Falkenau (Böhmen)

 Lage des Okres SokolovDie nordwestböhmische Stadt Falkenau südwestlich von Karlsbad – mit einer langen Tradition als Bergbaustadt - ist das heutige tsch. Sokolov n.O. (bis 1948 Falknov nad Ohří) mit derzeit etwa 23.000 Einwohnern (Karte Reg.bez. Eger, 1938 - 1945, Ulamm, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0 und Kartenskizze 'Tschechien' mit Sokolov n.O. farbig markiert, aus: wikipedia.org, gemeinfrei).

 

Die Wurzeln der jüdischen Gemeinde in Falkenau liegen in der ersten Hälfte des 15.Jahrhunderts. Damals erhielt das königliche Gut der Grafen Schlick das Privileg, Juden hier anzusiedeln. Seitdem lebten zwischen 1550 und 1850 zwei bis maximal vier jüdische Familien in Falkenau; 1651 waren es die vier Familien von Salomon Schlam, Seligmann Schlam, Löw und Alexander Eliass, insgesamt ca. 20 Personen.

Im folgenden 18. und beginnenden 19.Jahrhundert lebte weiterhin nur eine begrenzte Zahl Familien mosaischen Glaubens in Falkenau. Eine neuzeitliche jüdische Gemeinde bildete sich in Falkenau erst im Laufe des 19.Jahrhunderts heraus; die zunächst als Kultusverein geführte Gemeinschaft hielt ihre gottesdienstlichen Zusammenkünfte anfänglich in einem angemieteten Betsaale ab. Ende der 1860er/Anfang der 1870er Jahre gründete sich dann offiziell die Kultusgemeinde, die seinerzeit mehr als 150 Angehörige umfasste.

Die Planungen für den Bau einer Synagoge wurden verworfen, als 1874 ein Großbrand mehr als die Hälfte der Stadt zerstört hatte und zahlreiche jüdische Familien ihr Hab und Gut verloren. Als die alten jüdischen Gemeinden des Umlandes wie Arnitzgrün, Elbogen und Schönlind aufgelöst und ihre verbliebenen Angehörigen der Kultusgemeinde Falkenau angeschlossen worden waren, wurde der Neubau eines Gotteshauses immer dringender. Auf einem am Mauerteiche an der Schillerstraße angekauften Grundstück errichtete die Kultusgemeinde 1896/1897 einen ansehnlichen Synagogenbau; dieser wurde im August 1897 eingeweiht; der Rabbiner aus Eger leitete die Einweihungsfeierlichkeiten.

Sokolov židovská synagoga.jpg

Blick in die Schillerstraße mit Synagoge - hist. Postkarten 1900/1920 (aus: commons.wikimedia.org, CCO)

Seit Ende der 1870er Jahre besaß die Kultusgemeinde ein eigenes Begräbnisareal, das unmittelbar dem kommunalen Friedhof angeschlossen war.

Juden in Falkenau:

          --- um 1550 ..........................   3 jüdische Familien,

    --- um 1650 ...................... ca.  20     “       “    ,

    --- 1849 .............................   2     “       “    ,

    --- um 1865 ..........................  24     “       “    ,

    --- um 1875 ...................... ca. 160 Juden,

    --- 1890 ............................. 136   “  ,

    --- 1900 ............................. 223   “  ,

    --- 1910 ............................. 248   “  ,

    --- 1921 ............................. 208   “  ,

             ............................. 484   “  ,*     * gesamte Kultusgemeinde

    --- 1930 ............................. 170   “  ,

--- 1938 .............................  55   “  .

Angaben aus: Gustav Treixler, Geschichte der Juden in Falkenau, Elbogen und Umgebung

und                 Rudolf M. Wlaschek, Juden in Böhmen - Beiträge zur Geschichte des europäischen Judentums..., S. 25

Falkenau (hist. Postkarte, aus: commons.wikimedia.org,gemeinfrei)

 

Unmittelbar nach dem sog. „Münchner Abkommen“ (September 1938) verließen die meisten Juden Falkenau, um sich in der „Rest-Tschechei“ in Sicherheit zu bringen. Wer in der Stadt blieb, wurde dann 1942 deportiert. Das über 40 Jahre alte Synagogengebäude fiel der Zerstörung anheim.

                                        Zerstörtes Synagogengebäude (Aufn. 1939)

In den letzten Kriegsmonaten gab es bei Falkenau ein Außenlager des KZ Flossenbürg (Falkenau/ Kdo Zwodau); es bestand als Unterkunftslager für Frauen nur solange, bis das Barackenlager Zwodau bezugsfertig war; weibliche Häftlinge mussten hier für den verlagerten Rüstungsbetrieb ‘Luftfahrtgerätewerke Hakenfeld GmbH’ (LGW) Zwangsarbeit leisten. Das KZ-Außenlager wurde von US-Truppen befreit.

 

Nach 1945 bildete sich in der Region wieder eine jüdische Gemeinschaft mit Sitz in Kraslice; diese umfasste 1948 immerhin ca. 230 Angehörige.

Der mit einer Mauer umgebene jüdische Friedhof ist zwar noch vorhanden, macht aber derzeit einen recht ungepflegten Eindruck.

Sokolov ŽH 01.jpg Sokolov ŽH 03.jpg

Eingangstor zum jüdischen Friedhof und Blick auf das Areal (Aufn. Krabat, 2010, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0)

 

 

Auf dem Gebiete der Kultusgemeinde Falkenau gab es noch im 19.Jahrhundert sechs weitere jüdische Gemeinden, darunter die historisch bedeutende von Elbogen (tsch. Loket, derzeit ca. 3.000 Einw.). In der Regierungszeit Kaiser Sigismunds war es seinem Reichskanzler, dem Grafen Kaspar Schlick, erlaubt worden, Juden ansiedeln zu lassen (1434). Nach vorübergehender kurzzeitiger Vertreibung durften die jüdischen Familien 1496 wieder nach Elbogen zurückkehren, dabei soll es sich um wenigstens zehn über 13 Jahre alte männliche Personen gehandelt haben. Die Elbogener Juden begruben ihre Toten in Eger. Im Laufe der Jahrhunderte bildete sich in Elbogen eine größere Gemeinde, die bis ins ausgehende 19.Jahrhundert existierte. Als die Kleinstadt den Anschluss an die Handelswege verlor, verließen die allermeisten Juden Elbogen. Die noch verbliebenen Familien schlossen sich der Falkenauer Kultusgemeinde an.

01031-Elbogen-1899-Stadt und Schloß Elbogen-Brück & Sohn Kunstverlag.jpghist. Ansicht von Elbogen (Abb. aus: wikipedia.org, CCO)

 

 

 

Jüdische Besiedlung in Arnitzgrün (tsch. Arnoltov, heute ein Stadtteil der Kommune Březová u Sokolova, derzeit ca. 50 Einw.) lässt sich bis ca. 1655 zurückverfolgen; um 1725 lebten im Dorf vier jüdische Familien. Eine Kultusgemeinde bildete sich dann in der zweiten Hälfte des 18.Jahrhunderts. Ihren zahlenmäßigen Zenit erreichte die Gemeinde in der ersten Hälfte des 19.Jahrhunderts, als hier mehr als 20 Familien (mit ca. 130 Personen) ansässig waren. Neben einem Gebetsraum betrieb die Gemeinschaft auch eine eigene Schule. Ein Begräbnisplatz war im 18.Jahrhundert angelegt worden.

Um 1880 löste sich die jüdische Gemeinde auf Grund der Abwanderung in größere Städte völlig auf.

Noch heute erinnert ein südwestlich des Dorfes gelegener jüdisches Friedhofsgelände - inzwischen fast völlig von der Vegetation eingenommen - an die ehemals hier bestehende israelitische Gemeinde.

 Arnoltov židovský hřbitov listopad 2019 (1).jpg

Aufn. Krabat, 2011, aus: wikipedia.org, CC BY-SA 3.0  und Lubor Ferenc, 2019, aus: commons.wikimedia.org, CC BY-SA 4.0

 

 

In Chodau (tsch. Chodov, derzeit ca. 13.500 Einw.) - ca. zehn Kilometer von Falkenau entfernt -  haben nur vereinzelt jüdische Familien gelebt; gegen Mitte des 19.Jahrhundert waren es fünf Familien.

Seit 2015 erinnern ca. zehn sog. "Stolpersteine" an ehemalige jüdische Bewohner, die Opfer der NS-Herrschaft geworden sind.

Stolperstein für Walter Kronberger.jpg Stolperstein für Eduard Kronberger.jpg Stolperstein für Ida Kronberger.jpg Stolperstein für Oscar Kronberger.jpg

Vier "Stolpersteine" für Angehörige der Familie Kronberger (Aufn. Chr. Michelides, 2016, aus: commons.wikipedia.org, CC BY-SA 4.0)

 

 

 

Weitere Informationen:

Gustav Treixler (Bearb.), Geschichte der Juden in Falkenau, Elbogen und Umgebung, in: H. Gold (Hrg.), Die Juden und Judengemeinden Böhmens in Vergangenheit und Gegenwart, Brünn/Prag 1934, S. 135 - 139

Hugo Theisinger, Aus dem Egerland. Falkenau. Stadt und Land - Ein Heimat- und Ortsbuch, Buchloe 1983

Germania Judaica, Band III/1, Tübingen 1987, S. 295/296

Rudolf M.Wlaschek, Zur Geschichte der Juden in Nordostböhmen unter besonderer Berücksichtigung des südlichen Riesengebirgsvorlandes, in: "Historische und landeskundliche Ostmitteleuropa-Studien", Bd. 2, Marburg/Lahn 1987

Rudolf M. Wlaschek, Juden in Böhmen - Beiträge zur Geschichte des europäischen Judentums im 19. und 20.Jahrhundert, in: "Veröffentlichungen des Collegium Carolinum", Band 66, R.Oldenbourg-Verlag, München 1997

The Encyclopedia of Jewish Life before und during the Holocaust, New York University Press, 2001, Vol. 3, S. 1212

Auflistung der in Chodau (Chodov) verlegten Stolpersteine, online abrufbar unter: commons.wikimedia.org/wiki/Category:Stolpersteine_in_Chodov_(Sokolov_District)