nahe des Synagogengebäudes unterhielt die Gemeinde seit ca. 1830 eine neuerstellte Mikwe.
Ein eigenes Beerdigungsgelände war nicht vorhanden; Verstorbene wurden auf dem jüdischen Friedhof in Küps begraben.
Die Gemeinde unterstand dem Distriktrabbinat Redwitz.
Juden in Friesen:
--- um 1725 ........................ 8 jüdische Haushaltungen,
--- 1744 ........................... 12 " " ,
--- um 1755 .................... ca. 20 " " (ca. 80 Pers. 'ohne Knechte und Kinder'),
--- 1753 ........................... 23 " " (ca. 110 Pers.),
--- um 1825 ..................... ca. 70 Juden (ca. 8% d. Bevölk.),
--- 1840 ........................... 92 " (ca. 13% d. Bevölk.),
--- um 1855 ..................... ca. 75 " (ca. 11% d. Bevölk.),
--- 1875 ............................ 13 " ,
--- 1880 ............................ 10 " (in drei Familien),
--- 1895/1900 ....................... ein " .
Angaben aus: Eva Groiss-Lau, Friesen, in: Klaus Guth (Hrg.), Jüdische Landgemeinden in Oberfranken ..., S. 164 f.
und Ausstellung: Jüdische Gemeinde in Friesen. So lebten Juden bis Anfang des 20.Jahrhunderts in Friesen, 2021
Ihren zahlenmäßigen Höchststand (ca. 120 - 140 Angehörige) hatte die in Friesen beheimatete religiös-orthodoxe Gemeinde um die Mitte des 18.Jahrhunderts erreicht; damals war fast jeder vierte Dorfbewohner jüdischen Glaubens. Die jüdischen Familien lebten vom Handel, insbesondere vom Schnittwaren- und Viehhandel; in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts gab es auch einzelne Handwerker.
Kleinanzeige der Gerberei/Lederhandlung J. Strauß von 1872
Innerhalb nur weniger Jahrzehnte löste sich die Gemeinde völlig auf (um 1890), nachdem nach Außerkraftsetzung des Matrikelparagraphen (1861) die meisten Familien ins nahe Kronach verzogen waren. 1910 starb der letzte in Friesen beheimatete jüdische Bewohner, der Sohn des letzten jüdischen Lehrers Moritz Sulzbacher.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden fünf aus Friesen stammende jüdische Bewohner Opfer der "Endlösung" (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/friesen_synagoge.htm).
Das heute noch als Wohnhaus genutzte Synagogengebäude (Moschaweg) ging zunächst in den Besitz der Israelitischen Gemeinde Kronach über, um 1920 dann in Privatbesitz. Das Gebäude - in der Bayerischen Denkmalliste verzeichnet – wurde in den vergangenen Jahren renoviert, so dass es sich heute in sehr gutem baulichen Zustand befindet.
Einstiges Synagogengebäude in Friesen (Aufn. J. Hahn, 2007)
Im Keller eines denkmalgeschützten Anwesens „Am Plan 15“ wurde seitens der „Arbeitskreises Kronacher Synagoge e.V.“ eine jüngst entdeckte privat errichtete Mikwe freigelegt und dokumentiert (2022). Das über mehrere Stufen zugängliche Tauchbad wurde von Grundwasser gespeist; erstellt wurde die Mikwe („Tauche“) vermutlich gegen Ende des 18.Jahrhunderts. Das Gebäude aus dem frühen 18. Jahrhundert hatte sich im wechselnden Besitz verschiedener jüdischer Familien befunden, ehe es dann um 1870 von einer christlichen Familie erworben wurde.
Tauchbecken (Aufn. Chr. Porzelt, 2022)
vgl. Kronach (Oberfranken)
Weitere Informationen:
Adolf Eckstein, Geschichte der Juden im ehemaligen Fürstbistum Bamberg, Bamberg 1898, 134/135
J.Böhnlein/M.Kramarz/u.a., 650 Jahre Friesen - Die Geschichte einer Frankenwaldgemeinde, Kronach 1978 (enthalten ein längerer Aufsatz zur jüdischen Ortsgeschichte)
Klaus Guth (Hrg.), Jüdische Landgemeinden in Oberfranken (1800 - 1942). Ein historisch-topographisches Handbuch, Bayrische Verlagsanstalt Bamberg, Bamberg 1988, S. 164 - 172
Israel Schwierz, Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1992, S. 220
A. Hager/H.-Chr. Haas, Kronach, in: Mehr als Steine ... Synagogengedenkband Bayern, Band 1, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2007, S. 178 f.
Friesen (Oberfranken), in: alemannia-judaica.de (mit diversen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Hans Götz (Red.), Der Friesener Moschaweg. 250 Jahre deutsch-jüdische Ortsgeschichte, in: "Cranach. Zeitschrift des Vereins '1000 Jahre Kronach'" e.V., No. 44/2011, S. 20 - 22
Ausstellung: Jüdische Gemeinde in Friesen. So lebten Juden bis Anfang des 20.Jahrhunderts in Friesen, 2021 (auch online abrufbar unter: juedische-gemeinde.erinnerungskultur-soldatenkameradschaft-friesen.de/das-leben-der-juedischen-gemeinde/)
N.N. (Red.), Virtueller Rundgang in die jüdische Vergangenheit, in: „Fränkischer Tag“ vom 10.9.2021
Christian Porzelt (Red.), Die fast 300 Jahre alte Mikwe in Friesen ist nun freigelegt, in: "AiD-Magazin - Archäologie in Deutschland", Okt. 2022
Jürgen Jacob (Red.), Viel mehr als ein nasses Kellerloch in Friesen, in: „Fränkischer Tag“ vom 25.10.2022
N.N. (Red.), Jüdisches Ritualbad in Friesen freigelegt, aus: "Archäologie online“ vom 29.10.2022
Bianca Hennings (Red.), Friesen. Große Pläne für ein besonderes Haus, in: „Neue Presse“ vom 6.11.2022