Ebelsbach (Unterfranken/Bayern)
Ebelsbach a. Main ist eine Kommune mit derzeit ca. 3.800 Einwohnern im unterfränkischen Landkreis Haßberge (Kartenskizzen 'Unterfranken', aus: bezirk-unterfranken.de und 'Landkreis Haßberge', Hagar 2010, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).
In der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts erreichte der jüdische Anteil an der Dorfeinwohnerschaft ca. 30%.
Die Anfänge einer jüdischen Gemeinde reichen bis ins ausgehende 16.Jahrhundert zurück, als hier einzelne jüdische Familie sich unter dem Schutz der Adelsfamilie Rotenhan ansiedelten. Als ihre Unterkunft diente der um 1500 errichtete „Judenhof“ in der Nähe des Schlosses.
Bei der Erstellung der Matrikellisten (1817) wurden in Ebelsbach 30 Familienvorstände aufgenommen; im Schnittwaren- und Viehhandel bestritten die meisten Familien damals ihren Lebensunterhalt.
Zu den gemeindlichen Einrichtungen gehörten eine um 1715 erbaute Synagoge, ein Gemeindehaus mit Schulraum und ein um 1840 errichtetes Ritualbad.
Zur Besorgung religiöser Aufgaben hatte die Gemeinde (bis gegen Ende des 19.Jahrhunderts) einen Lehrer angestellt.
Ihre Verstorbenen begrub die Judenschaft auf dem Anfang des 18.Jahrhunderts angelegten jüdischen Verbandsfriedhof in Limbach, der auch Verstorbene aus Eltmann, Knetzgau und Westheim aufnahm. Die letzte Bestattung fand hier 1938 statt. Auf dem ca. 3.000 m² großen Begräbnisgelände haben mehr als 150 Grabsteine die Zeiten überdauert.
Ansichten des jüdischen Friedhofs in Limbach (beide Aufn. J. Hahn, 2007)
Die Gemeinde gehörte dem Distriktrabbinat Schweinfurt an.
Juden in Ebelsbach:
--- um 1595 ..................... eine jüdische Familie,
--- um 1685 ..................... 4 jüdische Familien,
--- um 1700 ..................... 3 " " ,
--- 1723 ........................ 2 " " ,
--- 1748 ........................ 25 " " ,
--- 1813 ........................ 114 Juden (ca. 30% d. Dorfbev.),
--- 1836 ........................ 136 “ ,
--- 1853 ........................ 144 “ ,
--- 1867 ........................ 93 " (ca. 20% d. Dorfbev.),
--- 1875 ........................ 77 “ ,
--- 1900 ........................ 80 “ ,
--- 1910 ........................ 34 “ ,
--- 1925 ........................ 23 “ (ca. 4% d. Dorfbev.),
--- 1933 ........................ 27 “ ,
--- 1935 ........................ 18 " ,
--- 1938 (Dez.) ................. 2 “ ,
--- 1939 (Mai) ................. keine.
Angaben aus: Baruch Z.Ophir/F. Wiesemann (Hrg.), Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945, S. 284
und Cordula Kappner, Aus der jüdischen Geschichte des heutigen Landkreises Hassberg
und W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine … - Synagogengedenkband Bayern, Teilband III/2.1: Unterfranken, S. 468
Anm.: In den genannten Publikationen werden bei den demografischen Angaben z.T. unterschiedliche Angaben gemacht.
Ihren zahlenmäßigen Höchststand hatte die Kultusgemeinde gegen Mitte des 19.Jahrhunderts erreicht; danach wanderten immer mehr jüdische Familien ab, verstärkt noch nach 1900. Zu Beginn der NS-Zeit lebten nur noch einige Familien im Ort.
Während des Novemberpogroms räumten SA-Angehörige die Synagoge aus und verbrannten Inventar und Bücher auf dem Vorplatz; wertvolle Ritualgegenstände waren zuvor von der Polizei beschlagnahmt und nach Schweinfurt überstellt worden (Anm.: Die Synagoge war bereits 1935 aufgegeben und später ? verkauft worden). Der letzte Ebelsbacher Jude verließ am 15.April 1939 sein Heimatdorf.
Nach Angaben der Gedenkstätte Yad Vashem/Jerusalem und des "Gedenkbuches - Opfer der Verfolgung der Juden ..." wurden 16 aus Ebelsbach stammende Juden Opfer der Shoa (namentliche Nennung der betroffenen Personen siehe: alemannia-judaica.de/ebelsbach_synagoge.htm).
Einige Mauerreste erinnern heute noch an das einstige, Anfang der 1960er Jahre abgerissene Synagogengebäude. Eine Gedenktafel - angebracht auf einem Felsblock - erinnert mit den folgenden Worten:
Zum Gedenken
an die jüdische Gemeinde unseres Ortes, die seit dem 18.Jahrhundert ansässig war.
Hier gab es eine Synagoge,
ein Ritualbad sowie ein Gemeindehaus mit Schulraum für den Religionsunterricht.
Während der Verfolgung durch die Nationalsozialisten verließen die letzten Ebelsbacher Juden 1939 den Ort. Wieviele von ihnen in den Konzentrationslagern umkamen, ist nicht bekannt.
Den Toten zur Ehre, den Lebenden zur Mahnung.
obige Abbildung der Gedenktafel: J. Hahn, 2007, aus: alemannia-judaica.de
Im Rahmen des Gedenkens anlässlich des 80.Jahrestages der „Reichskristallnacht“ wurde am Areal des „Judenhofes“ eine kleine steinerne Skulptur in Form eines Koffers enthüllt. Mit dieser „Koffer-Skulptur“ beteiligt sich auch Ebelsbach am zentralen Mahnmal in Würzburg ("DenkOrt Deportationen 1941-1944"), das an die Deportation der Juden aus Unterfranken erinnern soll.
Koffer-Skulptur aus Ebelsbach (Aufn. aus: denkort-deportationen.de)
Hinweis: In Eltmann - am gegenüberliegenden Mainufer gelegen - gab es in den ersten Nachkriegsjahren eine kleine jüdische Gemeinschaft, die sich aus Displaced Persons (DP‘s) aus Osteuropa zusammensetzte. In den Jahren 1946 bis 1949 lebten hier bis zu ca. 60 Personen.
Weitere Informationen:
Baruch Z.Ophir/F. Wiesemann (Hrg.), Die jüdischen Gemeinden in Bayern 1918 - 1945. Geschichte und Zerstörung, Oldenbourg-Verlag, München/Wien 1979, S. 284/285
Israel Schwierz, Steinerne Zeugen jüdischen Lebens in Bayern. Eine Dokumentation, Hrg. Bayrische Landeszentrale für politische Bildungsarbeit, München 1992, S. 51
Michael Trüger, Der jüdische Friedhof in Limbach, in: Der Landesverband der Israelit. Kultusgemeinden in Bayern, Nr. 64/Dez. 1994, S. 24
Theodor Harburger, Die Inventarisation jüdischer Kunst- und Kulturdenkmäler in Bayern, Band 2: Adelsdorf - Leutershausen, Hrg. Jüdisches Museum Franken - Fürth & Schnaittach, Fürth 1998, S. 167 - 170
Cordula Kappner, Aus der jüdischen Geschichte des heutigen Landkreises Hassberge, Hrg. Landratsamt Hassberge, Hassfurt 1998
Anneliese Lotz, Juden in Ebelsbach aus der Sicht einer Zeitzeugin, in: R.Mayer/H.Roller/S.Mantel (Hrg.), 1200 Jahre Ebelsbach - Ein Dorf als Heimat und seine Entwicklung im Spiegel der Geschichte, Band 1, Ebelsbach 2004, S. 401 – 411
Roland Mayer, Juden in Ebelsbach, in: R.Mayer/H.Roller/S.Mantel (Hrg.), 1200 Jahre Ebelsbach - Ein Dorf als Heimat und seine Entwicklung im Spiegel der Geschichte, Band 1, Ebelsbach 2004, S. 413 – 441
Ebelsbach, in: alemannia-judaica.de
Dirk Rosenstock (Bearb.), Die unterfränkischen Judenmatrikeln von 1817. Eine namenkundliche und sozialgeschichtliche Quelle, in: "Veröffentlichungen des Stadtarchivs Würzburg", Band 13, Würzburg 2008, S. 112/113
Lothar Mayer, Jüdische Friedhöfe in Unterfranken, Michael Imhof Verlag, Petersberg 2010, S. 112 –115 (zahlreiche Fotos des Friedhofs von Limbach)
Verwaltungsgemeinschaft Ebelsbach (Hrg.), Streifzug durch die Geschichte Ebelsbachs, online abrufbar unter: vg-ebelsbach.de/de/ebelsbach/ueber-die-gemeinde/geschichte.php
Günther Geiling (Red.), Ebelsbach gedenkt jüdischer Mitbürger, in: inFranken.de vom 22.2.2018
Günther Geiling (Red.), Ebelsbach stellt „Koffer“ als Mahnung auf, in: inFranken.de vom 11.11.2018
Sven Dörr (Red.), Geschichte. Historische Spuren als Mahnung, aus: „Fränkischer Tag“ vom 15.6.2020
Axel Töllner/Hans-Christof Haas (Bearb.), Ebelsbach, in: W.Kraus/H.-Chr. Dittscheid/G. Schneider-Ludorff (Hrg.), Mehr als Steine … - Synagogengedenkband Bayern, Teilband III/2.1: Unterfranken, Kunstverlag Josef Fink, Lindenberg/Allgäu 2021, S. 461 - 470