Exin (Posen)
Exin - südwestlich von Bromberg im ehem. Kreis Schubin gelegen - erhielt 1262 Stadtrechte; bei der 1.Teilung Polens (1772) kam die Stadt an Preußen. Derzeit zählt die in der Woiwodschaft Poznan liegende Kleinstadt Kcynia ca. 4.700 Einwohner (Ausschnitt aus hist. Landkarte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei und Kartenskizze 'Polen' mit Kcynia markiert, aus: mapa.livecity.pl).
Urkundliche Nachweise über jüdische Ansiedlung in Exin liegen aus der Mitte des 16.Jahrhunderts vor; doch vermutlich lebten schon in den Jahrzehnten zuvor jüdische Familien im Ort. Bereits im 16.Jahrhundert bildeten die Juden in Exin eine organisierte Gemeinschaft mit Synagoge und Schule. Um 1580/1600 war deren Zahl stark angewachsen; sie spielten eine wichtige Rolle im Wirtschaftsleben der Stadt. Die christlichen Einwohner wollten aber weiteren Zuzug nicht mehr hinnehmen; sie wandten sich an König Sigismund III., der 1594 ein Niederlassungsverbot für weitere Juden aussprach. Während des Schwedisch-Polnischen Krieges um 1660 litten die Exiner Juden vor allem unter der polnischen Soldateska, die ihnen „ärgste Grausamkeiten“ zufügte und die jüdische Gemeinde dezimierte; bis um 1770 muss sich die Gemeinde völlig aufgelöst haben. Als im Rahmen der 1.Teilung Polens (1772) Preußen sich des Landes bemächtigte, lebten keine Juden mehr in Exin. Nur zögerlich kam es erneut zu einer jüdischen Ansiedlung; diese verstärkte sich aber in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts deutlich und erreichte gegen Mitte des Jahrhunderts ihren höchsten Stand. In der neuen jüdischen Gemeinde lebten bekannte Talmud-Gelehrte, so u.a. auch Rabbiner Seeb Wolf Klausner.
Synagoge in Exin - hist. Aufn. um 1905 (aus: wikipedia.org, gemeinfrei)
Ab den 1840er Jahren richtete die neu konstituierte Kultusgemeinde eine zweiklassige Volksschule ein, deren Gebäude sich in der Synagogenstraße befand; bereits wenige Jahre zuvor soll eine jüdische „Missionsschule“ ins Leben gerufen worden sein.
Im 18.Jahrhundert ist die Anlage eines jüdischen Friedhofs nachweisbar.
Juden in Exin:
--- 1788 ...................... ca. 160 Juden (in 36 Familien),
--- 1808 .......................... 309 “ ,
--- 1816 .......................... 410 “ (ca. 30% d. Bevölk.),
--- 1837 .......................... 717 “ ,
--- 1849 .......................... 995 “ (ca. 41% d. Bevölk.),
--- 1857 .......................... 723 “ ,
--- 1871 .......................... 477 “ ,
--- 1892 .......................... 358 “ ,
--- 1905 .......................... 236 “ ,
--- 1910 .......................... 199 “ ,
--- 1919 .......................... 77 “ ,
--- 1924 .......................... 41 “ ,
--- 1939 (Sept.) .................. 87 “ .
Angaben aus: Heppner/J.Herzberg, Aus Vergangenheit und Gegenwart der Juden ..., S. 377
und Angaben des Magistrats von Kcynia
Exin - historische Postkarte um 1910 (Abb. aus: kpbc.umk.pl/publication)
Ab den 1860/1870er Jahren wanderten wegen der sich verschlechternden ökonomischen Situation immer mehr jüdische Bewohner ab; nach Ende des Ersten Weltkrieges befand sich die Gemeinde schließlich in Auflösung, weil die allermeisten Familien ihrer Heimat den Rücken gekehrt und vor allem nach Deutschland verzogen waren. Hauptgrund war die Tatsache, dass die Region auf Grund der Bestimmungen des Versailler Vertrages nun zum neugeschaffenen polnischen Staate gehörte.
1932 kam dann das offizielle Ende der jüdischen Gemeinde; die nur noch wenigen verbliebenen Familien schlossen sich der Gemeinde von Schubin/Szubin an. Bereits 1910 hatte die jüdische Elementarschule wegen Schülermangels ihre Pforten schließen müssen.
Bei Kriegsbeginn 1939 lebten in der Stadt noch ca. 90 Bewohner mosaischen Glaubens; unmittelbar nach der Okkupation wurde ein Teil ermordet*, die restlichen ins "Generalgouvernement" deportiert.
* Anm. In der Nacht vom 16./17. Sept. 1939 brannte die Synagoge. Tagsdarauf wurden wurden die Juden der Brandstiftung beschuldigt. Wenige Stunden später wurde den Juden befohlen, mitsamt ihrer Wertsachen sich auf dem Markt zu versammeln. Hier lud man sie auf zwei Lastwagen und fuhr sie aus der Stadt, wo sie dann erschossen wurden.
Eine jüdische Gemeinde hat es in Kcynia nach 1945 nicht wieder gegeben.
Der jüdische Friedhof wurde während des Krieges zerstört, indem die Grabsteine entfernt und für den Wegebau zweckentfremdet wurden. In den 1990er Jahren wurde damit begonnen, wiederaufgefundene Grabsteine auf das angestammte Begräbnisareal zu verbringen.
wiederaufgefundenes Grabsteinrelikt (aus: kirkuty.xip.pl)
Weitere Informationen:
A.Heppner/J.Herzberg, Aus Vergangenheit und Gegenwart der Juden und der jüdischen Gemeinden in den Posener Landen, Koschmin - Bromberg 1909, S. 376 - 379
T. Pietrykowski, Aus der Vergangenheit von Exin (in polnischer Sprache), Kcynia o.J.
Tomasz Kawski, Gminy żydowskie pogranicza Wielkopolski, Mazowsza i Pomorza w latach 1918-1942 („Die jüdischen Gemeinden im Grenzland von Wielkopolska, Masowien und Pommern in den Jahren 1918 – 1942"), o.O. o. J.
Jewich community of Kcynia, in: sztetl.org.plS
K. Bilawski (Red.), Kcynia, in: kirkuty.xip.pl