Festenberg (Schlesien)
Das mittelschlesische Festenberg – eine Ortschaft im Kreis Groß Wartenberg, ca. 45 Kilometer nordöstlich von Breslau - ist das heutige poln. Twardogóra mit derzeit ca. 6.700 Einwohnern (Ausschnitt aus hist. Karte von 1905, aus: wikipedia.org, gemeinfrei).
Gegen Ende des 17.Jahrhunderts wurde erstmals ein Jude in Festenberg ansässig. Die herzogliche Landesherrin hatte ihm das Privileg übertragen, Branntwein auszuschenken. Eine jüdische Gemeinde in Festenberg bildete sich aber erst nach Ansiedlung von aus Breslau vertriebenen Juden gegen Mitte des 18.Jahrhunderts. Wesentlichen Anteil an der Entstehung dieser relativ großen Gemeinde hatte der neue Landesherr Graf Heinrich Leopold von Reichenbach-Groschütz. Dieser wollte mit Hilfe der Juden die wirtschaftlichen Verhältnisse in seinem Herrschaftsgebiet verbessern; dabei sollte vor allem die Tuchmacherei bzw. der Tuchhandel sich zu einem wichtigen Wirtschaftszweig der Stadt entwickeln.
Gottesdienste fanden in einem angemieteten und für Gebetszwecke eingerichteten Raum statt; einen eigenen Synagogenbau hat es in Festenberg nicht gegeben. Dagegen bestand am Ort eine jüdische Schule, die gegen Ende des 19.Jahrhunderts wegen zurückgehender Schülerzahlen aufgelöst wurde; danach besuchten die jüdischen Kinder die christlichen Schulen.
Ein jüdischer Friedhof gehörte ebenfalls zu den Gemeindeeinrichtungen; auf dem um die Mitte des 18.Jahrhunderts angelegten Begräbnisareal wurden auch verstorbene Juden aus umliegenden Ortschaften beerdigt. Das älteste belegbare Begräbnis soll hier 1761 erfolgt sein.
Juden in Festenberg:
--- 1747 ......................... 8 jüdische Familien,
--- 1751 ......................... 22 “ “ ,
--- 1791 ......................... 87 Juden,
--- 1812 ......................... 217 “ (knapp 50 Familien),
--- 1840 ......................... 173 “ ,
--- 1849 ......................... 145 “ ,
--- 1871 ......................... 96 “ ,
--- 1907/10 ...................... 55 “ ,
--- 1913 ......................... 44 “ ,
--- 1933 ..................... ca. 30 “ ,
--- 1937 ......................... 6 “ .
Angaben aus: Bernhard Brilling, Die jüdischen Gemeinden Mittelschlesiens - Entstehung und Geschichte, S. 72
Die Juden Festenbergs bestritten ihren Lebensunterhalt teilweise durch Handel in der Stadt Breslau, teilweise durch Hausierhandel bzw. den An- und Verkauf der in Festenberg benötigten Wolle bzw. hergestellten Tuche (Festenberg war damals eine Stadt der Tuchweber). Bis gegen Mitte des 19.Jahrhunderts erreichte hier die Tuchmacherei eine Blüte, danach aber wegen Abwanderung der meisten Handwerker in die neuen Textilgebiete (vor allem nach Lodz) deutlich an Bedeutung verlor. Auch einige jüdische Musikanten lebten in Festenberg; sie zogen im Lande umher und spielten vor allem bei Hochzeitsfeierlichkeiten auf.
Ansicht von Festenberg - hist. Postkarte um 1930 (aus: dolny-slask.org.pl)
Mit Beginn des 20.Jahrhunderts begann die Zahl der Juden in Festenberg immer weiter zu sinken; im Jahre 1936 wurde die Gemeinde schließlich aufgelöst.
Während der „Kristallnacht“ wurden das Synagogengebäude und drei jüdische Geschäfte zerstört.
Der jüdische Friedhof wurde bis zur Auflösung der Gemeinde in den 1930er Jahren genutzt. Heute sind hier kaum Spuren einer Begräbnisstätte mehr zu finden, da das Gelände in kommunistischer Zeit als Kiesgrube diente.
Weitere Informationen:
Franz Thomale, Die schlesische Tischlerstadt Festenberg, in: "Groß Wartenberger Heimatblatt", Jg. 1958 bis 1973, Schwäbisch Gmünd (online abrufbar)
Bernhard Brilling, Die jüdischen Gemeinden Mittelschlesiens - Entstehung und Geschichte, Verlag Kohlhammer, Stuttgart/Berlin/Köln/Mainz 1972, S. 69 - 74
The Encyclopedia of Jewish Life before and during the Holocaust (Vol. 1), New York University Press, Washington Square, New York 2001, S. 381/382
Lehnsdorf/k.H.Eisert, Die jüdischen Religionsgemeinschaften, in: "Stadt und Kreis Wartenberg", online abrufbar unter: gross-wartenberg.de
Rathay-Biograpien: Festenberg – Twardogóra, online abrufbar unter: rathay-biographien.de/Orte/F-Orte/Festenberg/festenberg.htm
Twardogóra, in: sztetl.org.pl