Eldagsen (Niedersachsen)

https://upload.wikimedia.org/wikipedia/de/0/0f/Lage_Kreis_Pyrmont.jpgDatei:Springe in H.svg Eldagsen mit derzeit ca. 3.300 Einwohnern ist seit der Eingemeindung (1974) ein Stadtteil der Stadt Springe (Deister) – ca. 25 Kilometer südlich von Hannover bzw. nordöstlich von Hameln gelegen (Ausschnitt aus hist. Karte ohne Eintrag von Eldagsen, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Region Hannover', Hagar 2009, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 3.0).

 

Kurzzeitige Anwesenheit eines Juden im Dorfe Eldagsen ist erstmals für das Jahr 1445 belegt. Hinweise für eine dauerhafte jüdische Ansiedlungen in dem Ackerbürgerstädtchen im Calenberger Land sind dann seit der ersten Hälfte des 18.Jahrhunderts zu finden. Um 1750 waren vier „Schutzjuden“ mit ihren Familien hier ansässig; bis 1900 nahm die Zahl der jüdischen Familien langsam zu. Diese bestritten ihren Lebenserwerb fast ausschließlich im lokalen Handel und versorgten auch die dörfliche Bevölkerung des Umlandes mit Gebrauchsgütern.

Zunächst gab es nur einen Betsaal in einem Privatgebäude, das die Gemeinde angemietet hatte; nach einer langen Planungsphase wurde im Jahre 1868 eine neuerrichtete Synagoge an der Langen Straße eingeweiht; allerdings konnte der ursprüngliche Entwurf nicht realisiert werden, da die finanziellen Mittel der kleinen Gemeinde begrenzt waren.

 

Synagoge in der Langen Straße in Eldagsen (hist. Postkarte und hist. Aufn. um 1910)

Im ca. 70 m² großen Gottesdienstraum befand sich an dessen östlicher Seite die Nische für den Thoraschrein; an der Giebelseite waren zwei Tafelinschriften mit den zehn Geboten angebracht.

Im hinteren Teil des Synagogengebäudes befanden sich ein kleiner Schulraum und eine ebenso kleine Lehrerwohnung. Mit rückläufiger Schülerzahl verlor die jüdische Schule in den 1870er Jahren ihren Status als Elementarschule; deshalb besuchten die jüdischen Kinder fortan die Ortsschule; Religionsunterricht wurde zunächst vom Lehrer der Springer Gemeinde erteilt. Ab den 1890er Jahren ließ die Eldagser Gemeinde mit der Einstellung eines Elementarlehrers ihre alte Schule wieder aufleben. Eine Mikwe wurde in Eldagsen bis Mitte des 19.Jahrhunderts benutzt.

Gegen Mitte des 18.Jahrhunderts erwarb die Eldagser Judenschaft einen Begräbnisplatz, der ein ihnen früher zugewiesenes Areal ersetzte.

Zur Synagogengemeinde Eldagsen, die dem Landrabbinat Hannover zugeordnet war, gehörten auch die jüdischen Familien aus Gestorf.

Juden in Eldagsen/Gestorf:

         --- 1753 ........................  4 jüdische Familien,*   *  nur Eldagsen

    --- 1816 ........................ 58 Juden,**              ** Synagogengemeinde

    --- 1848 ........................ 44   “  ,*

    --- 1871 ........................ 49   “  ,**

    --- 1885 ........................ 64   “  ,**

    --- 1895 ........................ 65   “  ,**

    --- 1905 ........................ 62   “  ,**

    --- 1910 ........................ 48   "  ,*

    --- 1916 ........................ 50   “  ,**

    --- 1925 ........................ 61   “  ,**

    --- 1930 ........................ 55   “  ,**

    --- 1938 ........................ 19   “  ,**

    --- 1939 ........................ 15   “  ,**

    --- 1942 (März) .................  4   “  .*

Angaben aus: Friedel Homeyer, Gestern und heute - Juden im Landkreis Hannover, S. 100

und                 Tamar Avraham (Bearb.), Eldagsen, in:  H. Obenaus (Hrg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen ..., Bd. 1, S. 524

Hauptstraße in Eldagsen, um 1920 (Abb. aus: akpool.de)

 

Um 1900 lebten in Eldagsen kaum mehr als 50 Juden; dabei war eine relativ große Fluktuation zu beobachten; Abwanderung und Zuwanderung hielten sich dabei ungefähr die Waage. Ihrem sozialen Status nach gehörten die meisten zur kleinbürgerlichen Mittelschicht; sie waren Kleinhändler, die ihre Kunden auf dem Lande aufsuchten, um dort Bestellungen aufzunehmen und Waren abzuliefern. Bis 1938 hatte mehr als die Hälfte der Juden Eldagsens das Städtchen bereits verlassen. Während des Pogroms am Morgen des 11.November wurde die Synagoge verwüstet, die Fenster eingeschlagen; auch die Schaufensterscheiben dreier jüdischer Geschäfte wurden von einem SS-Trupp aus Springe zerstört. Eine Brandlegung der Synagoge soll durch das Eingreifen des Bürgermeisters verhindert worden sein. Bereits im Frühjahr 1937 war ein Antrag der Stadt Eldagsen auf Schließung des dortigen jüdischen Friedhofs gestellt worden:

                                                                                                                                                        Eldagsen, 4.Mai 1937

An

das staatliche Gesundheitsamt

     in   S p r i n g e

----------------------------------

... Da in der hiesigen Bevölkerung eine große Erregung darüber herrscht, dass der jüdische Friedhof mitten im Weichbild der Stadt liegt, würde ich es sehr begrüssen, wenn es uns gelingen würde, hier Wandel zu schaffen. Nach meinem Dafürhalten ist die Stadt Eldagsen in diesem Falle nicht verpflichtet das erforderliche Grundstück für die Neuanlage eines Friedhofs zur Verfügung zu stellen; denn in der Gemeinde Gestorf, die 6 km von Eldagsen entfernt liegt, ist ein ordnungsmässiger jüdischer Friedhof vorhanden. Ich glaube, wir können den Juden unbedenklich zumuten, dass sie ihre verstorbenen Angehörigen zum Friedhofe nach Gestorf schaffen. ...

Die Eingabe hatte Erfolg; der Friedhof wurde Ende 1938 geschlossen. Das Synagogengebäude wurde 1940 veräußert.

Mehr als 1.000 Juden aus dem Zuständigkeitsbereich der Gestapoleitstellen Braunschweig, Hannover und Münster wurden im Frühjahr 1942 nach Trawniki bei Lublin deportiert; darunter befanden sich auch etwa 30 Personen aus dem Landkreis Springe, zwei Ehepaare aus Eldagsen. Von 36 Eldagser Juden ist bekannt, dass sie noch rechtzeitig emigrieren konnten - zumeist in die USA.

 

Das ehemalige Synagogengebäude in Eldagsen wird seit Ende der 1950er Jahre als Wohnhaus genutzt; in den ersten Nachkriegsjahren diente es der katholischen Kirche als Gotteshaus ("Josephskapelle").

    Seit 1995 erinnert ein Gedenkstein (mit aufgesetzter Tafel) auf dem Gelände der St. Alexandri-Kirche an die Juden Eldagsens; dieser befindet sich seit 2013/2014 nun direkt vor dem ehemaligen Synagogengebäude an der Langen Straße (Aufn. Bernd Schwabe, 2015, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0).

Der kleine jüdische Begräbnisplatz - zwischen Brücken- und Knickstraße - war während der Kriegsjahre in Gartenland umgewandelt worden. Nach 1945 wurde auf Betreiben der nach Argentinien ausgewanderten Tochter von Baruch Blum ein Streifen des ehemaligen Bestattungsareals wieder hergerichtet. Noch vier originale Grabsteine findet man hier - wenn auch nicht mehr an ihrem ursprünglichen Platz; ein Grabstein ist der von Baruch Blum, dem ehemaligen Vorsteher der Synagogengemeinde von Eldagsen.

Jüdischer Friedhof Eldagsen (Aufn. Schwabe, 2015, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

 Der aus Eldagsen stammende Jakob Goldschmidt (geb. 1882) machte sich in den 1920er Jahren als Bankier einen Namen; besonders die erfolgreiche Sanierung großer Wirtschaftsunternehmen sind mit seiner Person verbunden.

 

 

 

In Gestorf – heute Ortsteil von Springe – erinnert unterhalb des Limberges ein kleiner Friedhof mit ca. 20 Grabsteinen an die jüdische Geschichte des Dorfes. Das Begräbnisgelände soll in den 1780er Jahren angelegt worden sein. Die wenigen jüdischen Familien des Dorfes waren der Synagogengemeinde Eldagsen angeschlossen.

Auf dem Friedhof - an der Kreisstraße nach Völksen gelegen – findet man heute 22 Grabsteine; der älteste stammt aus dem Jahr 1783.

Gestorf Juedischer Friedhof.JPG

Eingangspforte und Blick auf den jüdischen Friedhof (Aufn. D., 2015 und  C. Franz, 2012, in: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

Seit 2015 erinnern drei sog. "Stolpersteine" an Angehörige der jüdischen Familie Abrahamson, deren letzter Wohnsitz In der Welle war.

            Stolperstein Isaak AbrahamsonStolperstein Bertha AbrahamsonStolperstein Ella AbrahamsonAufn. D., 2016, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0

 

 

 

Weitere Informationen:

Friedel Homeyer, Der Jüdische Friedhof in Eldagsen, in: Gestern und Heute - Juden im Landkreis Hannover, Hrg. Landkreis Hannover, Hannover 1984, S. 253 - 259

Friedel Homeyer, Der Jüdische Friedhof in Gestorf, in: Gestern und heute - Juden im Landkreis Hannover, Hrg. Landkreis Hannover, Hannover 1984, S. 260 - 263

Heimatgeschichtlicher Wegweiser zu Stätten des Widerstandes und der Verfolgung 1933 - 1945, Niedersachsen II (Regierungsbezirke Hannover und Weser-Ems), Pahl-Rugenstein Verlag, Köln 1986, S. 69 f.

Herbert Katz, Jüdische Einwohner in Eldagsen, in: "Heimatland", No.2/1993, S. 43/44

Albert Marx, Geschichte der Juden in Niedersachsen, Fackelträger-Verlag GmbH, Hannover 1995

Hans-Christian Rohde, Das Schicksal der jüdischen Bürger in Eldagsen und Springe. Ein Stück Geschichte über 200 Jahre (Manuskript 1998)

Hans-Christian Rohde, “Wir sind Deutsche mit jüdischer Religion”. Geschichte der Juden in Eldagsen und Springe, Bennigsen, Gestorf, Völksen, in: "Hallermunter Schriften", No. 2, Museum Springe, Springe 1999

Tamar Avraham (Bearb.), Eldagsen, in: Herbert Obenaus (Hrg.), Historisches Handbuch der jüdischen Gemeinden in Niedersachsen und Bremen, Wallstein-Verlag, Göttingen 2005, Bd. 1, S. 524 - 533

Lutz Wernicke, Die Abrahamsons: Eine Spurensuche in Gestorf - Die jüdischen Geschwister handelten mit Lebensmitteln, Haushaltswaren und Hutmode, in: "Neue Deister Zeitung" vom 23.2.2007

Heike L. (Red.), Gedenkstein an jüdische Mitbürger in Eldagsen, in: myheimat.de/springe/kultur/gedenkstein-an-juedische-mitbuerger-in-eldagsen (vom 3.11.2012)

Heike L. (Red.), Ehemalige Synagoge in Eldagsen, in: myheimat.de/elze/kultur/ehemalige-synagoge-in-eldagsen (vom 20.1.2013)

Auflistung der in Springe verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: wikipedia.org/wiki/Liste_der_Stolpersteine_in_Springe

Jens-Christian Wagner (Bearb.), ELDAGSEN – Novemberpogrome 1938 in Niedersachsen, online abrufbar unter: pogrome1938-niedersachsen.de/eldagsen/