Geldersheim (Unterfranken/Bayern)
Geldersheim ist eine kleine Kommune mit derzeit ca. 2.500 Einwohnern im unterfränkischen Landkreis Schweinfurt – nur wenige Kilometer westlich der Kreisstadt gelegen (Kartenskizze 'Region Schweinfurt', Michael Bemmerl 2018, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0).
Im Dorf Geldersheim existierte eine jüdische Landgemeinde vermutlich von Mitte des 17.Jahrhunderts bis 1901. Erster Nachweis eines jüdischen Einwohners stammt aus der Zeit kurz nach dem Ende des Dreißigjährigen Krieges.
Bei der Erstellung der Matrikellisten waren für Geldersheim zwölf Familienvorstände aufgeführt. Die jüdischen Familien lebten vom Handel mit Vieh und landwirtschaftlichen Produkten; später gab esauch einen jüdischen Metzger in der Gemeinde.
Zu den Kultuseinrichtungen gehörten ein eigener Betraum und eine Mikwe. Um 1880 suchten auch die in Euerbach lebenden jüdischen Bewohner die Synagoge in Geldersheim auf.
Vermutlich war bis gegen Mitte des 19.Jahrhunderts ein Lehrer zur Besorgung religiös-ritueller Aufgaben der Gemeinde angestellt. 1850 wurden in der jüdischen Schule elf Kinder unterrichtet. Um Kosten zu sparen, wollten Geldersheim und Euerbach gemeinsam einen Lehrer verpflichten; allerdings schien es dagegen Widerstände in der Gemeinde gegeben zu haben.
Stellenangebot aus der Zeitschrift "Der Israelit" vom 20.Okt. 1869
Ein eigenes Beerdigungsgelände stand aber nicht zur Verfügung; so wurden verstorbene jüdische Dorfbewohner - zusammen mit denen aus Obbach und Kützberg - auf dem Euerbacher Friedhof bestattet.
Juden in Geldersheim:
--- 1751 ......................... 6 jüdische Familien,
--- 1810 ..................... ca. 10 " " ,
--- 1816 ......................... 44 Juden,
--- 1837 ......................... 45 “ (ca. 4% d. Bevölk.),
--- 1867 ......................... 36 “ ,
--- 1880 ......................... 32 “ ,
--- 1900 ......................... 12 “ ,
--- 1910 ......................... 11 “ ,
--- 1925 ......................... 4 “ ,
--- 1933 ......................... 3 “ .
Angaben aus: Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 – 1945, S. 395
Gewerbliche Anzeige von 1890 (Anm.: Man beachte die Referenz!)
Nach Auflösung der kleinen jüdischen Gemeinde wurde das Gebäude, in dem sich der Betsaal befunden hatte, verkauft.
Zu Beginn der NS-Zeit wohnten nur noch drei ältere Menschen mosaischen Glaubens in Geldersheim - unter ihnen auch der Metzger Gustav Weglein mit Frau, die im Gebäude des ehem. Betsaals wohnten.
Dieses war nach Auflösung der Gemeinde verkauft, die Thorarollen der Würzburger Gemeinde übergeben worden. Beim Novemberpogrom 1938 wurde das Ehepaar in seiner Wohnung von SA-Männern überfallen und bedroht; die beiden verängstigten alten Leute flüchteten aus dem Haus. Von ihrer neuen Bleibe, dem Altersheim in Würzburg, wurden sie im September 1942 in das Ghetto Theresienstadt deportiert und kamen einige Monate später hier ums Leben.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden zwölf aus Geldersheim stammende bzw. länger am Ort ansässig gewesene Personen mosaischen Glaubens Opfer der Shoa (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/geldersheim_synagoge.htm).
Weitere Informationen:
Baruch Z. Ophir/Falk Wiesemann, Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, Oldenbourg-Verlag, München/Wien 1979, S. 395
Israel Schwierz, Steinerne Zeugnisse jüdischen Lebens in Bayern - Eine Dokumentation, Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, 2.Aufl., München 1992, S. 60
Geldersheim, in: alemannia-judaica.de (mit einigen Dokumenten zur jüdischen Ortshistorie)
Dirk Rosenstock (Bearb.), Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle, in: "Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg", Band 13, Würzburg 2008, S. 244/245