Eggenburg/Waldviertel (Österreich)
Eggenburg (im niederösterreichischen Bezirk Horn) - am Ostrand des Waldviertels gelegen - ist eine Kleinstadt mit derzeit ca. 3.500 Einwohnern (Karte von Niederösterreich, Bezirk Horn dunkel markiert, A. 2016, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).
Im schriftlich fixierten Eggenburger Stadtrecht um 1305 lassen sich erstmals indirekt Hinweise auf jüdisches Leben in der Stadt finden; in mehreren Passagen wurden Juden erwähnt; so hieß es u.a.: „ ... die statt hat auch das recht von alter her, daß die juden überall nur 3 heuser haben sollen und ihr schul. was sie ihrer mehr haben, da sie ingesessen seynd ... und von ihren wegen öde ligen, da sollen sie von leyden als andere burger von ihren heusern.” Von dem Pogrom von 1338 war auch ein Eggenburger Juden betroffen; Anlass war eine angebliche Hostienschändung in Pulkau. Knapp 30 Jahre später ging Herzog Albrecht III. gegen „seine“ Juden vor, darunter auch eine jüdische Familie in Eggenburg. Gegen Ende des 14.Jahrhunderts sollen bereits wieder Juden in der Stadt gelebt haben. Aus dieser Zeit ist das Amt eines Judenrichters bezeugt, das ein angesehener christlicher Bürger bekleidete; dieser nahm die „Judensteuer“ ein, führte das „Judenbuch“ und entschied als Vorsitzender des aus Christen und Juden bestehenden Judengerichts Streitfälle zwischen den Angehörigen beider Konfessionsgruppen. 1540 brechen die schriftlichen Belege über die Juden in Eggenburg ab. Danach war es jüdischen Händlern - diese dominierten fast völlig den Pferdehandel - nur noch erlaubt, tagsüber die Stadt zu betreten; ab 1718 wurde auch dies verboten, so dass Handelsgeschäfte vor dem Stadttor abgewickelt werden mussten.
Stadtansicht um 1670 (Abb. aus: commons.wikimedia.org, gemeinfrei)
Von Mitte des 16.Jahrhunderts an sollte es drei Jahrhunderte dauern, ehe sich wieder Juden in der Stadt ansiedelten. Dabei handelte es sich größtenteils um Zuwanderer aus Schaffa, die bereits mit Bewohnern Eggenburgs Handel getrieben hatten. Die jüdischen Familien Eggenburgs zählten zur Kultusgemeinde Horn, die noch weitere Ortschaften umfasste. [vgl. Horn (Österreich)]
Eggenburg um 1925 (R.C.Wagner), Abb. aus: commons.wikimedia.org, CCO
Zu Beginn des 20.Jahrhunderts verdienten die Juden Eggenburgs ihren Lebensunterhalt als Kaufleute, Vieh-, Leder- und Fellhändler; sie galten als nicht unvermögend. Nach dem sog. „Anschluss” an das Deutsche Reich 1938 wurden ihre Besitzungen „arisiert“; sie selbst mussten im September 1938 das Städtchen verlassen. Die meisten flüchteten zunächst nach Wien und versuchten, von dort zu emigrieren. Fast die Hälfte der um 1930 in Eggenburg lebenden jüdischen Bewohner soll Opfer des Holocaust geworden sein.
Aus der NS-Zeit stammt ein vom Eggenburger Bürgermeister, Dr. Eduard Kranner verfasstes Buch („Die Stadt Eggenburg, Niederdonau. Ahnengau des Führers”), in dem auch über die Juden Eggenburgs des Spätmittelalters berichtet wird; darin heißt es:
„ ... Weit weniger von leiblicher Mühsal und Arbeit beladen waren die Bewohner eines entfernten nordwestlichen Winkels an der alten Stadtmauer. Dort stehen drei Häuser, ... die waren wohl einstens verrufen, verachtet, verflucht. Sie stehen daher geduckt wie das böse Gewissen, scheu, dürftig und verschlossen. Durch fensterlose Abmauerungen ihrer engen Höfe ist den Blicken entzogen, was sich im Innern begibt. ... Hier hausten einmal gemiedene Wichte, die das Licht scheuten und die Nähe der Menschen; und wohl auch deren Rache. Es ist das Ghetto. Wo Lebensströme kraftvoll pulsen, will der Schmarotzer auch nicht fehlen. Was und wieviel an Ueblem die Juden auf ihr Gewissen damals häuften, läßt sich ja ahnen. ... Streng waren daher die Stadtgesetze Alt-Eggenburgs gegen die Juden. Sie durften nur im Ghetto drei Häuser bewohnen, durften die Stadt nur ausnahmsweise an Markttagen für einige Stunden zur Tageszeit betreten, ... Im Jahre 1338 wurden alle Juden wegen Wuchers erschlagen. Aber das Ghetto wurde bald darauf wieder von Juden bewohnt. ... Im Jahre 1420 wurden alle Juden ‘auf ewig’ vertrieben, weil sie an die Hussiten, deren wüste Heerhaufen mordend und plündernd durch dieses deutsche Land zogen, Waffen verhandelt hatten. Es dauerte jedoch mehr als ein halbes Jahrtausend, bis sie wirklich für ewig vertrieben wurden, nämlich im Jahre 1938. ...”
Weitere Informationen:
Burghard Gaspar (Bearb.), Zur Geschichte der Juden in Eggenburg seit dem Spätmittelalter, in: Friedrich Polleroß (Hrg.), “Die Erinnerung tut zu weh” - Jüdisches Leben und Antisemitismus im Waldviertel, aus: Schriftenreihe des Waldviertler Heimatbundes, Band 37/1995, Horn/Waidhofen 1996, S. 159 - 182
Burghard Gaspar, Zur Geschichte der Juden in Eggenburg seit dem Spätmittelalter, Maschinenmanuskript (überarbeitet 2003)
Christoph Lind, “Der letzte Jude hat den Tempel verlassen ...” - Juden in Niederösterreich 1938 - 1945, Mandelbaum-Verlag, Wien 2004
Barbara Staudinger, ‘Gantze Dörffer voll Juden’. Juden in Niederösterreich 1496 - 1670, Mandelbaum-Verlag, Wien 2005
H. Schwameis (Red.), Jüdische Familien im Waldviertel und ihr Schicksal, in: meinbezirk.at vom 25.4.2018 (betr. Sonderausstellung)
Jüdische Familien im Waldviertel und ihr Schicksal – Sonderausstellung im Ersten österreichischen Museum für Alltagsgeschichte Neupölla, in: noemuseen.at (Juni 2018)
Die Judengasse in Eggenburg, online abrufbar unter: apikorostyrol.com/2019/03/23/die-judengasse-in-eggenburg/ (2019)